Alternative für Russland: Wie sich die AfD systematisch nach Russland orientiert

Das Ziel ist Russland: Selbst im Wahlprogramm der AfD findet sich kaum noch ein Bezug zum Westen oder der NATO. Provokante Reisen, aggressive Reden und russlandfreundliche Anträge im Bundestag zeigen, dass sich die Partei außenpolitisch Russland andient.

Bild: Eine Collage mit den Politikern Tino Chrupalla und Wladimir Putin von Ivo Mayr.

Das Ziel ist Russland: Selbst im Wahlprogramm der AfD findet sich kaum noch ein Bezug zum Westen oder der NATO. Provokante Reisen, aggressive Reden und russlandfreundliche Anträge im Bundestag zeigen, dass sich die Partei außenpolitisch Russland andient.

22. September 2023

Wenn es nach der AfD in Bayern ginge, würde sich der Freistaat aus der Westbindung lösen und eigene Verhandlungen mit dem Kreml führen. Die Ukraine solle keine Waffen bekommen. Ukrainische Soldaten sollten nicht in Bayern ausgebildet und die Sanktionen gegen Russland aufgehoben werden. Der bayerische Landesverband verortet Bayern in „Eurasien“, ein politischer Kampfbegriff, der von russischer Seite kommt und auch von der AfD vermehrt genutzt wird.

Für die bayerische AfD ist auch klar, wer für den Krieg die Verantwortung trägt: die USA und da zuallererst der amerikanische Präsident Joe Biden.

All das findet sich in der „Bayerischen Dialoginitiative für Frieden in Europa“, die die AfD-Delegierten auf dem Landesparteitag im Mai 2023 verabschiedeten. Dort heißt es:

„Bayern als Brückenbauer zwischen Ost und West statt als Unterstützer Bidens einseitiger US-Interessen- und Geopolitik für eine gezielte Spaltung Eurasiens“.

Bis vor wenigen Tagen war die „Bayerische Dialoginitiative“ noch auf der Webseite des Landesverbandes zu finden. Diese Version hatten wir von der Webseite gespeichert und ist hier verfügbar.  Auf Anfrage gab der Landesverband an, dass die Seiten für den Wahlkampf angepasst wurden.

So deutlich hat sich noch kein westlicher Landesverband der AfD auf die Seite Russlands gestellt. Die Bayern-AfD fordert den Freistaat zu einer eigenen Russlandpolitik an der Bundesregierung vorbei auf, „durch die umgehende Nutzung etablierter Gesprächskanäle mit langjährigen russischen Partnern“ nach „dem Vorbild Ungarn und Serbien“, heißt es in dem Papier.

Bayern ist kein Einzelfall: Wie sich die AfD nach Russland orientiert

Die Positionen des bayerischen Landesverbandes zu Russland wirken extrem, sie zeigen aber eine Entwicklung, die die gesamte AfD in ihrer 10-jährigen Parteigeschichte genommen hat. Es sind nicht nur die bekannten und provokanten Reisen von AfD-Politikern nach Moskau oder in von Russland besetzte Gebiete – selbst nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine. Die systematische Hinwendung nach Russland wird in Programmen, Anträgen und Reden im Bundestag sowie Äußerungen vieler AfD-Abgeordneter sichtbar. CORRECTIV zeigt, wie sich die Russland-Nähe der AfD in ihren eigenen Worten manifestiert.

Anfänglich sprach sich die AfD gegen den Euro aus, aber die Partei unter dem Gründer Bernd Lucke sah sich damals fest verankert in der westlichen Wertegemeinschaft. Im Wahlprogramm der AfD zur Europawahl 2014 stand ein klares Bekenntnis zur NATO:

„Die Nato ist und bleibt die Klammer einer transatlantischen Sicherheitsarchitektur, deren entscheidender Anker das Bündnis mit den USA ist. (…) Die AfD bejaht die gemeinsame Verfolgung europäischer Interessen und damit eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU“.

10 Jahre später schaffte es das Wort „Nato“ nicht mal in den Leitantrag für die Europawahl 2024. Nur mit Hilfe einer geschickten Parteitags-Strategie wurde ein flüchtiges Bekenntnis zum westlichen Verteidigungsbündnis in das Programm formuliert.

Der Leitantrag für die Europäischen Wahlen 2024 ist stark anti-westlich geprägt. Die AfD will die EU überwinden, sie fordert, dass Deutschland einen Beobachtungsstatus in der „Shanghai Organisation für Zusammenarbeit“ anstrebt, einem von Russland und China beherrschten Club autokratischer Regime. Die AfD will auch mit der von Moskau geführten „Eurasischen Wirtschaftsunion“ zusammenarbeiten. Bisher bilden Russland, Armenien, Kasachstan, Belarus und Kirgistan diese Gemeinschaft. Zudem schaffte es der Kampfbegriff der russischen Nationalisten – die „multipolare Weltordnung“ – ins Programm. In der Präambel wird die „Dominanz außereuropäischer Großmächte“  dafür verantwortlich gemacht, dass „die Staaten Europas in Konflikte“ hingezogen würden, die „fruchtbaren Handelsbeziehungen im europäisch-asiatischen Raum – diametral entgegenstehen“. Mit der „Dominanz außereuropäische Großmächte“ sind wohl vor allem die USA gemeint.

Die Hinwendung der AfD nach Russland bricht mit der Westbindung der Bundesrepublik

Ein derartiger außenpolitischer Wandel einer Partei ist in der deutschen Parteiengeschichte einmalig. Noch nie hat sich in der Bundesrepublik eine Partei, die sich selbst bis heute als bürgerlich beschreibt, aus der Westbindung gelöst und sich außenpolitisch nach Moskau ausgerichtet.

Ein Gründungsmythos der AfD besagt, dass sie letztlich eine Kopie der CDU der 1980er Jahre sei. Mit der Orientierung nach Osten positioniert sich die AfD jedoch gegen die Union von Konrad Adenauer, Franz-Josef Strauß oder Helmut Kohl. Für die Union sind die transatlantischen Beziehungen, die Einbindung Deutschlands in die Nato und die Europäische Union Teil ihres außenpolitischen Selbstverständnisses.

Vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine war die Politik der Annäherung an Russland trotz der Annexion der Krim weiterhin ein Ziel der SPD, CDU/CSU und der FDP. Sie befürworteten in der überwiegenden Mehrheit die Gaspipeline Nordstream von Russland nach Deutschland. Wandel durch Handel – die Parteien hofften noch lange auf eine erfolgreiche Entspannungspolitik mit Russland.

Der russische Einmarsch in die Ukraine widerlegte die Annahme, dass Handelspartner keinen Krieg führen. Die Unionsparteien, die SPD, Grüne und die FDP sind sich nun in der Unterstützung der Ukraine und der Isolation Russlands im Krieg überwiegend einig.

Die AfD machte diesen Richtungswechsel nicht mit, sondern verstärkt die Annäherung an Russland sogar. Hier unterscheidet sich die AfD auch von anderen rechten Parteien in Europa wie in Finnland, Schweden oder Italien. Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni etwa hat sich klar auf die Seite der Ukraine gestellt.

Verschiedene Medien – etwa Spiegel, ARD, SZ, Welt, ZDF Frontal oder t-online sowie CORRECTIV – veröffentlichten bereits Recherchen zu den Verbindungen der AfD und Russland. Anhand von Programmen, Reisen, Zitaten und Reden wird nun die systematische Verschiebung der AfD nach Russland sichtbar.

Die Partei ist zur Alternative für Russland geworden.

Die Russlandreisen

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Besonders auffällig sind Reisen von AfD-Abgeordneten nach Russland. Viele sind als gezielte Provokation gedacht, etwa wenn es auf die von Russland annektierte Krim oder die von Russland unterstützten separatistischen Gebiete in Luhansk und Donezk ging. Oft suchen die AfD-Politiker die Nähe zum Putin-Regime; einige nahmen an von Russland organisierten Wahlbeobachtungen teil. AfD-Politiker kritisierten dabei weder die Unterdrückung der Opposition noch die Einschränkungen der Pressefreiheit. Ein Abgeordneter lobte die Wahlen sogar als „frei, gleich und geheim“. Die Welt recherchierte im Oktober 2021 allein über 100 solcher Reisen.

Selbst nach dem russischen Überfall auf die Ukraine setzten AfD-Politiker die Reisetätigkeit nach Russland fort. Sie forderten dabei die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland, sprachen sich aber nicht gegen den Angriffskrieg Russlands aus. Wir zeigen eine Auswahl von Reisen, die die systematische Annäherung an Russland zeigen.

Russland annektierte die Krim. Deutschland, die EU und eine große Mehrheit der Staaten der Welt erkennen Putins Landraub nicht an. Die Reise des AfD-Abgeordneten Marcus Pretzell zusammen mit dem damaligen Chef der Jungen Alternative, Markus Frohnmaier, auf die von Russland besetzte ukrainische Halbinsel soll offenbar eine bewusste Provokation sein.

Der AfD-Abgeordnete Stefan Keuter wird 2018 vom russischen Staat als Wahlbeobachter eingeladen. So erhalten die gelenkten Wahlen einen demokratischen Anstrich. Keuter bewertet die Wahlen in Kasan als „frei, gleich und geheim“. Der AfD-Abgeordnete im Berliner Abgeordnetenhaus, Gunnar Lindemann, besucht mehrmals die von Russland unterstützten Separatisten in Donezk und Luhansk. Der AfD-Mann aus Berlin trifft die Putin-nahe Rockergang „Nachtwölfe“ und erhält einen Orden der Separatisten.

Frauke Petry machte 2017 den Anfang, seither gibt sich die Parteispitze der AfD in Moskau die Klinke in die Hand. Im Dezember 2020 empfing der russische Außenminister Lawrow den AfD-Chef Tino Chrupalla. Im März 2021 fährt AfD-Chefin Alice Weidel nach Russland, mit der Botschaft, die Sanktionen „endlich zu beenden“. Im Sommer 2021 ist AfD-Chef Chrupalla erneut in Moskau und macht sich laut einem Bericht der FAZ zum „Sprachrohr der russischen Propaganda“.

Am 24. Februar 2022 überfällt die russische Armee die Ukraine. Seither verteidigt sich die Ukraine gegen Russland.

Einige AfD-Politiker reisen trotz des Krieges weiterhin nach Russland. Die Landtagsabgeordneten Hans-Thomas Tillschneider und Daniel Wald aus Sachsen-Anhalt sowie Christian Blex aus Nordrhein-Westfalen besuchten im September 2022 Russland. Von dort wollten sie dann weiter in die von Russland besetzten Gebiete Donezk und Luhansk. Daran hinderte sie der AfD-Vorstand. Aber die Reisen gingen weiter. Der AfD-Bundestagsabgeordente Petr Bystron fuhr im November 2022 heimlich nach Weißrussland und sein Fraktionskollege Matthias Moosdorf auf eine Wirtschaftskonferenz nach St. Petersburg. Für Tillschneider ging es im August 2023 erneut nach Moskau.

Drei Beispiele für AfD-Politiker, die nach Russland reisten

Portrait Hans-Thomas Tillschneider (AfD)
Der Provokateur:
Hans-Thomas Tillschneider

Der Landtagsabgeordnete von Sachsen-Anhalt, Hans-Thomas Tillschneider, hält auch in Kriegszeiten mit seiner Verehrung für Russland nicht hinter dem Berg. Kurz nach dem russischen Überfall auf die Ukraine schreibt Tillschneider auf Facebook: „Rußland greift an, schreibt die Tagesschau. Falsch. Rußland wehrt sich!“. Der Post wurde später gelöscht. Im September 2022 reiste Tillschneider zusammen mit den Landtagsabgeordneten Daniel Wald aus Sachsen-Anhalt und Christian Bex aus Nordrhein-Westfalen nach Russland. Allein das war nach dem Überfall auf die Ukraine schon ein Tabubruch. Als die Reisegruppe dann weiter in die von Russland besetzten ukrainischen Provinzen Donezk und Luhansk wollte, stoppte sie der AfD-Vorstand. Tillschneider setzte die Russlandreisen fort und formuliert seine Haltung so: „Transatlantiker gegen Eurasier! Wir müssen umdenken“, schreibt er auf Facebook. Im August 2022 nahm er an einer Sicherheitskonferenz in Moskau teil, auf der er gegen das „Regenbogenimperium“ wetterte. Tillschneider sieht im Kampf gegen die Politik der Gleichberechtigung und sexuellen Selbstbestimmung Russland unter Putin als Bündnispartner. Vor allem seit dem Krieg wird in russischen Propagandashows Europa als „Gayeuropa” und „Reich Satans“ diffamiert, der Krieg gegen die Ukraine als „Kreuzzug” gesehen.

Portrait Stefan Keuter (AfD)
Der bestellte Wahlbeobachter:
Stefan Keuter

Stefan Keuter ist Bundestagsabgeordneter der AfD aus Essen. Bevor Keuter in den Bundestag kam, hatte er mit Russland wenig zu tun. Er selbst schreibt, er habe die russische Hauptstadt lediglich vor 20 Jahren einmal besucht. 2017 zog Keuter für die AfD auf einem der hinteren Plätze der NRW-Landesliste in den Bundestag ein. Kaum im Bundestag, suchte Keuter die Nähe zu Russland. Seine Posts auf Facebook zeigen die Annäherung: Keuter besuchte Empfänge der russischen Botschaft. 2018 nahm er an einer von Russland organisierten Beobachtung der Präsidentschaftswahlen teil. Keuter lobte Russland unter Putin in russischen Medien. In einem auf Facebook veröffentlichten Bericht schreibt er, „dass die Bevölkerung der Meinung ist, dass Putin gut für Russland ist und sich für die Bevölkerung einsetzt, sowie nationale Interessen vertrete“. Die Wahlen seien aus Keuters Sicht „frei, gleich und geheim“. Es folgten weitere Reisen, selbst nach dem russischen Überfall auf die Ukraine. Keuter nahm im April 2022 online an der Moskauer Konferenz „Wirtschaft gegen Sanktionen“ teil. Dort kritisierte er – wie die ARD recherchierte – die Sanktionen und warf den deutschen Medien „Propaganda“ vor. Russische Medien griffen eine Rede Keuters im Bundestag auf, als dieser sagte: „Das ist nicht unser Krieg“.


Der kritiklose Gast:
Tino Chrupalla

Der AfD-Bundesvorsitzende Tino Chrupalla reiste vor dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zweimal nach Moskau. Im Dezember 2020 traf er den russischen Außenminister Sergej Lawrow. Kurz zuvor hatte die Bundeskanzlerin Angela Merkel den vergifteten russischen Oppositionspolitiker Alexej Nawalny in der Charité besucht. Beobachter werten den Empfang des AfD-Politikers als russische Retourkutsche. Ein halbes Jahr später reist Chrupalla erneut nach Moskau und nimmt an einer Konferenz des russischen Verteidigungsministeriums teil. Zu der Zeit zieht Russland die Truppen an der ukrainischen Grenze zusammen. Von Kritik keine Spur. Vielmehr spricht sich Chrupalla dafür aus, die Sanktionen gegen Russland fallen zu lassen.

Die Russlandfreunde in der AfD

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Die Begeisterung für Russland, den russischen Präsidenten Wladimir Putin, aber auch die Nutzung ideologisch aufgeladener Begriffe „Eurasien“ und „multipolare Welt“ ist unter den Mitgliedern der AfD verbreitet. Wir stellen hier eine kleine Auswahl vor.


Der rechte Ideologe:
Björn Höcke

Björn Höcke führt die Landes-AfD und die Landtagsfraktion in Thüringen. Er gilt als völkischer Ideologe der AfD und als Strippenzieher in der AfD. Seit dem Parteitag 2022 im sächsischen Riesa hat er seine innerparteiliche Macht gefestigt. Obwohl Höcke selbst nicht für den Bundesvorstand kandidierte, sagte er gegenüber dem ZDF, dass der neu gewählte Vorstand „bisher vollständig meinem Geschmack“ entspreche. Die früheren AfD-Vorsitzenden Lucke, Petry und Meuthen scheiterten daran, Höcke wegen seiner Nähe zum Nationalsozialismus aus der Partei zu werfen, stattdessen verließen sie die Partei. Höcke kann presserechtlich als „faschistisch“ bezeichnet werden. Die Radikalisierung nach Rechts geht bei Höcke mit einer Hinwendung nach Russland und der nationalistischen, anti-westlichen Ideologie einher, die vom russischen Philosophen Alexander Dugin stammt. Bei einer Rede zum Tag der deutschen Einheit am 2022 in Gera sagte er:

„Die US-amerikanische Regierung hat der deutschen Bundesregierung den wirtschaftlichen Selbstmord befohlen und Scholz und Co führen diesen Befehl aus. Liebe Freunde, ich glaube, es geht nicht zu weit, wenn ich folgendes feststelle: Es war und ist US-amerikanische Strategie als raumfremde Macht auf unserem Kontinent Keile zu treiben, Keile zu treiben zwischen Völker und zwischen Nationen, die eigentlich sehr gut miteinander arbeiten könnten.“
„Der natürliche Partner, der natürliche Partner für uns als Nation, der Tüftler und Denker, der natürliche Partner unserer Arbeits- und Lebensweise wäre Russland; ein Land mit schier unerschöpflichen Ressourcen
„Aber wenn ich mich jetzt für das deutsche Volk entscheiden müsste zwischen dem Regenbogenimperium, zwischen dem neuen Westen, zwischen dem globalistischen Westen und dem traditionellen Osten, ich wählte in dieser Lage den Osten”.


Die Ideologie-Importeurin:
Beatrix von Storch

Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine hält sich die AfD-Politikerin Beatrix von Storch in der Öffentlichkeit mit einer Bewertung zurück. Vor dem Krieg war von Storch deutlicher. So in einem Tweet aus dem November 2019:

„(...) Gegen #NATO mit Putin. Deutschland ist dank #Merkel isoliert. Gesinnungsethik führt in die Sackgasse. Mehr Realismus wagen.“

Bevor von Storch sich in der AfD engagierte, führten sie und ihr Mann eine Vielzahl von Organisationen, die sich gegen Abtreibung und das Selbsbestimmungsrecht der sexuellen Identität wandten. Auch die „Demo für Alle“ macht als Protestbündnis seit 2014 bundesweit mobil gegen diese Themen. Dahinter stehen rechte und fundamentalistisch-christliche Akteure aus dem Umfeld der heutigen AfD-Bundestagsabgeordneten Beatrix von Storch. Eine bemerkenswerte Rolle spielt in diesem Zusammenhang der Oligarch Konstantin Malofejew. Er sieht Russland als Bollwerk gegen einen angeblichen Werteverfall in Europa. Der ultranationalistische Oligarch taucht wie der Philosoph Alexander Dugin immer wieder im Umfeld der AfD auf. Frau von Storch läßt CORRECTIV-Fragen zur „Demo für Alle“ und Malofejew unbeantwortet.

Das Oberlandesgericht Hamburg urteilt im November 2022 über die Verbindungen Malofejews zur „Demo für Alle“:

„Die Behauptung, dass Konstantin Malofejew Proteste wie die „Demo für Alle” organisiert habe, ist danach ebenfalls rechtmäßig verbreitet worden. Denn die fraglichen € 75.000,00 hat er nach dem …gegeben, damit der Gründer der Plattform CitizenGO Ignacio Arsuaga diese für die Organisation aufbauen und publik machen konnte.“


Der willfährige Helfer:
Matthias Moosdorf

Matthias Moosdorf ist seit 2021 Bundestagsabgeordneter aus Sachsen. Seitdem, vor allem auch nach dem russischen Überfall auf die Ukraine, vertritt er als Mitglied des innerparteilichen Arbeitskreises „Ausland“ prorussische Positionen. Er organisierte ein „Friedenskonzert“ im Bundestag, als die AfD-Bundestagsfraktion Anfang Februar eine sogenannte „Friedensinitiative“ in den Bundestag einbrachte, die von der überwiegenden Mehrheit der Parlamentsabgeordneten abgelehnt wurde, da sie den Interessen Russlands entsprach. Moosdorf macht den Westen und vor allem die USA für den Krieg verantwortlich. Im Mai 2023 besuchte er das für Putin prestigeträchtige Wirtschaftsforum in St. Petersburg, der Heimatstadt des russischen Präsidenten. Den Besuch dieser Unterstützer aus dem Westen nutzt die russische Regierung, um der eigenen Bevölkerung zu zeigen, dass Russland nicht isoliert sei. In den russischen Medien etwa wurde über den Auftritt des AfD-Abgeordneten berichtet. Moosdorf macht sich auch den Anspruch Russlands über die Staaten Mittel- und Osteuropa zu eigen, den Schutz der Nato für die baltischen Staaten infrage zu stellen:

„Es wird [keinen Frieden] geben, ohne die Fehler zu korrigieren, die mit der Erweiterung der NATO unter Ausschluss Russlands gemacht wurden.“
Bundestag, 9. Februar 2023


Ein Abgeordneter, „der uns gehört“:
Markus Frohnmaier

Der ehemalige Vorsitzende der Jungen Alternative, Markus Frohnmaier, begleitete 2016 den ehemaligen Europaabgeordneten Marcus Pretzell auf die Krim. Er knüpfte früh Kontakt zu dem Rechtsextremen Manuel Ochsenreiter, der sich oft auf den russischen nationalistischen Philosophen Alexander Dugin bezog und machte ihn nach dem Einzug in den Bundestag zu seinem Mitarbeiter. Erst als die Staatsanwaltschaft gegen Ochsenreiter wegen eines terroristischen Anschlags in der Ukraine ermittelte, entließ Frohnmaier ihn widerwillig. In einer E-Mail eines Mitarbeiters der russischen Duma an die Präsidialverwaltung im Kreml, die Frontal in einem Beitrag zitiert, heißt es:

Im Bundestag wird es einen Abgeordneten geben, der zu uns gehört und den wir absolut unter Kontrolle haben.Frohnmaier wies gegenüber Frontal und Spiegel eine Abhängigkeit von Russland zurück. In einer Bundestagsdebatte im September 2023 greift Frohnmaier die Bundesregierung wegen der Hilfe für die Ukraine an:

„Und da muss ich schon mal fragen, Herr Habeck, sind Sie eigentlich der deutsche Wirtschaftsminister oder der Wirtschaftsminister der Ukraine? Vertreten Sie eigentlich deutsche Interessen oder vertreten Sie die Interessen des Auslands? Die Bürger in Deutschland kennen die Antwort. Diese Regierung, diese Bandera Baerbock, diese Wolodymyr Habecks, diese Sachwalter des Auslands, denen ist Deutschland doch völlig egal.“

Die prorussischen Motive der AfD
in Reden und in sozialen Netzwerken

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Auch in Reden, Äußerungen in den sozialen Netzwerken, sowie in Interviews und Programmen finden sich Aussagen und Thesen, an denen die Annäherung nach Russland und die Loslösung aus der Westbindung abzulesen sind. Dabei werden immer wieder bestimmte Thesen verbreitet:

Die USA seien verantwortlich

„Aus diesem Krieg geht die Ukraine genauso als Verlierer hervor wie Russland. Es gibt nur einen Gewinner, und dieser Gewinner heißt USA“.
Tino Chrupalla im Bundestag am 2. März 2023

Der Krieg sei zwar schrecklich, ginge Deutschlands aber nichts an

„Was es letztendlich für die Ukraine bedeutet und für Russland und für die Gebietseinteilung, das ist überhaupt gar nicht unser Thema“, sagte Weidel. „Wir müssen auf unser Land schauen.“
Alice Weidel im Deutschlandfunk am 6. April 2022

Es solle Frieden hergestellt werden, allerdings auf Kosten der Ukraine

„Gegen wirtschaftliche Russlandsanktionen und für die Wiederaufnahme kostengünstiger und umweltfreundlicher Gaslieferungen. Wir lehnen Waffenlieferungen ab.“
Zitat aus dem Flyer der Bayern-AfD zum Landtagswahlkampf

An der Nordstream-Pipeline solle festgehalten werden

„Nordstream bleibt wichtiger Bestandteil deutscher Energiesicherheit.“
Tino Chrupalla am 4. Oktober 2022

Konzept der „multipolaren Weltordnung“ als Kampfbegriff gegen die Westbidnung

Der Ausdruck der „multipolaren Welt“ ist für russische Nationalisten ein Kampfbegriff, der auch von der AfD übernommen wird.

„Nun spricht zwar auch unsere Bundesregierung ab und an von multipolare Weltordnung, aber unsere Bundesregierung meinte den Begriff so, dass sie damit eben nur beschreibt, das jetzt sich in der Welt mehrere Machtzentren irgendwie herausbilden. So wurde er auf der Moskauer Sicherheitskonferenz nicht verwendet. Dort wurde er normativ verwendet. Er hat das Ziel bezeichnet. Alle dort waren sich einig. Wir wollen die multipolare Weltordnung. Und in diesem Sinn ist die multipolare Weltordnung der Gegenbegriff zur unipolaren Weltordnung, zur Weltherrschaft der USA.
Hans-Thomas Tillschneider im Video in Moskau im August 2023

Der Einfluss der USA soll weltweit und auch in Europa zurückgedrängt werden. Die Welt ist diesem Konzept zufolge in Einflusszonen aufgeteilt, in denen die jeweiligen Großmächte über ihre Nachbarstaaten verfügen dürfen. Demnach hätte Russland freie Hand in der Ukraine und sogar über die baltischen Staaten, sowie China in Taiwan. Vor allem der Ultranationalist Dugin nutzt diesen Ausdruck, der auch von AfD-Funktionären wie dem Spitzenkandidaten für die Europawahl, Maximilian Krah, übernommen wird. In seinem Buch „Politik von Rechts – Ein Manifest“ von 2023 schreibt er:

„Rechte Außenpolitik sucht Stabilität aufgrund gewachsener und natürlicher Bindung. Europa ist historisch, kulturell und ökonomisch auch eine solche Region, will es aber militärisch und politisch nicht sein, weil sich seine Eliten dem Globalismus verschrieben haben und als Vasall der USA agieren. In einer multipolaren Welt organisieren sich diese Regionen selber.“

Der Europaabgeordnete Krah setzt auf die „multipolare Welt“. Was das bedeuten würde, führt er in seinem Buch aus:

„Deshalb ist es richtig, wenn die konkreten Ausformung der Menschenrechte nicht global einheitlich, sondern je nach Kulturkreis verschieden verfolgt“.

Diese harmlos klingende Formulierung birgt Sprengstoff. Krah gibt hier die unveräußerlichen und universellen Menschenrechte auf, die die Rechte eines jeden Menschen garantieren sollen. Danach könnte nun ein Staat oder ein „Kulturkreis“ darüber befinden, ob er seine Bürger verfolgt oder foltert. Die Weltgemeinschaft bekannte sich zu den universellen Menschenrechten als Antwort auf die Verbrechen durch Deutschland unter den Nazis. Die „multipolare Weltordnung“, wie Krah sie versteht, ist damit ein Angriff auf die Geltung der Menschenrechte. Krah setzt auf den Erfolg des russischen Angriffskrieges, um die „politische Macht des Westens “zu brechen:

„Die ökonomische, kulturelle und politische Macht des Westens erodiert..... Falls Russland mit seinem Vorhaben nicht komplett scheitert, wird es schnell eine andere Weltordnung und ein anderes Völkerrecht geben. Ohnehin aktive Veränderungsprozesse werden sichtbar und beschleunigt. Die politische Rechte kann dabei gewinnen“.

Das Manifest von Krah bereitet einem Parteifreund, dem AfD-Bundestagsabgeordneten Norbert Kleinwächter, als einem der wenigen in der AfD offenbar Sorge. Er schreibt in Reaktion auf das Buch von Krah:

„Sein Manifest ist ausdrücklich anti-konservativ, anti-liberal. anti-freiheitlich, anti-bürgerlich, anit-christilich, anti-individuell, anti-rechtsstaatlich, anti-völkerechtlich, anti-ethisch und anti-souveränistisch, vor allem aber anti-anglosächsisch und anti-westlich…ich jedenfalls will den Praxistest seiner Ansichten in Deutschland niemals erleben müssen“.

„Eurasien“ ist der zweite Kampfbegriff für die russische Vorherrschaft

Auch der Begriff „Eurasien“ ist nicht allein eine geographische Beschreibung der Landmasse von Europa und Asien, sondern in diesem politischen Kontext ein weiterer Kampfbegriff, der ein von Russland dominiertes Europa zum Ziel hat. Der ehemalige russische Präsident Dmitri Medwedew forderte 2008 einen Wirtschaftsraum von Lissabon bis Wladiwostok und wiederholte dies nach dem russischen Überfall auf die Ukraine. Einer der Köpfe dieser Eurasien-Ideologie ist wieder der Ultranationalist Dugin. Im Oktober 2022 schrieb der AfD-Politiker Hans-Thomas Tillschneider auf Facebook:

„Transatlantiker gegen Eurasier! Wir müssen umdenken.“

Der lange Weg nach Osten
wird in den Programmen der AfD sichtbar

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Die Hinwendung der AfD nach Russland manifestiert sich nun im aktuellen Programm der AfD. Das Bekenntnis zur Nato und zu den USA, das die Partei 2014 noch deutlich hervorgehoben hatte, verblasst; die Beziehungen nach Russland nehmen dagegen immer größeren Raum ein. In den vergangenen Jahren ist dieser Trend in den jeweiligen Programmen abzulesen. Mittlerweile will die AfD die EU verlassen oder auflösen und sucht mittlerweile eine Beziehung zu der von Russland dominierten Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft oder fordert, dass Deutschland einen Beobachterstatus in der von China und Russland beherrschten „Shanghai Organisation für Zusammenarbeit“ erhält. Auch die „multipolare Welt“ – der Kampfbegriff der russischen Nationalisten – findet Eingang in das AfD-Programm.

Aus dem Europaprogramm 2014
„Die Nato ist und bleibt die Klammer einer transatlantischen Sicherheitsarchitektur, deren entscheidender Anker das Bündnis mit den USA ist.“

Aus der Kurzfassung des Grundsatzprogramms 2016
„Die AfD setzt sich für den Abzug aller noch auf deutschem Boden stationierten alliierten Truppen und insbesondere deren Atomwaffen ein. (…) Der „Kalte Krieg“ ist vorbei. Die USA bleiben unser Partner. Russland soll es werden. Die AfD setzt sich deshalb für ein Ende der Sanktionen und eine Verbesserung der Beziehungen zu Russland ein.“

Aus dem Programm zur Bundestagswahl 2017
„Die zunehmende Fokussierung der USA auf den pazifischen und ostasiatischen Raum erfordert eine autonome deutsche Sicherheitsstrategie. (…) Eine Entspannung im Verhältnis zu Russland ist für die AfD Voraussetzung für einen dauerhaften Frieden in Europa. Es liegt im deutschen Interesse, Russland in eine sicherheitspolitische Gesamtstruktur einzubinden, ohne eigene Interessen und die unserer Bündnispartner außer Acht zu lassen. Die AfD tritt für die Beendigung der Sanktionspolitik ein. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Russland sollte vielmehr vertieft werden.“

Aus dem Programm zur Europawahl 2019
„DEXIT – Der Austritt als letzte Option
Sollten sich unsere grundlegenden Reformansätze im bestehenden System der EU nicht in angemessener Zeit verwirklichen lassen, halten wir einen Austritt Deutschlands oder eine geordnete Auflösung der Europäischen Union und die Gründung einer neuen europäischen Wirtschafts- und Interessengemeinschaft für notwendig und werden die Entscheidung über den DEXIT bei den Bürgern einholen, so wie es nach unserem Modell der direkten Demokratie selbstverständlich ist. (...) Eine stabile Friedensordnung in Europa bedarf einer ausgewogenen Zusammenarbeit sowohl mit den USA als auch mit Russland. (...) die historischen und wirtschaftlichen Verbindungen mit Russland gebieten einen gegenseitigen Interessenausgleich, der dem Wohle aller europäischen Völker dient. Nur unter Einbeziehung Russlands ist eine stabile Friedensordnung in Europa denkbar. Die gegen Russland verhängten Sanktionen sehen wir als nicht zielführend an. Die AfD setzt sich für deren Abschaffung und eine Normalisierung der Beziehungen mit Russland ein. Wir befürworten eine verstärkte Zusammenarbeit mit der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft und unterstützen die Erweiterung der bestehenden Gas-Pipeline in der Ostsee (Nord Stream 2) zwischen Russland und Deutschland.“

Aus dem Programm zur Bundestagswahl 2021
„Eine Entspannung im Verhältnis zu Russland ist Voraussetzung für einen dauerhaften Frieden in Europa. Es liegt im deutschen und europäischen Interesse, Russland in eine sicherheitspolitische Gesamtstruktur einzubinden. (...) Die AfD tritt für die Aufhebung der EU-Sanktionen und den Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen zu Russland ein. Die Fertigstellung und Inbetriebnahme der Gasleitung Nord Stream 2 halten wir für unverzichtbar.“

Aus dem AfD-Beschluss zur Europawahl 2024
„Jegliche Dominanz außereuropäischer Großmächte in der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik lehnen wir ab. Die Staaten Europas werden so in Konflikte hineingezogen, die nicht die ihren sind und ihre natürlichen Interessen – fruchtbare Handelsbeziehungen im europäisch-asiatischen Raum – diametral entgegenstehen.“

„Einheit und Stärke nach außen – nationale Vielfalt nach innen“ lautet daher die Formel, mit der die AfD den europäischen Pol in der multipolaren Weltordnung aufstellen will“.

„Deutschland soll einen Beobachtungsstatus in der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit anstreben“.

Die Nato-Unterstützer der AfD

Der pro-russische Kurs blieb nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine anfangs in der AfD nicht unwidersprochen. Ähnlich wie in anderen rechten Parteien Europas meldeten sich einige Mitglieder, Funktionäre und Mandatsträger, die sich auf die Seite der Ukraine stellten. Aus NRW besuchte eine Delegation von Landtagsabgeordneten zusammen mit dem Bundestagsabgeordneten Kay Gottschalk und dem Europaabgeordneten Guido Reil die Ukraine und erklärte ihre Solidarität. Einige AfD-Abgeordnete, darunter ehemalige Bundeswehroffiziere, unterstützen Waffenlieferungen an die Ukraine. Die Auftritte der AfD-Bundestagsabgeordneten Steffen Kortré und Eugen Schmidt in der russischen Propagandasendung von Wladimir Solowjow sorgten auch in der AfD für Empörung. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Rüdiger Lucassen nannte diesen Auftritt „Volksverrat“. In Chat-Gruppen kritisierten einige AfD-Abgeordnete zudem den Besuch von Tino Chrupalla und Alexander Gauland am 9. Mai in der russischen Botschaft, wie Frontal zeigte. Allerdings stellen diese Stimmen nur eine Minderheit in der Partei dar.

Die prorussische AfD-Bundestagsfraktion

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In der Bundestagsfraktion überwiegen die Russland-Freunde. Zwei Bundestagsabgeordnete, Steffen Kortré und Eugen Schmidt, traten bei dem russischen Kriegspropagandisten Wladimir Solojew in dessen Sendung auf. Solojew droht regelmäßig Deutschland mit Militärschlägen und Auslöschung. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Schmidt hatte, wie CORRECTIV zeigte, 2009 neben der deutschen Staatsbürgerschaft noch den russischen Pass. Der Bundestagsabgeordnte Petr Bystron reiste heimlich zu Putins wichtigsten Verbündeten nach Belarus und Matthias Moosdorf besuchte im Mai 2023 eine Wirtschaftskonferenz in St. Petersburg. Die Abstimmung im Bundestag über die „Umfassende Unterstützung für die Ukraine“ am 28. April 2022 zeigt die Haltung der AfD-Abgeordneten zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Von 80 Abgeordneten stimmten 66 gegen Waffenlieferungen an die Ukraine.

Prorussische Anträge und Anfragen

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Auch schon vor dem russischen Überfall auf die Ukraine stellte die AfD gezielt Anfragen im Bundestag, die russische Narrative bedienten. Der Arbeitskreis „Ausland“ der Bundestagsfraktion erstellt zudem Thesenpapiere, die etwa die USA als „raumfremde Macht“ bezeichnen und den Interessen Russlands entsprechen, wie Recherchen von CORRECTIV und Frontal gezeigt haben.

Anfrage zur Vergiftung des Opppositionspolitikers Alexej Nawalny. AfD sät Zweifel an der Verantwortung des Kremls.
Am 20. August 2020 wurde der Oppositionspolitiker Alexander Nawalny auf einem Flug vergiftet; das Flugzeug musste in Omsk zwischenlanden. Zwei Tage später wurde Nawalny nach Deutschland ausgeflogen und in der Berliner Charité behandelt. Ein Institut der Bundeswehr stellte fest, dass Nawalny mit dem Nervengift Nowitschok vergiftet worden sei. Die USA, die EU und Deutschland sehen russische Behörden für den Anschlag verantwortlich. In einer kleinen Anfrage versuchte die AfD-Bundestagsfraktion mit Fragen Zweifel an der russischen Täterschaft zu säen.
Aus der kleinen Anfrage:
„Dabei gibt es Beispiele dafür, dass sich Nowitschok sowohl im Besitz weiterer staatlicher Akteure befindet als auch von privaten sogar bereits eingesetzt wurde. So befanden sich Nervengifte der sogenannten Nowitschok-Gruppe bereits Mitte der 1990er-Jahre nachweislich in den Händen krimineller Gruppen.“
Anfrage zu Sanktionen gegen Russland. Die AfD betont die Schäden der Sanktionen für einzelne Wirtschaftszweige und Bundesländer, ohne den Grund der Sanktionen anzuerkennen.
Zwei Monate nach dem russischen Überfall stellte die AfD-Fraktion eine Anfrage zu den Folgen der Sanktionen gegen Russland. Es geht darum, vor allem die Belastungen der deutschen Unternehmen und Regionen zu zeigen. Die AfD will trotz des von Russland begonnenen Krieges in Europa mit Russland weiter Geschäfte machen.
Aus der kleinen Anfrage:
„Wenn die neuen Sanktionen einzelne Branchen und Bundesländer wieder besonders betreffen sollten, wie das mit den bisherigen Sanktionen schon der Fall war, dann fürchten die Fragesteller zudem eine ungleiche Belastung insbesondere von Unternehmen aus dem verarbeitenden Gewerbe und von ostdeutschen Unternehmen.“
Anfrage zur Sprengung der Nordstream-Pipeline. Die AfD lenkt den Verdacht auf die USA
Am 26. September 2022 wurde die Nord-Stream Pipeline gesprengt. Seither ermittelt die Bundesstaatsanwaltschaft. Es gibt Hinweise, die nach Russland und in die Ukraine deuten. Der Bau von Nordstream wird von der Union, der SPD und der FDP mittlerweile als Fehler anerkannt. Die AfD versucht mit dem Antrag nun den Verdacht auf die USA zu lenken.
Aus der kleinen Anfrage:
„Der Sprengung waren Sanktionen der Vereinigten Staaten gegen den Bau und Betrieb der Pipeline in Form des am 2. August 2017 von Donald Trump unterzeichneten Sanktionsgesetzes CAATSA vorausgegangen. Am 15. Juni 2017 teilten der österreichische Bundeskanzler Christian Kern und der damalige deutsche Bundesaußenminister Sigmar Gabriel mit, dass sie die darin erlassenen Sanktionen missbilligen und für völkerrechtswidrig halten. Am 27. Januar 2022 gab Ned Price, ein Vertreter des US-amerikanischen Außenministeriums, bekannt, man würde mit dem deutschen Verbündeten zusammenarbeiten, um das Vorankommen des Projekts Nord Stream 2 zu verhindern.“
Der prorussische Friedensplan: Unter dem Begriff „Frieden“ tritt die AfD für ein Einfrieren des Konflikts ein, der langfristig Russland zum Sieger machen würde.
Am 9. Februar 2023 brachte die AfD in den Bundestag einen sogenannten Friedensplan ein, der vorsieht, den Konflikt einzufrieren. Die OSZE, die keine operativen Machtmittel besitzt, um eine Kontrolle der russischen Armee zu gewährleisten, und die UN, bei der Russland über den UN-Sicherheitsrat eine Vetomacht haben, sollten diesen Waffenstillstand kontrollieren. Das würde vor allem Russland nutzen: Je länger dieser von der AfD vorgeschlagene Waffenstillstand dauern würde, desto mehr würden die Waffenlieferung an die Ukraine reduziert und die Sanktionen gegen Russland aufgehoben. In der Präambel wird Russland nicht als Aggressor genannt, sondern die Europäische Union für den Konflikt verantwortlich gemacht.
Zitat:
„In den vergangenen Jahren wurde deutlich, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten zu schwach waren, den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg in ihrer östlichen Nachbarschaft zu verhindern. Vielmehr hat die finanzielle und ideologische Unterstützung oppositioneller Gruppen vor allem durch das EU-Programm der Östlichen Partnerschaft zu wachsender Instabilität und Spaltung in einigen dieser Staaten geführt.“

Mitarbeiter in der Bundestagsfraktion
arbeiten an Ideologie

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Im Bundestag stützen sich die Abgeordneten auch auf die Expertise und Vorarbeiten ihrer Mitarbeiter, das ist bei der AfD-Bundestagsfraktion nicht anders. Bei der AfD fällt auf, dass einige Mitarbeiter eng mit Russland verbunden sind oder waren. Recherchen mehrerer Medien zeigen umstrittene Sympathiebekundungen von Mitarbeitern der AfD-Fraktion.

Manuel Ochensreiter

Der rechtsextreme Mitarbeiter des Bundestagsabgeordneten Markus Frohnmaier war einer der Strippenzieher für AfD-Verbindungen nach Russland. Ochsenreiter gründete das „Deutsche Zentrum für eurasische Forschung“ und war mit Frohnmaier seit 2016 eng verbunden. Er soll Reisen von AfD-Politikern nach Russland und die von Russland unterstützen Separatistengebiete organisiert haben, wie der Politikwissenschaftler Anton Shekhovtsov für die Tagesschau schrieb. Nach dem Einzug der AfD in den Bundestag stellte Frohnmaier Ochsenreiter als Mitarbeiter ein. Der ehemalige Chef der Jungen Alternative musste Ochsenreiter jedoch entlassen, als die Staatsanwaltschaft gegen den rechtsextremen Russlandfreund ermittelte. Ochsenreiter solle einen Terroranschlag in der Ukraine gegen ein Zentrum der ungarischen Minderheit beauftragt haben, so der Vorwurf. Ochsenreiter floh nach Moskau, wo er im August 2021 an einem Herzinfarkt starb. Er verehrte den nationalistisch-russischen Philosophen Alexander Dugin. Ochsenreiter war auch für den russischen Oligarchen Konstantin Malofejew tätig.

Alexander Dugin schrieb zum Tod von Ochsenreiter am 19 August 2021 auf Facebook:

„Er war ein überzeugter deutscher Patriot. Tapfer und mutig. Er hat sein Leben für die Multipolare Welt geopfert. Er war ein Gegner der offenen Gesellschaft und der Atlantiker. Er hat das größte Europa gewählt, das Eurasien, das Plurisversum.“

Dimitrios Kisoudis

Der 42-jährige Kisoudis war früh für die AfD tätig. Er arbeitete anfangs für den Europaabgeordneten Marcus Pretzell, wechselte nach dem Einzug der AfD in den Bundestag und ist seit Februar für den Fraktions- und Parteivorsitzenden Tino Chrupalla tätig. Der Historiker und Journalist ist ein Anhänger der eurasischen Idee, die eng mit Alexander Dugins Ideologie verbunden ist. Schon 2015 veröffentlichte er das Buch Goldgrund Eurasien: Der neue kalte Krieg und das dritte Rom. Zentrale These des Buches: Der Westen und die USA gehen zugrunde; dagegen etabliert sich unter dem russischen Präsidenten Wladimir Putin Russland zu einem dritten Rom. Deutschland solle sich an diesem orientieren. Die FAZ schrieb über das Buch:

„Als Souffleure auf dieser gedanklichen Bühne kann man von weit hinten Carl Schmitt bisweilen laut und deutlich hören, aber auch, vorn am Bühnenrand, den russischen Radikalphilosophen und Putin-Einflüsterer Alexander Dugin. Er gilt als Chefideologe einer neuen eurasischen Bewegung, welche die natürliche, eben geographische Zusammengehörigkeit von Europa und Asien einschließlich der südlichen Ränder im nahen, mittleren und fernen Osten betont und diese Kräfte zu einem Gegengewicht gegen die amerikanische Hegemonie bündeln will.”

Wladimir Sergijenko

Wladimir Sergijenko hat einen Hausausweis für den Bundestag von dem AfD- Bundestagsabgeordneten Eugen Schmidt. Schmidt besaß, wie CORRECTIV zeigte, noch 2009 neben der deutschen auch die russische Staatsbürgerschaft. Über Sergijenko hat der Spiegel eine ausführliche Recherche veröffentlicht. Zusammen mit dem ehemaligen AfD-Bundestagsabgeordneten Ulrich Oehme und Schmidt gründete er prorussische Vereine und ist als Berater einer auf Russland spezialisierten Rohstofffirma tätig. Er reiste nach dem russischen Überfall auf die Ukraine regelmäßig nach Russland und tritt dort in russischen Propaganda-Shows auf. Bei einem Grenzübertritt fand der Zoll bei ihm hohe Summen Bargeld. Sergijenko soll laut der Recherche des Spiegel in Moskau angeboten haben, dafür zu sorgen, dass die AfD-Bundestagsfraktion gegen die Waffenlieferungen klagt, um diese zu verzögern.

Russland in den aktuellen Wahlkämpfen der AfD

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Bayern: AfD sieht den Freistaat in Eurasien

Der bayerische Landesverband hat sich im Programm und in der Resolution ein anti-westliches Programm gegeben und stellt sich auf die Seite Russlands. Der Verband hat den Begriff „Eurasien“ übernommen. Die Landesliste führen mit Katrin Ebner-Steiner und Martin Böhm zwei Anhänger von Björn Höcke als Spitzenkandidaten an.

Hessen: Der Aufstieg des ultrarechten und Russlandfreundes Andreas Lichert

Der Höcke-Anhänger Andreas Lichert konnte sich auf der AfD-Landesliste Platz zwei sichern. Lichert kritisierte im hessischen Landtag die Waffenlieferung an die Ukraine und die „einseitige Parteinahme“ Europa sowie eine „peinliche transatlantische Anbiederung“, wie die FAZ schrieb. Lichert sieht Deutschland in einem „Wirtschaftskrieg gegen Russland“.

Europawahl: Der Spitzenkandidat Krah setzt auf Russland

Maximilian Krah kommt aus Sachsen und sitzt im Europaparlament sowie im AfD-Bundesvorstand. Er wurde auf dem Parteitag in Magdeburg zum Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl gewählt. Der Programmentwurf für die Europawahl ist anti-westlich geprägt. Die AfD will die Europäische Union überwinden und Deutschland in die „Shanghai Organisation für Zusammenarbeit“ führen, einen von Russland und China beherrschten Club von Diktaturen.

Der Spitzenkandidat Krah will Europa und Deutschland zusammen mit China und Russland in eine „multipolare“ Welt führen. In seinem Buch „Politik von rechts. Ein Manifest“ formuliert Krah das „anti-freiheitliche“ und „anti-westliche" Programm. Er hofft sogar auf einen Sieg Russlands, damit die alte Ordnung der Westbindung beendet wird. Selbst in der Partei gibt es Kritik an seinen Ansichten: „Ich jedenfalls will den Praxistest seiner Ansichten in Deutschland niemals erleben“, schreibt der Parteifreund und AfD-Bundestagsabgeordnete Norbert Kleinwächter.

Eine Moskaureise mit einer klaren Ansage

Als der Landtagsabgeordnete aus Sachsen-Anhalt, Hans-Thomas Tillschneider, im August 2023 in Moskau war, berichtet er in einem Video von einer Sicherheitskonferenz, die er dort besucht habe. In diesem Zitat bündelt sich die Russland-Nähe der AfD. Tillschneider sagt, dass der Begriff „multipolare Weltordnung“ auf der Konferenz nicht „deskriptiv“ verwendet worden sei, wie es die Bundesregierung tue, sondern „normativ“. Das Ziel sei es, die Vormachtstellung der USA zu brechen. Und er äußert seine Begeisterung darüber, dass der Begriff jetzt auch im Europa-Wahlprogramm seiner Partei stehe:

„​Russland und China sind zusammen mit den vielen Verbündeten in der Welt nicht mehr willens, den Anspruch der USA auf alleinige Weltherrschaft hinzunehmen…. Wir wollen die multipolare Weltordnung. Und in diesem Sinn ist die multipolare Weltordnung der Gegenbegriff zur unipolaren Weltordnung, zur Weltherrschaft der USA. …Und deshalb bin ich auch sehr froh darüber, dass im Europawahlprogramm der AfD der Begriff der multipolaren Weltordnung gelandet ist und auch dort an prominenter Stelle als Kernbegriff steht.“

Über den Autor

Wenn ein Journalist von einem despotischen Regime aus dem Land geworfen wird, hat er wahrscheinlich seinen Job gut gemacht. So wie Marcus Bensmann. 20 Jahre lang berichtete er für deutsche, schweizer und japanische Medien aus Zentralasien, dem Kaukausus, Afghanistan, Iran und Irak. Seine Themen in Zentralasien und dem Kaukasus waren Machtmissbrauch und Korruption, sowie die Zusammenarbeit der Bundesregierung und der EU mit den Despoten. In Usbekistan, Tadschikistan und Turkmenistan darf er nicht mehr arbeiten. Dafür deckt Bensmann seit 2014 von CORRECTIV aus finstere Machenschaften auf. Er hat unter anderem zum Abschuss des Flugs MH-17, AfD-Finanzierung und gepanschte Krebsmittel aus der Alten Apotheke recherchiert. Ob in Zentralasien oder Bottrop: Bensmann geht vor Ort. Er nimmt sich Zeit, redet mit den Menschen, hört zu, findet Quellen und Zeugen und öffnet einen anderen Blick.

 

Text und Recherche: Marcus Bensmann Redaktion: Justus von Daniels Collage: Ivo Mayr Design: Nina Bender Faktencheck: Gabriela Keller Kommunikation: Valentin Zick Mitarbeit: Maike Dorn

Vorlagen Collage: picture alliance | Bundesarchiv, B 145 Bild-F088809-0038 / Creator: Joachim F. Thurn (Link, CC BY-SA 3.0 DE)
Bildnachweise: Achim Melde | DBT (Petr Bystron), Annette Riedl | picture alliance/dpa (Matthias Moosdorf), Bernd Weißbrod | picture alliance/dpa (Markus Frohnmaier), Carsten Koall | picture alliance/dpa (Beatrix von Storch), Inga Haar | DBT (Stefan Keuter, Steffen Kotré), Martin Schutt | picture alliance/dpa (Björn Höcke), Sebastian Kahnert | picture alliance/dpa | dpa-Zentralbild (Hans-Thomas Tillschneider), Sebastian Willnow | picture alliance/dpa (Tino Chrupalla), Sven Simon | picture alliance (Maximilian Krah)

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