Neue Rechte

„Arbeitskreis Außenpolitik“ der AfD macht Stimmung für Putins Politik

In einem Arbeitskreis der AfD-Bundestagsfraktion entstehen russlandfreundliche Positionspapiere, die selbst innerhalb der AfD umstritten sind. Kreml-nahe Medien greifen die Thesen des Arbeitskreises auf. Eine gemeinsame Recherche mit dem ZDF Frontal.

von Marcus Bensmann , David Gebhard , Ulrich Stoll

Deutsch-russische Freundschaft
Der Russlandkurs der AfD stößt parteiintern auf Kritik. Besonders der Ak Außen der AfD-Bundestagsfraktion produziert prorussische Anträge. Foto: Patrick Pleul/picture alliance/dpa

Der prorussische Kurs der AfD-Führung stößt innerhalb der Partei und Fraktion auf wachsenden Widerstand. Den Besuch des AfD-Fraktionsvorsitzenden Tino Chrupalla in der russischen Botschaft am 9. Mai etwa kommentierten AfD-Bundestagsabgeordnete in internen Chatgruppen mit ätzender Kritik. Auch die Verabschiedung eines prorussischen Antrages auf dem Landesparteitag der AfD in Bayern am Wochenende sorgt parteiintern für Unruhe.

Vor allem der Arbeitskreis Außenpolitik der AfD-Bundestagsfraktion fällt mit russlandfreundlichen Anträgen auf. Das Fraktionsgremium soll die außenpolitischen Positionen der AfD im Bundestag vorbereiten, produziert aber verstärkt geopolitische Thesen und Anträge, die die Sichtweise des Kremls wiedergeben. Der Arbeitskreis besteht hauptsächlich aus russlandfreundlichen Abgeordneten. 

Die AfD und ihr Verhältnis zu Russland – seit Monaten ist das ein schwelender Konflikt innerhalb der Partei. Denn nicht alle Mitglieder der AfD, die sich gerne als „patriotisch“ bezeichnet, heißen den Kuschelkurs mit dem Kreml gut.

„Diese Legislaturperiode findet fast keine Fraktionssitzung statt, in der man die Dinge nicht wieder einfangen müsste, die der AK Außen produziert hat und das ist dann irgendwann nicht mehr erklärbar“, sagt ein Bundestagsabgeordneter der AfD  gegenüber CORRECTIV und ZDF Frontal.

Die Fraktionsführung der AfD hat auf Anfrage von CORRECTIV und ZDF Frontal nicht reagiert.

Arbeitskreis Ausland wollte Anerkennung der Krim-Annexion

Prominentes Beispiel: Der prorussische „Friedensplan“, den die AfD im Februar in den Bundestag einbrachte. Ursprünglich hatte der Arbeitskreis Außen in den „Friedensplan“ die völkerrechtliche Anerkennung der Krim-Annexion hineinschreiben wollen, wie CORRECTIV damals berichtete. Das führte zu einem lautstarken Streit, in dem die Vertreter der russlandfreundlichen Linie als „Moskowiter“ bezeichnet wurden. 

Der „Friedensplan“, den die AfD-Bundestagsfraktion später mit einem Konzert im Bundestag feierte, wurde zwar abgeschwächt. Aber russische Medien nahmen ihn wohlwollend auf. Die russische Nachrichtenagentur Tass berichtete darüber, zitierte AfD-Fraktionschef Chrupalla und wies auch auf das Friedenskonzert hin.

Dahinter könnte ein Konzept stehen. „Dass die populistischen Anträge des AK Außen immer gezielt schon in den entsprechenden Nationen oder Ländern auftauchen, die als Zielgruppe herhalten, das lässt darauf schließen, dass irgendwelche Leute diese Papiere sofort an die richtigen Stellen hinschicken“, sagt der AfD-Abgeordnete gegenüber CORRECTIV und ZDF Frontal, der ungenannt bleiben möchte. 

AfD-Mann Bystron formuliert Kosovo-Antrag im Sinne Russlands

Die ungewöhnliche Medienkarriere eines Antrags zum Kosovo bestätigt den Verdacht. CORRECTIV und ZDF Frontal liegen dazu interne Unterlagen der AfD-Bundestagsfraktion vor.

Im Januar veröffentlichte der Vorsitzende des Arbeitskreises Außen, Petr Bystron, auf der Webseite der AfD-Bundesfraktion eine Pressemeldung: „Die AfD Fraktion fordert die Bundesregierung auf, (…) die Anerkennung des Kosovo zu annullieren“.

Russland sieht sich seit dem Zerfall Jugoslawiens als Schutzmacht Serbiens und hat die Unabhängigkeit des Kosovos immer diplomatisch bekämpft. Den Kosovokrieg nutzen russische Propagandisten und auch der russische Präsident Wladimir Putin als Rechtfertigungen für den Krieg gegen die Ukraine.

Als die Pressemeldung zum Kosovo erschien, gab es die Beschlusslage der AfD-Fraktion zur Annullierung der Anerkennung des Kosovo jedoch gar nicht. 

Bystron und der AK Außen schlugen den Antrag lediglich wiederholt bisher erfolglos der AfD-Fraktion vor. In der Fraktionssitzung Ende April verweigerten die Abgeordneten in einer geheimen Abstimmung aber ihre Zustimmung. So steht es im Protokoll der Fraktionssitzung, das CORRECTIV und ZDF Frontal vorliegt. 

Petr Bystron fiel mehrfach schon durch eine große Russlandnähe auf. Im Februar hatte CORRECTIV etwa über eine heimliche Reise des AfD-Abgeordneten nach Belarus berichtet. 

Rüdiger Lucassen, verteidigungspolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, kritisiert den abgelehnten Antrag scharf: „Würde eine solche Politik tatsächlich umgesetzt werden, hätte das einen Flächenbrand auf dem Balkan zur Folge, der ganz Europa destabilisieren würde“, so Lucassen. „Auch der Zeitpunkt für einen so unklugen Vorschlag erschließt sich mir nicht. Insofern stellt sich schon die Frage, in welchem Interesse solche Ideen formuliert werden. Im Interesse der AfD ist es in jedem Fall nicht“, so Lucassen gegenüber CORRECTIV und ZDF Frontal

Trotz der Ablehnung des Antrags durch die Bundestagsfraktion  steht die Presseerklärung zur „Annulierung der Anerkennung des Kosovos“ noch immer auf der Seite der AfD-Bundestagsfraktion.

Kosovoantrag war in Serbien „kein Geheimnis“

Der Kosovoantrag von Bystron und dem Arbeitskreis Außen entwickelte ein bemerkenswertes Eigenleben in serbischen und russischen Medien:

Am 04. März wurde der Antragsentwurf auf der serbischen Nachrichtenwebseite Novi Standart veröffentlicht, obwohl es bis dahin noch gar keine Abstimmung darüber gab.

Die Formulierungen des AfD-Antrages waren ganz im Sinne der serbischen Nationalisten und entsprachen auch Russlands Position zum Kosovo.

„Der Scheinstaat Kosovo ist gescheitert – nach einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der Nato gegen die Bundesrepublik Jugoslawien (1999) abgespalten und von vielen westlichen Staaten trotz der einseitigen Unabhängigkeitserklärung 2008 (…) anerkannt(…)“.  

Kurz danach kam auf der Webseite Serbien-Info  der serbische Politologe Dusan Dostanic zu Wort, der offenbar bestens über die Pläne der AfD-Bundestagsfraktion informiert ist. „Dostanic sagt, dass die Diskussion über den Vorschlag zum Widerruf der Anerkennung des Kosovo in etwa zwei Wochen auf der Tagesordnung des Bundestages stehen werde“.

Dostanic ist in der rechten Szene in Deutschland kein Unbekannter. Im Netz findet sich ein Video, das ihn bei einem Vortrag am „Institut für Staatspolitik“ des rechten Verlegers Götz Kubitschek zeigt. In diesem Jahr hat der Bundesverfassungsschutz dieses Institut als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft. Der Kosovoantrag sei in den serbischen Medien „kein Geheimnis“ gewesen, schreibt Dostanic CORRECTIV und ZDF Frontal.

Im Novi Standart erschien zudem ein Interview mit einem Mitarbeiter eines AfD-Abgeordneten, der über das Zustandekommen des Antrags Auskunft gab. In der serbischen Zeitung wird er mit dem Satz zitiert, „dieses Dokument wurde einstimmig angenommen, niemand in der Partei war dagegen.“ 

Der Mitarbeiter des Abgeordneten sagt in dem Interview zudem, dass die deutschen Medien bisher nicht über den Kosovoantrag berichtet hätten. Und er ist sich sicher, dass der Antrag auch in den Bundestag eingebracht werde: „ja, daran besteht kein Zweifel. Die Parteigremien müssen lediglich entscheiden, wann dies geschieht“. 

Doch zum Zeitpunkt dieses Interviews war über den Antrag noch gar nicht abgestimmt worden. Es kam sogar ganz anders. Der in der serbischen Zeitung durchgestochene Kosovantrag scheiterte Ende April vorerst am Widerstand der AfD-Fraktion in Berlin.

Der AfD-Abgeordnete Petr Bystron verweist auf Anfrage von CORRECTIV und ZDF Frontal auf das Interview in der serbischen Zeitung. Er sieht darin offenbar keine Auffälligkeiten. Vielmehr gäbe es eine „Diffamierung von AfD-Positionen als „pro-russisch“ ohne jegliche Grundlage“, schreibt der AfD-Abgeordnete.

Der Antrag zum Kosovo fand auch den Weg in russische Medien. In einem Artikel im „Roten Frühling“ wird sogar der serbische Präsident Alexander Vucic zitiert, der den angeblichen Antrag der AfD-Bundestagsfraktion kommentiert und ihm wenig Chancen einräumt. 

„Es ist quasi ein offenes Geheimnis in der Fraktionsführung, dass Informationen aus dem AK Außen an ausländische Dienste durchgestochen werden. Da herrscht Schulterzucken vor und keiner macht was dagegen“, sagt ein Mitarbeiter der AfD-Fraktion gegenüber CORRECTIV und  ZDF Frontal. 

Die Fraktionsführung hat auf Anfrage von CORRECTIV und ZDF Frontal nicht reagiert.

AK-Ausland erarbeitet Anträge, die die Weltsicht des Kremls widerspiegeln

Neben diesem Antrag gibt es weitere aus dem Außenpolitik-Arbeitskreis der AfD, die die Weltsicht des Kremls wiederspiegeln. 

CORRECTIV hatte über die Auftragsflut des Arbeitskreises berichtet. In einem Positionspapier wird zum Beispiel die USA als „raumfremde Macht“ beschrieben. In einem anderen Bericht zu China und Iran wird um Verständnis und Kooperation mit den autoritären Regimen geworben. Das Regime in Teheran soll nicht mehr „Mullahregime“ genannt werden. Besonders in der Beurteilung des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine fällt der Arbeitskreis mit einer kremlnahen Haltung auf. 

Ende April stellt die AfD eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung zum Thema „Uranmunition – geplante Lieferung durch Großbritannien an die Ukraine sowie mögliche Folgen für Mensch und Umwelt“. Auch das war wieder Futter für die russischen Medien. Das Onlinemedium Lenta.ru berichtete Anfang Mai darüber und nannte im Bericht die Antragsteller von Alexander Gauland bis Peter Bystron.

AfD-Abgeordnete in russischen Propagandasendungen: „Landesverrat“

Der Medienlauf sorgt für interne Kritik innerhalb der AfD. „Als Abgeordnete der AfD haben wir die Aufgabe, möglichst viele Wähler von der Programmatik unserer Partei zu überzeugen“, meint der AfD-Abgeordnete Rüdiger Lucassen. „Die russischen Propaganda-Kanäle sind hierfür der falsche Weg.“ 

Auftritte wie die der AK-Außen-Mitglieder Eugen Schmid und Steffen Korté in der Propagandasendung des berüchtigten Moderators Wladimir Solowjow, bezeichnet Lucassen als „Landesverrat“. Auch andere AfD-Abgeordnete sehen das ähnlich, darunter etwa Rainer Kraft: „Dass man Leuten, die die Vernichtung unserer Hauptstadt planen, mit Auslöschung unserer Regierung, Besetzung unseres Landes mit den implizierten Folgen wie das bei einer russischen Besetzung abläuft – Raubmord, Vergewaltigung und Plünderung – auch noch mit Fernsehauftritten hofiert, kann als Landesverrat bezeichnet werden.“