Nach Brand an Strommasten: Sabotage-Akte rütteln an Deutschlands Infrastruktur
Immer wieder kommt es zu Brandanschlägen auf Strom- und Bahninfrastruktur, Polizei und Bundeswehr. Häufig fällt der Verdacht auf Russlands hybride Kriegsführung. Der Sabotage-Akt in Berlin liegt in einer Zeit höchster Spannungen.

Der Brandanschlag auf zwei Strommasten im Berliner Südosten hat eine ernsthafte Störung herbeigeführt: Am zweiten Tag nach dem Brand sind weiterhin rund 20.000 Haushalte ohne Elektrizität. Weil ein Kraftwerk vom Stromausfall betroffen ist, haben tausende Menschen immer noch kein warmes Wasser.
Der Sabotage-Akt muss auf höchsten Schaden ausgerichtet gewesen sein. Mehrere Medien berichteten, dass die Täter Stahlketten um die Stromkabel gewickelt hätten. Nach dem Schmelzen der Isolierung sei es so zu einem Kurzschluss gekommen. Laut Polizei setzten die Täter einen Brandbeschleuniger ein. Der für politisch motivierte Straftaten zuständige Staatsschutz des Landeskriminalamts ermittelt.
Am Dienstagnachmittag wurde ein angebliches Bekennerschreiben im Internet veröffentlicht. Darin heißt es, der Stromausfall sei ein „Angriff auf den militärisch-industriellen Komplex im Technologiepark Adlershof“, mit dem man „sensible Supermaschinen und Ablaufprozesse massiv beeinträchtigen“ wolle. Genannt werden einige im Park ansässige Firmen wie Jenoptik, Rohde & Schwarz oder Edag.
ARD-Terrorismusexperte Michael Götschenberg hält das Schreiben für echt und verortet es in der linksextremen Szene. Das Vorgehen erinnere an den Brandanschlag auf einen Strommast in der Nähe des Tesla-Fabrik in Grünheide Anfang 2024. Ebenso müsse man aber auch „mit ins Kalkül ziehen, dass es sich um eine von Russland gesteuerte Sabotage handeln könnte“, sagte Götschenberg im rbb.
Eine Serie von Anschlägen mit unklarem Hintergrund
In den vergangenen Jahren ist es zu einer ganzen Serie ähnlicher Angriffe auf Objekte der kritischen Infrastruktur gekommen. Inzwischen schließen selbst Ermittler nicht aus, dass es sich zumindest bei einigen Attacken auf Einrichtungen der kritischen Infrastruktur um hybride Kriegsführung handeln kann, also um feindliche Aktivitäten ohne Kriegserklärung.
Die Süddeutsche Zeitung berichtete im Juli dieses Jahres, dass Polizei und Generalstaatsanwaltschaft in einer Serie von bis zu 50 Brandanschlägen im Großraum München einen solchen Hintergrund in manchen Fällen für möglich halten.
Eine politische Motivation und ein russischer geheimdienstlicher Hintergrund müssten sich nicht ausschließen. Russland setzt seit 2022 vermehrt auf sogenannte „Low-Level-Agenten“ – keine professionelle Agenten, sondern Auftragnehmer, die gegen Bezahlung bestimmte Aktionen durchführen.
So könne, schrieb die Zeitung, eine Gruppierung, die seit einigen Jahren in München Brandanschläge auf Kabelstränge und Mobilfunkanlagen verübt, in den Fokus russischer Dienste geraten sein und in deren Auftrag weitergemacht haben – ohne Kenntnis der Hinterleute.
Behörden warnen vor „Wegwerf-Agenten“
Es sind bereits mehrere Fälle bekannt geworden, bei denen auch in Deutschland mutmaßlich solche „Wegwerf-Agenten“ eingesetzt wurden. Anfang des Jahres berichtete der Spiegel, dass hinter einer Reihe von Anschlägen, bei denen Bauschaum in Auto-Auspuffe gespritzt worden war, ebenfalls Russland stecken könnte. Die Taten sollten aussehen, als seien sie von Klimaaktivisten verübt worden – und so mutmaßlich Stimmung schüren.
Im Mai dieses Jahres hat die Bundesanwaltschaft drei ukrainische Staatsbürger festnehmen lassen. Ihnen wird vorgeworfen, im Auftrag Russlands Sabotageakte vorbereitet zu haben. Konkret sollen sie Transportwege für Paketbomben erkundet haben. Ein Verdächtiger hat aber ausgesagt, auf Bitten eines Bekannten aus seiner ukrainischen Heimatstadt Mariupol zwei Pakete in einer Kölner Filiale eines ukrainischen Postdienstleisters aufgegeben zu haben. Dass er damit womöglich einen Anschlagsplan unterstützte, habe er nicht gewusst.
Zur Anklage gebracht sind mittlerweile drei Männer, die ebenfalls für Russland Sabotageaktionen in Deutschland geplant haben sollen. Dem Hauptangeklagten wird vorgeworfen, er habe sich seinem Kontaktmann gegenüber bereit erklärt, Sprengstoff- und Brandanschläge auf militärisch genutzte Infrastruktur und Industriestandorte in Deutschland zu verüben.
Erst vor einer Woche haben deutsche Sicherheitsbehörden eine gemeinsame Informationskampagne gestartet, um vor Anwerbeversuchen für Spionage und Sabotage über Soziale Medien zu warnen. Russlands hybride Kriegsführung ist auf das Austesten unserer Reaktionen und eine strategische Verschiebung jener Schwelle ausgelegt, bei der wir uns als konventionell Angegriffene sehen – und so einen NATO-Bündnisfall ausrufen könnten.
Anschlag fällt in eine heikle Zeit
Der jüngste Anschlag auf die Strominfrastruktur in Berlin fällt in eine heikle Zeit. Am Mittwoch hat das polnische Militär das erste Mal russische Drohnen abgeschossen, die in den polnischen Luftraum eingedrungen waren. Die Regierung Polens hat Konsultationen der NATO-Staaten gemäß Artikel 4 des gemeinsamen Vertrages beantragt. Das ist so etwas wie die Vorstufe des Artikel 5, der das Beistandsversprechen für den Fall eines „bewaffneten Angriffs“ auf ein oder mehrere NATO-Länder festhält.
Beides passiert nur wenige Tage, bevor Russland in Belarus das gemeinsame Sapad-Manöver durchführen will. Experten werten die gemeinsame Übung im September als mögliches Vorspiel für weitere Aggression durch Russland: Denn der letzte russisch-belarussische Truppenaufmarsch diente rückblickend zur Vorbereitung auf die Invasion in die Ukraine im Februar 2022.
Redigatur: Justus von Daniels
Faktencheck: Finn Schöneck