Bundeswehr will Kamikaze-Drohnen von israelischem Rüstungskonzern beschaffen
Als „Gamechanger“ der modernen Kriegsführung werden Kamikaze-Drohnen bezeichnet. Tests mit Systemen deutscher Hersteller laufen. Nach CORRECTIV-Informationen erwägt die Bundeswehr zudem, bei Elbit Systems einzukaufen.
Damit sie für die Zukunft der Kriegsführung gewappnet ist, will die Bundeswehr sogenannte Kamikaze-Drohnen beschaffen. Sie werden zum Beispiel von einem Träger abgeschossen und können dann in ihr Ziel gelenkt werden. Dort explodieren sie.
In der engeren Auswahl sind laut Medienberichten Systeme der deutschen Hersteller Rheinmetall, Stark und Helsing. Doch kürzlich wurde nach CORRECTIV-Informationen ein möglicher vierter Lieferant ins Spiel gebracht: der israelische Konzern Elbit Systems.
700 Millionen Euro wurden im August für die im Fachjargon Loitering Munition Systems (LMS) genannten Waffen von Elbit veranschlagt. Das geht aus internen Unterlagen des Bundesverteidigungsministerium (BMVg) hervor, die uns vorliegen. Dieses will sich auf Anfrage nicht zu konkreten Beschaffungsvorhaben äußern.
Was ist Loitering Munition?
Mit Elbit Systems kommt nun erstmals ein nicht-deutscher Hersteller in den Kreis der potenziellen Lieferanten. Das israelische Unternehmen gilt als einer der globalen Marktführer für Drohnen und integrierte Waffensysteme.
„Gamechanger“ für die Bundeswehr: Auch Loitering Munition in 377 Milliarden Euro schwerer Wunschliste
Der 700-Millionen-Euro-Auftrag an Elbit findet sich in einer Aufstellung neuer Vorhaben der Bundeswehr. Zuerst hatte Politico über diese „Wunschliste“ berichtet. Die rund 320 Posten belaufen sich demnach auf insgesamt 377 Milliarden Euro und dürften sich über die kommenden Jahre erstrecken. Mit massiven Investitionen soll nach Vorstellung von Bundeskanzler Friedrich Merz die Bundeswehr konventionell zur „stärksten Armee Europas“ werden – so seine Ankündigung Mitte Mai.
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Der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Carsten Breuer, nannte Drohnen und Loitering Munition bei der Vorstellung der Beschaffungspläne im April einen „Gamechanger“. Diese Technologie habe sowohl für das Verteidigungsministerium als auch für die Streitkräfte höchste Priorität.
Eigentlich wollte die Bundeswehr solche Kamikaze-Drohnen daher besonders schnell beschaffen. Dafür laufen bereits seit April dieses Jahres Tests und Vorverfahren für LMS der Hersteller Stark und Helsing – allerdings offenbar mit Problemen. Die beiden Start-Ups etwa seien hinsichtlich der Lieferung „wesentlicher vertraglicher Liefergegenstände/Komponenten im Verzug“, zitiert der Spiegel einen vertraulichen Sachstandsbericht des Beschaffungsamtes vom Ende Oktober. Auch von „Leistungsproblemen“ ist die Rede. Das Rheinmetall-Modell wiederum befinde sich erst in einem Prototyp-ähnlichen Stadium.
Unklar ist, ob sich die Probleme bereits im August abzeichnet hatten, als die Bundeswehr nach Informationen von CORRECTIV den Wunsch nach der Beschaffung von LMS von Elbit Systems mit einer Reichweite von mehr als 100 Kilometern schriftlich festgehalten hatte. Laut der Aufstellung in der Wunschliste war sogar eine Vergabe ohne Wettbewerb geplant.
Eine Sprecherin des BMVg teilte auf Anfrage von CORRECTIV mit, dass eine Entscheidung für eine „großvolumige Beschaffung“ konkreter Hersteller bislang nicht erfolgt sei. Verträge für den Kauf von begrenzten Mengen von Loitering Munition seien bislang „ausschließlich für Zwecke einer Zertifizierung/Qualifizierung mit mittlerweile drei Herstellern abgeschlossen wurden“, hieß es weiter – ohne Nennung von Firmennamen.
Alle Hersteller durchliefen dasselbe Verfahren, das demnach bis Ende des Jahres durchgeführt werden soll. Erst dann soll eine Entscheidung über eine Beschaffung fallen.
Kamikaze-Drohnen wären nicht der erste Bundeswehr-Einkauf bei Elbit Systems – Proteste gegen Unternehmen
Ein konkretes Modell ist in der Beschreibung des Vorhabens nicht genannt und Elbit Systems hat auf eine CORRECTIV-Anfrage zum Thema nicht geantwortet. Der Konzern verfügt mit SkyStriker jedoch über eine erprobte Technologie. Bereits 2023 verkündete das Unternehmen einen Auftrag in Höhe von 95 Millionen US-Dollar für die Lieferung von „mehreren Hunderten Einheiten“ des Systems an ein nicht näher genanntes europäisches Land.
Für eine Beschaffung gebe es laut Rüstungsexperten nachvollziehbare Gründe. „Elbit Systems ist ein israelischer Multi-Konzern, der zahlreiche Waffensysteme anbietet“, sagt etwa Max Mutschler vom Bonn International Centre for Conflict Studies. „Es gibt immer wieder Kooperationen, mehrfach wurde für die Bundeswehr bei Elbit Systems eingekauft.“ In der Vergangenheit waren es etwa Funkgeräte und Aufklärungstechnik, im Frühjahr 2025 wurde ein Auftrag über Artillerie-Raketenwerfer für die Bundeswehr bekannt. Den Austausch mit Deutschland beschreibt der Experte als ein „Geben und Nehmen“.
Dass der israelische Rüstungskonzern künftig auch Kamikaze-Drohnen für die Bundeswehr liefern könnte, ist neu. Eine Wertschöpfung in Deutschland wurde lediglich auf zehn Prozent geschätzt – wohl wegen des Elbit-Standorts in Ulm. Bei der Mehrheit der Beschaffungsprojekte der Bundeswehr wird allerdings bevorzugt, dass in Deutschland produziert und somit auch in Deutschland mit den Militär-Anschaffungen Geld verdient wird.
Und: Elbit ist ein Big Player für Israel und das israelische Militär. Im Zuge des Vorgehens der israelischen Armee im Gazastreifen kommt es etwa auch am deutschen Standort immer wieder zu Protestaktionen von Aktivisten, die eine Schließung des Werks fordern.