Datenanalyse: Faule Kredite der Sparkassen
Über Monate haben wir gemeinsam mit der FAZ und 500 Leserinnen und Lesern Geschäftszahlen über alle Sparkassen in Deutschland zusammen getragen. Erstmals könnt Ihr nun für jede Sparkasse den Anteil fauler Kredite erkennen und mit weiteren Risikomerkmalen vergleichen. Was sagen diese Daten aus – und welche Schlüsse wären zu voreilig?
Heute haben wir in einem Text und einer Karte die Kernergebnisse dieser Datenanalyse veröffentlicht. In diesem Artikel beantworten wir Fragen zu den Daten, die wir in der Karte für alle Sparkassen visualisiert haben.
Alle Fragen in der Übersicht:
- Ist ein hoher Anteil fauler Kredite immer problematisch?
- Worin unterscheiden sich Sparkassen zu Privatbanken bei der Kreditvergabe?
- Wie haben wir den Anteil der faulen Kredite berechnet?
- Wo kann ich mir die faulen Kredite einer Sparkasse genauer anschauen?
- Wie kommen wir auf die Risiko-Ertrags-Formel in der zweiten Frage?
- Warum zeigen wir die Gesamtkapitalquote an?
- Können die Sparkassen miteinander verglichen werden?
- Warum sind die Daten aus dem Jahr 2014 und nicht aktueller?
- Kann ich die Daten und ihre Artikel für meine eigene Berichterstattung verwenden?
- Wie kann ich die Karte für Print oder Online nutzen?
1. Ist ein hoher Anteil fauler Kredite immer problematisch?
Grundsätzlich ist die Quote notleidender Kredite („Non-Performing-Loans“, NPL-Quote) ein guter Indikator, um die Qualität der Kredite besser einzuschätzen. Warum? Der Fall der Sparkasse Dinslaken-Voerde-Hünxe zeigt, was passiert, wenn Kredite zu leichtfertig ausgegeben werden. Deren NPL-Quote lag im Jahr 2014 bei 7,36 Prozent. Nur die Sparkasse St. Blasien hatte eine noch schlechtere NPL-Quote. Im Folgejahr wurde Dinslaken fusioniert.
Ein hoher Anteil fauler Kredite ist aber nicht immer problematisch. Die Frage ist vielmehr, ob das Verhältnis von Risiko und Ertrag stimmt. Wenn eine Bank eine relativ hohe Zahl notleidender Kredite hat, dafür aber der Gewinn stimmt, kann das in Ordnung sein. Vereinfacht gesagt: Risiko muss man sich leisten können.
Wichtig ist auch, dass die Risiken auf möglichst unterschiedliche Kredite verteilt werden. Ein einzelner großer notleidender Kredit ist meist schlimmer als viele kleine Ausfallrisiken, selbst wenn deren Summe höher ist. Jede Bank sollte ein solches Klumpenrisiko vermeiden.
Das bedeutet: Wer die faulen Kredite genauer bewerten will, muss sich immer den Kontext der Sparkasse anschauen. Deswegen gaben wir neben der NPL-Quote zwei weitere wichtige Kennzahlen an: den Gewinn und die Gesamtkapitalquote.
2. Worin unterscheiden sich Sparkassen zu Privatbanken bei der Kreditvergabe?
Die meisten Sparkassen vergeben von Jahr zu Jahr mehr Kredite. Gleichzeitig ziehen sich die Großbanken immer mehr aus dem regionalen Kreditgeschäft zurück. Durch die Niedrigzinsen können sich derzeit Unternehmen und Privatpersonen günstige Kredite besorgen. Weil die Sparkassen an jedem vergebenen Kredit weniger verdienen als früher, können sie den sinkenden Ertrag ausgleichen, indem sie insgesamt mehr Kredite vergeben. Dagegen spricht nichts.
Es gehört zum Grundauftrag der öffentlich-rechtlichen Sparkassen, die regionale Wirtschaft zu fördern. Außerdem sollen Kredite auch an Menschen vergeben, die bei Privatbanken wenig Chance hätten. Dadurch steigt automatisch das Risiko.
Wichtig ist aber, dass auch die Sparkassen bei der Kreditvergabe ein angemessenes Risiko eingehen. Wenn das nicht gelingt, steigt die Quote fauler Kredite von Jahr zu Jahr. Wenn eine Sparkasse dann für schlechte Zeiten nicht genügend Rücklagen gebildet hat, verliert sie womöglich ihre Eigenständigkeit und muss fusionieren.
3. Wie haben wir den Anteil der faulen Kredite berechnet?
Die notleidenden Kredite stammen aus den Offenlegungsberichten der Sparkassen. Nach der letzten Finanzkrise wurden durch Basel III seit 2013 die Transparenzpflichten für beaufsichtigte Institute in Europa von Jahr zu Jahr verschärft. Das gilt nicht nur für Großbanken. Auch die öffentlich-rechtlichen Sparkassen müssen mittlerweile ihre Eigenmittel und Risikoposten viel genauer ausweisen. Die von uns analysierten Offenlegungsberichte 2014 sind alle nach den sogenannten „Capital Requirements Regulation (CRR)“ weitestgehend standardisiert.
Im Video zeigen wir am Beispiel der Sparkasse Tuttlingen in welchem Kapitel ihr die faulen Kredite findet.
In jedem Offenlegungsbericht findet sich ein Abschnitt „Kreditrisikoanpassungen“, meistens ist es das fünfte Kapitel. Dieser Teil ist in zwei Abschnitte unterteilt: In der „Struktur des Kreditportfolios“ steht das Volumen der vergebenen Kredite insgesamt und in den „Angaben zu notleidenden Positionen“ findet sich das Volumen der notleidenden Kredite.
Berechnung der vergebenen Kredite:
In der Tabelle „Aufschlüsselung der Risikopositionen nach Restlaufzeiten“ haben wir die Gesamt-Spalten addiert, um das Gesamt-Volumen zu ermitteln. Der Anteil für die Privatpersonen findet sich in der Tabelle darüber, die in der Regel „Aufschlüsselung der Risikopositionen nach Hauptbranchen“ benannt ist. Aus derselben Spalte haben wir das Volumen der vergebenen Kredite an Unternehmen & Selbstständige errechnet, indem wir die folgenden Spalten addiert haben:
- Land- Forstwirtschaft, Fischerei etc.
- Energie- und Wasserversorgung, Entsorgung, Bergbau etc.
- Verarbeitendes Gewerbe
- Baugewerbe
- Handel, Instandhaltung etc.
- Verkehr u. Lagerei, Nachrichtenübermittlung
- Finanz- und Versicherungsdienstleistungen
- Grundstücks- und Wohnungswesen
- Sonstige Dienstleistungen
Berechnung der notleidenden Kredite:
Die Daten können der obersten Tabelle im zweiten Kapitel der „Kreditrisikoanpassungen“ einfach copy&paste entnommen werden. Entscheidend ist die Spalte „Gesamtbetrag notleidender Forderungen“.
4. Wo kann ich mir die faulen Kredite einer Sparkasse genauer anschauen?
Vorneweg: Wenn ein Kredit notleidend wird, heißt das noch nicht, dass dieser auch nicht zurückgezahlt wird. Notleidend heißt nur, dass der Kreditempfänger eine Rate seines Kredits mehr als 90 Tage lang nicht bezahlt hat. Damit erhöht sich für die Sparkasse die Wahrscheinlichkeit, verliehenes Geld nicht in voller Höhe zurück zu bekommen.
Die Offenlegungsberichte geben Hinweise, wie hoch der Ausfall tatsächlich sein kann. In der Tabelle der „Angaben zu notleidenden Positionen“ sieht man, ob der Wert der Kredite bereits berichtigt wurde (Einzelwertberichtigung/ Pauschalwertberichtigung), welche Rückstellungen für mögliche Kreditausfälle gebildet wurden oder ob ein Kredit tatsächlich abgeschrieben wurde, also keine Einnahmen mehr zu erwarten sind.
5. Wie kommen wir auf die Risiko-Ertrags-Formel in der zweiten Frage?
Wir haben uns die Gewinn- und Verlustrechnungen 2014 der Sparkassen angeschaut, die in jedem Jahresabschluss auf bundesanzeiger.de veröffentlicht sind. Bevor jede Sparkasse den eigentlichen bilanziellen Gewinn errechnet, hat sie die Möglichkeit nach §340e/g im Handelsgesetzbuch dem „Fonds für allgemeine Bankrisiken“ einen Teil des Überschusses zuzuführen. Diesen Anteil haben wir mit dem Jahresüberschuss addiert, weil wir der Meinung sind, dass sich in der Summe der eigentliche Gewinn einer Sparkasse besser zeigt. Im nächsten Schritt haben wir errechnet, wie groß der Anteil der faulen Kredite an diesem Gewinn ist. Diesen Anteil bilden wir in der Datenbank in Jahren ab.
Auch diese Zahl ist nur ein Hinweis, um die Risikolage der Bank besser einzuschätzen. Sie dient als Annäherungswert, um das eingegangene Risiko besser im Verhältnis zum Ertrag zu setzen. Wer es genauer wissen möchte, kann sich anschauen, wie sich der Zins- und Provisionsüberschuss einer Sparkasse über die letzten Jahre entwickelt hat. Auch diese Werte finden sich in jeder Bilanz.
6. Warum zeigen wir die Gesamtkapitalquote an?
Aus unserer Sicht zeigt die Gesamtkapitalquote am besten, ob eine Sparkasse für Krisen abgesichert ist. Es gibt eine lange Diskussion, wie viel Eigenkapital für eine Bank angemessen ist. Auf der einen Seite sprechen sich Ökonomen wie Martin Hellwig für deutlich höhere Eigenkapitalquoten aus. Alle Banken müssten sich noch stärker für Krisen absichern. Die Kreditinstitute wehren sich dagegen. Besonders Sparkassen kritisieren, sie müssten, anders als Privatbanken, durch ihre gemeinschaftliche Institutssicherung bei Krisen nicht durch Steuergelder gerettet werden.
Dennoch schreibt Basel III für alle Banken einen minimalen Anteil Eigenkapital vor. Dabei werden die Risiko- und Vermögenswerte einer Bank in verschiedene Kapital-Klassen eingeteilt. Die Gesamtkapitalquote schließt alle Eigenmittel ein. Diese muss bei jeder Bank mindestens 8 Prozent betragen. Wird diese Grenze unterschritten, muss die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) eingreifen.
7. Können die Sparkassen miteinander verglichen werden?
Eigentlich gelten für die Sparkassen gerade durch Basel III die gleichen Maßstäbe. Es gibt aber dennoch Spielräume, die Kreditinstitut nutzen können, um beispielsweise einen Kredit später als notleidend zu bewerten. Das haben uns Vorstände von verschiedenen Sparkassen bestätigt. Die Krux ist, dass immer Ereignisse bewertet werden, die erst in der Zukunft stattfinden. Es gibt Sparkassen, die konservativer rechnen als andere. Deswegen gilt: Wer die Sparkassen miteinander vergleicht, sollte dabei immer alle unsere Daten im Auge haben. Die Alarmglocken klingen, wenn eine Sparkasse bei allen drei Fragen auf unserer Karte auf den hinteren Plätzen steht.
8. Warum sind die Daten aus dem Jahr 2014 und nicht aktueller?
Aktuellere Daten stehen noch nicht zur Verfügung. Es dauert immer eine Weile bis die Sparkassen ihre Jahresabschlüsse und Offenlegungsberichte veröffentlichen. Zuerst gehen die Berichte durch verschiedene Gremien, wie dem Verwaltungsrat. Die Berichte für das Jahr 2015 werden die Sparkassen erst in ein paar Wochen veröffentlichen. Bis alle 409 Sparkassen ihre Berichte online stellen, wird es noch Monate dauern.
9. Kann ich als Journalist ihre Daten und Artikel für meine eigene Berichterstattung verwenden?
Bedienen Sie sich! CORRECTIV ist gemeinnützig und gibt seine Recherchen grundsätzlich kostenlos an andere Medien ab. Egal ob lokales Blog, Online-Medium, Zeitung oder Radio.
Es gibt nur zwei Bedingungen:
- Informieren Sie uns mit einer kurzen E-Mail an sparkasse@correctiv.org, wenn Sie unsere Veröffentlichung nutzen. Dann wissen wir, wo unsere Geschichten erschienen sind.
- Verweisen Sie unter der von Ihnen genutzten Geschichte auf uns. Nutzen Sie dafür bitte folgende Formulierung:
„Die Daten wurden vom gemeinnützigen Recherchezentrum CORRECTIV und der FAZ erfasst. Correctiv.org finanziert sich über Mitgliedsbeiträge und Spenden. Die Redaktion gibt ihre Recherchen grundsätzlich kostenlos an andere Medien ab, ist unabhängig und nicht-gewinnorientiert.“
10. Wie kann ich die Karte für Print oder Online nutzen?
Sie können die Karte ganz einfach als iFrame auf Ihrer Internetseite einbinden. Nutzen Sie dafür den folgenden Link: https://correctiv.github.io/sparkassen-maps-kredite/
Wir bieten auch eine Version für Print an. Dafür können wir Ihnen die Karte im PDF- oder SVG-Format mit Legende zur Verfügung stellen.
Natürlich können Sie auch mit entsprechenden Verweis die Rohdaten nutzen. Im CrowdNewsroom stehen alle Daten im CSV-Format zum Download bereit.
Wenn Sie Rückfragen haben, können Sie unseren zuständigen Redakteur kontaktieren: