Sparkassen

Musterländle der faulen Kredite

Die Sparkassen in Baden-Württemberg haben den höchsten Anteil an Krediten, die nicht pünktlich zurück gezahlt werden. Das zeigt eine Auswertung aller deutschen Sparkassen, die CORRECTIV und die FAZ erstmalig erstellt haben. Der Sparkassenverband im Ländle verteidigt sich: das Kreditrisiko könne man unterschiedlich bewerten.

von Hanno Mußler , Matthias Bolsinger , Jonathan Sachse , Simon Wörpel

© Ivo Mayr

Die Recherche erscheint gleichzeitig in der „FAZ“ in der „Berliner Morgenpost“ und in der „Badischen Zeitung“.

Die Kunden der Sparkassen zahlen ihre Kredite im Schnitt gewissenhafter zurück als die Kunden anderer Banken. So lag der Anteil so genannter fauler Kredite im Jahr 2014 bei 1,62 Prozent. Als „faule Kredite“ werden in der Bankenwelt meist jene Kredite bezeichnet, bei denen die Schuldner mit der Rückzahlung einer Rate mehr als 90 Tage im Verzug sind. Mit ihren 1,62 Prozent fauler Kredite stehen die Sparkassen bundesweit gut da. Blickt man auf alle Banken in Deutschland lag diese Quote im Jahr 2014 nach Angaben der Bundesbank bei 2,34 Prozent.

Doch ausgerechnet zwischen den zwei reichsten Bundesländer klafft die Schere am größten: In Bayern drohen nur 0,68 Prozent der Kredite zu platzen – bundesweit der Spitzenplatz. Anders in Baden-Württemberg: Dort liegt der durchschnittliche Anteil fauler Kredite mehr als dreimal so hoch bei 2,34 Prozent. Das ist zwar nicht höher als bei allen Banken im Schnitt, aber innerhalb der Sparkassenwelt ein negativer Spitzenwert – und das ausgerechnet im Ländle, das mit seiner hohen Wirtschaftskraft und niedrigen Arbeitslosigkeit ähnlich gut dasteht wie Bayern.

Das Recherchezentrum CORRECTIV und die FAZ haben zum ersten Mal die faulen Kredite für alle 409 Sparkassen in Deutschland ausgewertet. Alle Ergebnisse findet Ihr auf dieser interaktiven Karte.

Hat eine Bank viele faule Kredite, ist das ein Indiz dafür, dass sie bei der Kreditvergabe ein hohes Risiko eingeht. Unter den zehn Sparkassen mit den bundesweit höchsten Quoten der so genannten „Non-Performing-Loans“ (NPL-Quote) liegen drei Sparkassen in Baden-Württemberg. Mit 7,84 Prozent führt die badische Sparkasse St. Blasien die Negativtabelle an (siehe Grafik). Unter den zehn Sparkassen mit der niedrigsten Quote liegen neun in Bayern.

Sparkasse Anzahl Vorstände Gesamtbezüge Durchschnittliches Vorstandsgehalt
Kreissparkasse Köln 5.0 3.521.400 € 704.280 €
Sparkasse Münsterland Ost 4.0 2.224.000 € 556.000 €
Sparkasse Aachen 5.0 2.724.000 € 544.800 €
Sparkasse Essen 4.0 2.086.900 € 521.725 €
Stadtsparkasse Wuppertal 3.0 1.557.000 € 519.000 €
Sparkasse KölnBonn 5.0 2.563.800 € 512.760 €
Sparkasse Bochum 3.0 1.513.000 € 504.333 €
Stadtsparkasse Dortmund 4.0 1.988.000 € 497.000 €
Stadtsparkasse Düsseldorf 3.92 1.909.232 € 487.048 €
Sparkasse Krefeld 3.0 1.349.040 € 449.680 €

Offenlegungsberichte der Sparkassen 2014

Was sagen uns diese großen Unterschiede?

Eine hohe NPL-Quote könne auf besondere Vorsicht hinweisen, rechtfertigt Stephan Schorn, Sprecher des Baden-Württembergischen Sparkassesenverbandes auf Anfrage den schlechten Befund. Die Institute in Baden-Württemberg seien gut aufgestellt. „Ein Kreditinstitut kann eine ganz niedrige NPL-Quote haben, weil man dort nur die absolut zwingend vorgeschriebenen Wertberichtigungen bildet.“ Für mehr fehle vielleicht das Kapital. 

Mit seiner Aussage rückt Schorn jene Bundesländer in den Fokus, deren Sparkassen auffällig niedrige NPL-Quoten haben. Zum Beispiel Bayern. Drücken die Bayern also eher mal ein Auge zu, bevor sie einen Kredit als „notleidend“ einstufen? Diesen Vorwurf wiederum möchte der bayerische Landesverband auf Anfrage nicht kommentieren.

Sparkassen nutzen Spielräume bei der Kreditbewertung

Dabei sind die regionalen Sparkassenverbände die richtigen Ansprechpartner für Fragen nach der Kreditbewertung. Denn bei ihnen sind die Prüfungsstellen angesiedelt, die die Bilanzen der Sparkassen testieren. Bei der Bewertung von Krediten gibt es nach dem Handelsgesetzbuch Spielräume, die von jedem Unternehmen genutzt werden. Aber diese Bewertungsspielräume sind begrenzt und wirken in beide Richtungen. So kann eine kapitalschwache Sparkasse ein Stück weit Abschreibungen auf heute schon wacklige Kredite auf spätere Jahre verschieben. Und es kann umgekehrt eine Sparkasse  in einem Jahr, in dem ihre Geschäfte richtig gut laufen, eher mehr faule Kredite ausweisen und so den steuerpflichtigen Jahresgewinn drücken.

Potrait von Hans-Peter Burghof

Hans-Peter Burghof

hat Zahlen über faule Kredite geprüft, die CORRECTIV und FAZ zusammengetragen haben.

Universität Hohenheim

„Wer viel abschreibt, muss den Aufsichtsgremien nicht zu viel Gewinn vor die Nase halten“, sagt Hans-Peter Burghof, der an der Uni Hohenheim den Lehrstuhl für Bankwirtschaft leitet. Am Ende eines Jahres entscheiden die Städte und Gemeinden als Träger der Sparkassen darüber, wie viel vom Gewinn an die Kommune fließt. Je weniger Gewinn eine Sparkasse macht, desto weniger muss sie abgeben.

„Die NPL-Quote ist eine wichtige Information“, sagt Burghof. Für ihn sei aber immer der Kontext wichtig. Man sollte nicht nur die NPL-Quote anschauen. Mit seinen Mitarbeitern hat Burghof die von uns recherchierten Daten überprüft, bevor wir sie dann interpretiert haben. Burghof sagt: „Eine gute Bank tut sich leichter einen Kredit als riskant einzustufen als eine Bank, die schon Probleme hat. Problematisch wird aber eine hohe NPL-Quote, wenn die Sparkasse gleichzeitig eine geringe Ertragskraft hat.“

Alarmierende NPL-Quote bei der Sparkasse Schönau-Todtnau

Genau damit kämpft die Sparkasse Schönau-Todtnau im Schwarzwald. Sie hat faule Unternehmenskredite von sieben Prozent in ihren Büchern. Jeder zehnte Privatkredit droht zu platzen. Aber die kleine Sparkasse ist nicht nur sehr großes Risiko mit ihren Krediten eingegangen, sie macht auch kaum noch Gewinn. Zuletzt betrug er gerade einmal 708.050 Euro, bei einer Bilanzsumme von 329 Millionen Euro. So gering war der Überschuss, dass die Träger der Sparkasse davon keinen einzigen Euro bekamen.

Dazu kommt, dass Schönau-Todtnau für schlechte Zeiten kaum gerüstet scheint. Die Gesamtkapitalquote betrug nur 11,03 Prozent. Die Quote liegt gerade einmal drei Prozentpunkte über der durch Basel III geforderten Mindestquote von 8 Prozent. Ein Tiefst-Wert unter den Sparkassen. Im Jahr 2014 lag die Gesamtkapitalquote bei durchschnittlich 16,6 Prozent. Die Sparkasse Schönau-Todtnau wollte die eigene Situation auf Anfrage nicht kommentieren.

Gesundes Risiko bei der Kreissparkasse Tuttlingen?

Anders reagiert die nur rund 100 Kilometer entfernte Kreissparkasse Tuttlingen. Die hohe NPL-Quote von 6,47 Prozent sei ein Ausdruck „aktiver Kreditpolitik“, schreibt Sprecher Christian Mayer. Im wirtschaftsstarken Landkreis Tuttlingen gehöre es zum öffentlichen Auftrag der Sparkassen alle Bevölkerungskreise, insbesondere den Mittelstand, zu versorgen. Im Vergleich zu anderen Sparkassen würde Tuttlingen mehr Firmenkredite vergeben und hätte dadurch „deutlich höhere Risiken“ als andere Sparkassen.

Tatsächlich zeigt unsere Auswertung, dass Tuttlingen im Vergleich zu den meisten anderen Sparkassen einen größeren Anteil ihrer Kredite an Unternehmen vergibt, fast jeden zweiten Kredit. Die Sparkasse erwirtschaftet auch viel Gewinn. Dem Fonds für allgemeine Bankrisiken wurde 2014 ein Beitrag von 19,5 Millionen Euro zugeführt. Danach blieb noch ein Gewinn von 7,1 Millionen Euro. Unsere Auswertung zeigt aber auch, dass von dem Gewinn kein Cent an den Landkreis ausgeschüttet wurde. Die Gesamtkapitalquote von 13,5 Prozent liegt rund drei Prozent unter dem Sparkassen-Durchschnitt. Sprecher Mayer antwortet auf die Frage, ob Risiko und Ertrag in einem angemessen Verhältnis stehen: „Wir haben in den letzten Jahren die Steuerung der mit Krediten verbundenen Risiken verfeinert.“

Screenshot aus dem Offenlegungsbericht der Kreissparkasse Tuttlingen

Die Kreissparkasse Tuttlingen hat von insgesamt 4 Mrd. Euro Krediten mehr als 250 Mio. Euro als notleidend deklariert.

Auszug Offenlegungsbericht 2014 der Kreissparkasse Tuttlingen

In der neuen Datenbank von CORRECTIV und der FAZ finden sich diese Kennziffern für alle Sparkassen in Deutschland. Die Daten haben Journalisten gemeinsam mit Leserinnen und Lesern über Monate aus den Offenlegungsberichten der Sparkassen zusammengetragen. Diese Berichte enthalten detaillierte Angaben zu den Risiken und stehen auf der Internetseite jeder Sparkasse öffentlich. Nach einer Auswertung der Dispozinsen und der Guthabenzinsen ist das die dritte große Datenauswertung zu den öffentlich-rechtlichen Sparkassen.

Was passiert, wenn die Konjunktur in Deutschland wieder kippt?

Nach der Finanzkrise im Jahr 2008 genossen gerade die Sparkassen ein besonderes Vertrauen in der Bevölkerung. Ende 2015 hatten die Sparkassen Kredite über 745 Milliarden Euro an ihre Kunden vergeben.

Potrait von Georg Fahrenschon

Sparkassen-Präsident Fahrenschon

will noch mehr Kredite vergeben.

dsgv.de

Der Dachverband ermutigt seine Sparkassen, in Zukunft noch mehr Kredite zu vergeben. Sparkassenverbandspräsident Georg Fahrenschon ließ in einem Gespräch mit der FAZ durchblicken, dass sich seiner Meinung nach in der Vergangenheit zu viele Sparkassen damit begnügt haben, die Spareinlagen der Kunden in Wertpapiere am Kapitalmarkt zu stecken anstatt – wie anscheinend die wackere Sparkasse in Tuttlingen – rege Kredite vor Ort zu vergeben. „Sparkassen sollten noch mehr Kredite vergeben. Denn etwa mit Bau- und Unternehmensfinanzierungen ist ordentliches und ertragreiches Geschäft zu machen, und es passt auch besser zu den Sparkassen“, sagte Fahrenschon. Allerdings ist das nicht ungefährlich, denn die Konjunktur in Deutschland wird irgendwann kippen. Dann könnten Unternehmensinsolvenzen zunehmen und Kreditausfälle steigen.

Wegen der momentanen guten Konjunktur in Deutschland haben die 409 Sparkassen insgesamt betrachtet 2015 sogar einen Teil ihres für Kreditausfälle zurückgelegten Reservepolsters abgetragen. 200 Millionen Euro hatten sie „zu viel“ für faule Kredite eingeplant, sagte Fahrenschon. Diese Risikovorsorge hätte sie 2015 zugunsten des Gewinns aufgelöst. „Das wird ein Sonderfall bleiben.“

Seit Jahresbeginn 2015 haben in Deutschland sieben Sparkassen fusioniert. Die Daten in unserer Auswertung zeigen, dass selten eine mit relativ vielen faulen Krediten beladene Sparkasse mit einer anderen stärkeren Sparkasse zusammen ging. Vielmehr scheinen auch die aktuell diskutierten Fusionen zwischen mehreren Sparkassen rund um Ingolstadt oder Hildesheim eher eine Vorsorge zu sein als aus der Not heraus, viele faule Kredite verkraften zu müssen.

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Unterstützung beim Faktencheck: Daniel Schmidt/ Uni Hohenheim

Kartenvisualisierung: Simon Wörpel