Spendengerichte

40.000 Euro Spenden an fragwürdige Vereine

Richter und Staatsanwälte haben drei Vereinen Geld überwiesen, vor denen öffentlich gewarnt wird. Das Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) rät davon ab, diesen Vereinen Geld zu spenden oder hält sie für „nicht förderungswürdig“. Die Justiz hat das offenbar nicht interessiert. Insgesamt flossen mehr als 40.000 Euro in diese Vereine, wie aus unserer Datenbank hervorgeht.

von Belinda Grasnick

Wenn Richter oder Staatsanwälte von Gericht auferlegte Geldauflagen verteilen, dann gibt es dafür derzeit kaum Aufsicht und keine Kontrolle. Die Beteiligten entscheiden selbst, wem sie das Geld überweisen. In den vergangenen Jahren hat die Justiz so mindestens 350 Millionen Euro verteilt. In vielen Fällen an gute Einrichtungen – in einigen Fällen aber auch an Organisationen, die das Geld nicht hätten bekommen sollen. Darunter auch drei Vereine, von denen das DZI öffentlich auf seiner Webseite abrät.

Das Deutsche Zentralinsitut für soziale Fragen (DZI) berät Spender bei der Auswahl von Einrichtungen. Es führt unter anderem eine Liste von Organisationen und Vereinen, von denen es abrät und die es für „nicht förderungswürdig“ hält. Wir haben die gekennzeichneten Vereine mit unsere Spendengerichte-Datenbank abgeglichen und festgestellt, dass einige dieser von Richtern und Staatsanwälten mit Geldauflagen bedacht wurden.

Der Rote Nasen Deutschland e.V. hat in den vergangenen Jahren mindestens 30.040 Euro von der Justiz erhalten, aus verschiedenen Gerichtsbezirken. Rote Nasen finanziert Klinikclowns. Eigentlich eine gute Sache. Weil Rote Nasen seine Mittel zum großen Teil aber nicht für den gemeinnützigen Zweck verwendet, stuft das DZI die Organisation als nicht förderungswürdig ein.

Nur ein Drittel für die eigentliche Arbeit

Konkret: 2013 gab Rote Nasen nur etwa ein Drittel seines Jahresbudgets von 1,8 Millionen Euro für die Clownprogramme aus. Fast genauso viel Geld ging für Marketing und Fundraising drauf. Der Rest sind Ausgaben für Information und Kommunikation, Spenderbetreuung und Verwaltungskosten. Etwa zwei Drittel des Geldes geht also in den Erhalt der Organisation, nicht in den eigentlichen Zweck.

„Das ist eine vollkommen durchgestylte Organisation“, sagt Burkhard Wilke, Geschäftsführer des DZI. Die Einrichtung sei sehr professionell aufgestellt und ihr Konzept werde wie bei einem Franchise-Unternehmen in viele Länder exportiert. Die Werbe- und Verwaltungsausgaben seien jedoch unverhältnismäßig hoch. „Es gibt eine Reihe von Organisationen, die eine sehr ähnliche Arbeit machen und das mit wesentlich weniger Verwaltungsaufwand“, sagt Wilke. Wegen der sehr hohen zweckfremden Ausgaben rät das DZI von der Förderung ab.

In der Vergangenheit war der Rote Nasen e.V. in der Kritik, weil er an Orten Spenden sammelte, an denen andere Klinikclowns tätig waren. So erweckte der Verein den Eindruck, für die Clowns der ortsansässigen Organisation zu sammeln. Das Geld ging jedoch exklusiv an den Rote Nasen Deutschland e.V.

Bedrängende Spendenwerbung

Auch der Verein Hilfsaktion Noma e.V. hat in vergangenen Jahren Spenden aus Geldauflagen erhalten, insgesamt mindestens 10.700 Euro. Die Einrichtung hat im Zeitraum von 2002 bis 2004 sogar das Spendensiegel des DZI getragen. Seitdem distanziert sich das Zentralinstitut jedoch vom Hilfsaktion Noma e.V. und hat ihn in die Liste der nicht förderungswürdigen Vereine aufgenommen. Die Einrichtung habe kein grundliegendes Seriositätsproblem. „Die Spenderbriefe sind aber sehr emotional und bedrängend.“ Der Spender werde so in seiner unabhängigen, sachbezogenen Entscheidung behindert. Zudem habe Noma zuletzt fast 40 Prozent seiner Einnahmen für Werbung und Verwaltung ausgegeben.

Ebenfalls trotz negativer Einschätzung des DZI gefördert: Das Familienschutzwerk. 300 Euro hat die Organisation von der Berliner Justiz bekommen. Es gibt mehrere Gründe wegen derer Experten von einer Spende an den Verein abraten. Laut DZI ist die Spendenwerbung zu druckvoll. Außerdem fehlt es an Transparenz – von außen kann niemand erkennen, was mit dem Geld genau passiert. Es ist unklar, wie viele Kinder überhaupt versorgt werden und wie viele Spenden der Verein bekommt. Zudem hatte das Familienschutzwerk in der Vergangenheit ein Spendensiegel selbst gemacht, das den Eindruck erweckt, der Verein sei offiziell anerkannt.

Warum spenden Richter und Staatsanwälte an Einrichtungen, die nach eingehender Prüfung als zweifelhaft eingestuft wurden? Ein Blick in die Spenderberatung des DZI sollte der Justiz zeigen, von welchen Einrichtungen sie besser die Finger lässt.

Wir haben die genannten Vereine und die zuständigen Justizbehörden um ein Gespräch gebeten. Sobald wir mehr Informationen bekommen, ergänzen wir an dieser Stelle.

[Update, 11. Mai 2015: Das Familienschutzwerk hat sich bei uns gemeldet. Der Verein schreibt, er habe „keine Gelder von Gerichten oder ähnlichem erhalten“.]

Auch das ARD-Magazin plusminus hat gestern über Spendengerichte berichtet. Und über Vereine, die Geld bekommen, obwohl das DZI sie negativ bewertet. Hier geht es zum Beitrag in der ARD-Mediathek.