Wirtschaft

Der stille Tod der Aktienrente

Die neue Regierung hat die Pläne aus der vorherigen Legislatur zur Aktienrente einkassiert. Damit verspielt sie auch Chancen auf eine klimafreundlich gestaltete, staatlich organisierte Anlage und rückt näher an die Privatwirtschaft.

von Elena Kolb

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Das Vorzeige-Projekt Aktienrente der alten Regierung ist im neuen Koalitionsvertrag nicht mehr zu finden. (Foto: Matt Bennett / unsplash.com)

Deutschland altert – und das kostet. Um das Rentensystem zu stützen, wollte die vorige Bundesregierung über einen Staatsfonds Gelder am Kapitalmarkt anlegen. Die Gewinne sollten in die Rentenkasse fließen. Das „Generationenkapital“, auch bekannt als „Aktienrente“, stand kurz vor dem Start: Anfang 2025 sollten die ersten Milliarden im Namen der deutschen Rentner angelegt werden. Doch unter der neuen Regierung ist das Projekt offenbar gestorben. Im aktuellen Koalitionsvertrag wird die Aktienrente mit keinem Wort mehr erwähnt.

Federführend für die Organisation der Aktienrente war das Finanzministerium. Seit Beginn der letzten Legislaturperiode hatte man dort an der Planung der Aktienrente gearbeitet. Ein Sprecher des Finanzministeriums schreibt auf Anfrage von CORRECTIV, ein Vorhaben „analog zum Generationenkapital“ sei  „unseres Erachtens nach nicht geplant“.

Kenfo sollte die Aktienrente verwalten

Der Staatsfonds Kenfo, der seit 2017 Gelder für die Lagerung von Atommüll anlegt, sollte die Aktienrente verwalten. Geplant war, ab diesem Jahr zwölf Milliarden Euro am Kapitalmarkt anzulegen. Also zum Beispiel Gelder in Anleihen, Aktien oder Immobilien zu investieren. Langfristig sollten die Gewinne das Rentensystem entlasten. Länder wie Großbritannien oder Schweden nutzen dieses Modell seit Jahren erfolgreich.

„Ein öffentlich verwalteter Fonds, wie es ihn in Schweden gibt und wie wir ihn seit langem fordern, hätte gegenüber den Plänen von Schwarz-Rot viele Vorteile“, sagt Katharina Beck, finanzpolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion. So könne das Geld breit gestreut werden und dadurch sicher und kostengünstig angelegt werden, sagt Beck. Über eine staatliche Anlage könne außerdem eine kluge Nachhaltigkeitsstrategie die Altersvorsorge gegen Klima- und Umweltrisiken absichern. „Viele private Fondsanbieter hinken dabei noch hinterher“, so Beck.

Privatwirtschaft statt Staatsfonds

Anstelle der Aktienrente plant die neue Regierung nun die sogenannte Frühstart-Rente. Die Idee: Für Kinder ab sechs Jahren sollen bis zum 18. Lebensjahr monatlich zehn Euro angelegt werden. Die Verwaltung der Frühstart-Rente soll privatwirtschaftlich organisiert werden, wie es im Koalitionsvertrag heißt. Das bedeutet, dass möglicherweise Akteure wie Sparkassen, Deka, Union Investment oder die Deutsche Bank Angebote dafür machen könnten. Unter einem Kanzler mit Erfahrung im privaten Investmentbereich überrascht dieser Kurswechsel kaum.

Die Entscheidung, die Verwaltung der Frühstart-Rente der Privatwirtschaft zu überlassen, hält Johannes Geyer für „nicht sehr effizient“. Geyer forscht am Deutschen Institut für Wirtschaft (DIW) zur Altersvorsorge. Im Gegensatz zu privaten Akteuren arbeite der Staatsfonds Kenfo nicht gewinnorientiert. Geyer hält die neue Frühstart-Rente für ein „Schaufenster-Projekt, das keine echten Probleme löst“. Darüber würde extrem wenig Geld angelegt, kritisiert er. „Weiterhin fehlen Instrumente zur Stabilisierung der Rente – auch in der privaten Vorsorge“, sagt Geyer.

Diskussionen um klimafreundliche Anlagen

In der Ausarbeitung der Aktienrente kam eine Debatte darüber auf, wie klimafreundlich die Renten-Gelder angelegt werden sollen. Dabei ging es zum Beispiel um die Frage, ob Gelder in Unternehmen investieren werden, die mit Kohle, Öl oder Gas Gewinne erzielen. Recherchen von CORRECTIV zeigten, dass das Thema ökologische Nachhaltigkeit bei der Planung der Aktienrente vernachlässigt wurde. Das Finanzministerium ließ sich etwa von Blackrock beraten. Die US-amerikanische Investmentgesellschaft ist für klimaschädliche Investitionen bekannt. CORRECTIV machte außerdem einige der Vermögensverwalter öffentlich, die für den Kenfo Gelder anlegen. Mit nachhaltigen Investment-Entscheidungen glänzten diese in der Vergangenheit nicht.

Dass die neue Regierung jedoch bei Regelungen zur Geldanlage stärker auf ökologische Nachhaltigkeit achten wird, ist zu bezweifeln. Zu möglichen Anlagekriterien der Frühstart-Rente steht bislang kein Wort im Koalitionsvertrag. Eine Rentenkommission soll bis zur Mitte der Legislatur Details festlegen. Ob also deutsche Rentengelder künftig in fossile Unternehmen fließen, ist noch offen.

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