Über ein halbes Jahrhundert nach der Einrichtung des Folter- und Todeslagers Colonia Dignidad durch eine deutsche Sekte in Chile reisen Bundesbeamte nach Südamerika, um Aufklärung über die Verbrechen der Vergangenheit zu erhalten. Ein Oberstaatsanwalt aus NRW ist dabei. Eines der damaligen Führungsmitglieder lebt heute in Krefeld und bezieht staatliche Unterstützung.
Im Süden Chiles am Fuße der Anden hat eine ultra-orthodoxe christliche Sekte über vier Jahrzehnte ein berüchtigtes Folter- und Todeslager betrieben. Die Opfer waren deutsche Jugendliche und chilenische Gegner des Pinochet-Regimes. Jetzt, 57 Jahre nach der Errichtung der Colonia Dignidad, gibt es eine Chance, vor NRW-Gerichten zu einer juristischen Aufarbeitung der schweren Verbrechen zu kommen.
Aufarbeitung nach einem halben Jahrhundert
Colonia Dignidad ist ein spanischer Begriff. Ins Deutsche übersetzt heißt er: Kolonie der Würde. Opfern jagt die Nennung tiefe Ängste ein. Mit dem Ort am Fuße der Anden, 400 Kilometer südlich der chilenischen Hauptstadt Santiago, ist eines der brutalsten und in vielen Details ungeklärten Massen-Verbrechen in der Geschichte der alten Bundesrepublik verbunden. Hierhin wurden hunderte Menschen entführt. Sie wurden gequält und getötet. Vier Jahrzehnte lang. Das alles ist in Deutschland ungeahndet geblieben.
In diesem Frühjahr – über ein halbes Jahrhundert später – gibt es erstmals Hoffnung auf eine umfassendere juristische Verfolgung. Ende April reisen deutsche Beamte, Diplomaten und Ermittler nach mehreren gescheiterten Anläufen nach Südamerika. Das hat das Bundesjustizministerium gegenüber CORRECTIV bestätigt. Die Reisegruppe soll Informationen sammeln, die eine Bestrafung von Tätern auf deutschem Boden möglich machen könnten.
Folter und Tod
Die Vorwürfe sind schwer. Sie reichen weit in die Vergangenheit. Hunderte Kinder und Jugendliche, zum Teil ohne Zustimmung der Eltern aus Deutschland verschleppt, sind zwischen 1961 und Anfang der 2000er-Jahre in diesem abgelegenen totalitär-religiösen Sekten-Lager eingesperrt gewesen. Evangelikale Sektenführer um den Bonner Paul Schäfer wollten ihnen Gottesfürchtigkeit und Anstand beibringen. Tatsächlich wurden die Schützlinge psychisch abhängig gemacht. Sie wurden laut Zeugenaussagen geschlagen, nachts mit elektrischen Viehtreibern an den Geschlechtsteilen gefoltert, fast täglich vergewaltigt und zur Sklavenarbeit gezwungen.

Während der Militärdiktatur von Augusto Pinochet (1973-1990) diente die Colonia Dignidad auch als Folterlager.
MATTHIAS BOLLMEYER / AFP
Mehr noch: Geheimdienst-Schergen des faschistischen chilenischen Pinochet-Regimes (1973 bis 1990) folterten und töteten in den Kellern der Colonia politische Gegner mit Wissen und durch Zuarbeit des Sektenchefs Schäfer. Innerhalb der Drahtumzäunung des Lagers fanden chilenische Polizisten nach 2005 nicht nur ein großes Waffendepot mit Maschinengewehren und Raketenwerfern. Sie hoben ein leeres Massengrab aus, in dem einhundert Mordopfer gelegen haben müssen, bevor ihre Leichen verbrannt wurden. Die Polizei entdeckte auch Hinweise, wonach mit biologischen und chemischen Waffen experimentiert wurde.
Die Spur führt nach Krefeld
Schäfer, der 1921 in Bonn geboren wurde, starb nach fünfjähriger Haft hochbetagt in einem chilenischen Gefängnis. Das war 2010. Aber weitere Deutsche kommen als Täter und Helfer in Frage. Ihre Taten, verübt im Namen der Bibel, sind bis heute straflos geblieben. Es fehlte in der alten Bonner Republik jeder Ehrgeiz, den Vorwürfen nachzugehen, Ermittlungen rechtzeitig vor Ablauf von Verjährungen einzuleiten oder sie zum Abschluss zu bringen. Deutsche Stellen, darunter Diplomaten der deutschen Botschaft in Santiago de Chile, sabotierten Bemühungen, die Verbrechen aufzuklären.

Undatiertes Bild des ehemaligen Nazi-Korporals Paul Schäfer Schneider, Mitbegründer der Enklave Colonia Dignidad.
HANDOUT / AFP
Das ändert sich gerade grundlegend. Dass jetzt, 57 Jahre nach der Gründung der Folter-Sekte, die Strafverfolgung erstmals ernsthafte Fortschritte machen könnte, liegt auch am Umdenken im Deutschen Bundestag. Er hat die Kehrtwende 2017 mit der Drucksache 18/12943 eingeleitet. Im Juni entschied das Berliner Parlament mit den Stimmen aller Fraktionen nicht nur, Mitverantwortung für die Verdrängung zu übernehmen. Die „Verbrechen der Colonia Dignidad“ sollen auch „aufgearbeitet“ werden. Die Bundesregierung versichert zudem, einen wichtigen Nebenaspekt untersuchen zu wollen: Ob einer der mutmaßlichen Täter, der mittlerweile in Krefeld lebt, zu Unrecht Sozialleistungen bezieht, da er in Chile größere Vermögen versteckt haben könnte.
Axel Stahl ist Oberstaatsanwalt in Krefeld. Akten des Falles sind über seinen Schreibtisch gegangen. Läuft alles nach Plan, wird Stahl Ende April eine fünf- bis sechstägige Dienstreise nach Südamerika antreten. Zur Reisegruppe gehören weiter Beamte des Bundesjustizministeriums und Diplomaten des Auswärtigen Amtes.
Sie wollen mehr über die Vorgänge von damals erfahren und den Verbleib von Tätern und Opfern heute, Aussagen vor Ort sammeln und Informationen einholen über das wirtschaftliche Vermögen, das die Colonia-Täter in all den Jahren angehäuft haben müssen. Eine deutsch-chilenische Regierungsarbeitsgruppe hat Vorarbeiten erledigt. Er sei „für jede Gelegenheit dankbar“, an Informationen zu kommen, sagte Stahl CORRECTIV zu den Reiseplänen. Seit fünf Jahren warte er auf Antworten der chilenischen Behörden im Rahmen eines Rechtshilfeersuchens. Bisher vergebens.
Tötung verjährt nicht
Das besondere Interesse des Oberstaatsanwalts gilt einem ehemaligen hohen Funktionär der Sekte. Der Fahnder will mehr über die mögliche Tatbeteiligung von Hartmut Hopp wissen, 73, Arzt, wohnhaft als freier Mann in Krefeld und hier Bezieher von Sozialleistungen. Stahls Akten umfassen drei Komplexe:
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Hopp soll Beihilfe zum sexuellen Missbrauch begangen haben. 2011 hat ihn ein chilenisches Gericht deshalb zu fünf Jahren und einem Tag Haft verurteilt. Kurz nach dem Urteil konnte er sich nach Deutschland absetzen.
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Hopp steht im Verdacht, als Arzt Sektenmitgliedern Psychopharmaka ohne medizinische Notwendigkeit verabreicht zu haben.
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Hopp könnte am Verschwinden und der Tötung von drei jungen chilenischen Gewerkschaftlern im Jahr 1976 beteiligt gewesen sein.
Zwei der Komplexe könnten dem Colonia Dignidad-Funktionär besonders gefährlich werden.
Zur Frage, ob der Mediziner die in Chile verhängte Strafe wegen sexuellen Missbrauchs in Deutschland absitzen muss, steht aktuell das Urteil des Oberlandesgerichts in Düsseldorf aus. Das Landgericht Krefeld hat in der Vorinstanz 2017 bejaht, dass Hopp die Strafe hier abbüßen muss. Bis jetzt ist nur klar: Als deutscher Staatsbürger kann er nicht an Chile ausgeliefert werden.
Brisanter für den ehemaligen Colonia-Mann ist der Vorwurf der Tötung. Tötung ist – anders als andere Straftaten – keiner Verjährung unterworfen. Hopp könnte also in Deutschland in einem weiteren Prozess auch wegen Mordes verurteilt werden, sollten sich Hinweise auf ein Tötungsdelikt bestätigen, dem die drei chilenischen Gewerkschaftler zum Opfer gefallen sind.
Der Chefarzt der Foltersekte
Hopp war der Chefarzt des Krankenhauses der Colonia. Er war die gesamte Zeit der Kolonie dabei. Nach von ihm bestrittenen Zeugenaussagen war er auch der Vertreter des Sektenführers Paul Schäfer. Nach seiner Flucht vor dem Haftantritt in Chile 2011 siedelte er sich in Krefeld an, wo die Sekte „Freie Volksmission“ mit ähnlicher theologischer Ausrichtung wie die Colonia wirkt. Jahre lang schwieg Hopp zu allem. Erst als der Druck durch die Verhandlungen des Landgerichts in Krefeld wegen der verhängten Strafe aufgrund des sexuellen Missbrauchs größer wurde, äußerte er sich in einem Interview mit der Westdeutschen Zeitung im Januar 2017 genauer zu seiner Verantwortung.
Wer in dem Interview-Text ein Tateingeständnis sucht, sucht vergeblich. „Rückblickend muss ich sagen, dass ich mich mitschuldig gemacht habe, nicht jedoch in tatsächlicher und somit juristischer Hinsicht“, sagte Hopp, „sondern weil ich nicht die Vertrauensperson für die Opfer von Schäfer war, die ich hätte sein wollen und sollen, wie die Einzelnen mir auch jetzt offenbart haben. Niemand hat gewagt, sich mir anzuvertrauen. Das kann ich nicht abschütteln“. Zu konkreten Vorwürfen äußerte sich der Arzt so: „Weder habe ich ihn (Schäfer) irgendwie in dieser Hinsicht unterstützt noch habe ich von dessen perversen Praktiken Kenntnis gehabt“.
Der 2010 verstorbene Schäfer kann nicht mehr danach befragt werden, ob Hopp die Wahrheit sagt. Aber ist es überhaupt möglich, dass die zeitweise bis zu 300 Insassen der Colonia Dignidad und vor allem Mitglieder der Führungsclique nichts von den täglichen Verbrechen mitbekommen haben, die Paul Schäfer initiierte, über vier Jahrzehnte dirigierte und auch ausführen ließ? Deutet nicht vielmehr alles auf eine gut geschmierte Verbrechens-Maschinerie hin mit vielen, die davon wussten und die mitgemacht haben?
Mittelalterlicher Horror
Die Rückblende in die junge Bundesrepublik des Jahres 1960 hilft, einiges über das gesellschaftliche Klima jener Tage zu erfahren, in denen die Colonia entstand. Das Wirtschaftswunder unter Kanzler Konrad Adenauer nimmt damals zwar schnell Fahrt auf. Im Alltag aber ist das Land tief konservativ gefärbt. In den Wohnzimmern wird die Nazi-Zeit mit Schweigen übergangen. KZ-Verbrecher laufen frei herum. Frauen müssen nach dem Gesetz ihre Ehemänner fragen, wenn sie arbeiten wollen. Homosexuellen droht der Staatsanwalt. In Schulen ist die Prügelstrafe erlaubt und mit dem Zeigestock als Waffe an der Tagesordnung.
In dieser Atmosphäre unterhält der in Troisdorf aufgewachsene Schäfer ein Erziehungsheim im kleinen Flecken Heide östlich von Bonn, wo er pädophile und sadistische Neigungen auslebt. Zeugenaussagen von damals über gängige Strafaktionen klingen in heutigen Ohren wie mittelalterlicher Horror: Schäfer lässt die Insassen seines Erziehungsheims, alles Kinder, eine Gasse bilden, durch die ein gewaltsam entkleideter Jugendlicher laufen muss und mit Ruten gepeitscht wird. Sein Delikt: Er hatte Süßes genascht. Das Vorbild der Strafe stammt aus der Zeit der preußischen Armee. Es ist 200 Jahre alt.
Doch als Schäfer um 1961 wegen sexuellen Missbrauchs ins Visier der Justiz gerät, befällt ihn Panik. Er stellt den Antrag auf die Verlegung des Heimes nach Südamerika. Die Genehmigung, die Kinder und Jugendlichen mitzunehmen, wird durch zuständige Behörden erteilt. Erst 1966 kann ein Opfer unter dramatischen Umständen aus der Umzäunung in Chile fliehen und berichtet von den Verbrechen in der Hauptstadt Santiago. Konsequenzen? Hat das nicht.
Der Freundeskreis Colonia Dignidad
Es gibt in den darauf folgenden Jahren sogar politische Unterstützung aus der Heimat. Die streng konservativ ausgerichteten „Kolonisten“ des Päderasten Schäfer haben Rückendeckung aus CSU-Kreisen und auch aus Medien genossen. Einem Freundeskreis, der in Solidarität mit der Colonia Dignidad gegründet worden war, stand der frühere ZDF-Moderator Gerhard Löwenthal nahe. Im chilenischen Lager hing ein handsigniertes Bild vom damaligen CSU-Chef Franz-Josef Strauß, der die Colonia besucht hatte. Nur die CDU-Minister Norbert Blüm und Heiner Geißler („Es muss Anklage erhoben werden“) gingen auf Distanz. Blüm sagte dem chilenischen Staatschef Augusto Pinochet bei einem Besuch in Santiago ins Gesicht: “Herr Präsident, ich habe keinen Zweifel, dass in ihrem Land gefoltert wird”. Die CSU tobte. Blüms Vorwurf sei “skandalös”.

Ein Blick auf Villa Baviera oder Bavaria Village, früher bekannt als Colonia Dignidad.
CLAUDIO REYES / AFP
Prügel. Folter. Vergewaltigung. Auch Mord. Was in dem Erziehungsheim in Heide bei Bonn mit autoritären Ansätzen begann, wurde nach 1962 in Südchile brutaler krimineller Alltag. Der Bundestag spricht in seiner Erklärung vom Juni letzten Jahres vom „Martyrium“ der eingeschlossenen Opfer, von „Freiheitsberaubung, Verschwindenlassen, Zwangsarbeit und Sklaverei, Kindesmissbrauch, Körperverletzung, Folter und Verabreichung von Psychopharmaka ohne medizinische Indikation“. Die Sekte habe „die abgeschiedene Lage“ für die Taten genutzt und sei eine Kooperation mit der chilenischen Militärdiktatur eingegangen. „Dutzende“ Regimegegner seien hier ermordet worden. Deutsche Diplomaten hätten in den 1960er, 1970er und 1980er Jahren „weggeschaut“. Nie hat das deutsche Parlament vorwurfsvoller und offener über Straftaten gesprochen, in die die eigene Staatsverwaltung und die eigene Diplomatie zumindest durch Unterlassen verwickelt waren.
Heute ein Touristen-Café
Das Gelände, die Immobilie existieren heute noch immer. Was bis nach der Jahrtausendwende Colonia Dignidad hieß, heißt heute die „Villa Baviera“, zu deutsch: die „bayerische Villa”. Zum Ärger von Opferorganisationen wird dort Touristen aus aller Welt vor dem großartigen Gebirgspanorama der Anden Kaffee und Kuchen gereicht. Bedient werden sie von Kräften, die teils schon zu Schäfers Zeiten hier gearbeitet haben. Aber es ist eine Idylle, die viel verbirgt. Der Krefelder Oberstaatsanwalt Axel Stahl, der jetzt nach Chile fliegt, hat deshalb eher verhaltene Erwartungen. Was bekannt sei, sagt er, das sei „nur die Spitze des Eisbergs“.
Korrektur, 05.04.2018: Der frühere ZDF-Moderator, der dem Freundeskreis der Colonia Dignidad nahestand, hieß Gerhard Löwenthal.
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Annika Schneider
am 05.04.2018 23:18Vielen Dank für die Berichterstattung. Ich durfte im Rahmen eines Uniaustauschs im vergangenen Jahr die Colonia besuchen, und möchte auf ein weiteres Thema aufmerksam machen: die der "Überlebenden", die jetzt noch an dem betitelten Touristen-Ort wohnen. Wir sind mit einem mulmigen Gefühl dort runter gefahren, und es ist schon sehr skurril, in einer nach bayerischem Gasthaus aussehenden Halle zu sitzen und Gulasch mit Sauerkraut zu essen. Die Menschen, die dort gewohnt und gearbeitet haben, waren mehr als freundlich, haben uns alles gezeigt (sogar die geheimen Fluchtwege von Paul S.), und Rede und Antwort gestanden. Was uns dabei am meisten berührt hat: die ambivalente Beziehung der Einwohner. Nehmen wir einen 60-jährigen, sehr adretten Mann, ich nenne ihn mal Juan, der uns dort begegnet ist. Juan ist in den 60ern als 11-jähriger mit seinem 9-jährigen Bruder in die Colonia gekommen, als ältester Sohn einer chilenischen Mutter. Die Mutter hat im benachbarten Ort gewohnt und wusste nicht mehr, wie sie ihre drei Kinder ernähren soll. Sie hat sich dann entschieden (wer sie dazu überredet hat, weiß ich nicht) die beiden Söhne für ein, zwei Jahre in die Colonia abzugeben, bis sich ihre eigene Situation etwas verbessert hätte. Das war das letzte Mal, dass sie die beiden Söhne gesehen hat (bis Juan sie 2015 wiedergefunden hat). Juan und sein Bruder waren also eingesperrt, mit einer unbekannten Sprache, ohne Kontakt zur Familie, was in den Jahren danach passiert ist, möchte ich mir gar nicht vorstellen. Heiraten, ach jeglicher näherer Kontakt zum anderen Geschlecht waren in der Colonia untersagt, und man merkt heute sehr, wie er es bereut, keine Kinder zu haben. Nach Öffnung der Colonia, da muss Juan dann um die 40 gewesen sein, stand er da, (auch heute noch) völlig traumatisiert. Ohne einen Penny, ohne Kontakte zur Außenwelt, mit 15 Jahren Arbeitserfahrung als Tischler und 15 Jahren als Metzger aber ohne Schulabschluss und mit verlernter Muttersprache auf Stand der 60er. Natürlich ist Juan in der Colonia geblieben, wo hätte er denn hingehen sollen? Dort hat er ein kleines Häuschen und arbeitet im Tourismusbetrieb mit. Und jeden Herbst nimmt er sich vier Wochen Urlaub, um im Umland Hagebutten zu schneiden, die er an einen Händler verkauft. Juan lebt also an der absoluten Armutsgrenze und bräuchte dringend psychologische Unterstützung (wobei ich nicht weiß, ob er die Angebote, die es in der Villa Baviera nach Öffnung gab, angenommen hat).
Mein Anliegen: Wenn ihr in Chile seid, fahrt auf jeden Fall in die Villa Baviera. Besucht Juan und die anderen Bewohner, sie haben keine Berührungsängste und haben "euer Geld" echt nötig - zumal die Ausgleichszahlung, von der uns dort erzählt wurde, bei ca. 5000 Euro pro Opfer liegen - ein Witz angesichts des chilenischen Preisniveaus und des Leidens. Natürlich ist es wichtig, der Opfer zu gedenken. Juan und ca. 100 weitere noch dort lebende Opfer würden allerdings als mittellose Rentner auf den Straßen Chiles landen.
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B.
am 07.04.2018 08:23Hallo,
hier ein kleiner Korrekturhinweis: Der o. g. Antrag wurde im Bundestag von CDU/CSU, SPD und Grünen eingebracht - verabschiedet wurde er aber einstimmig von allen Fraktionen.
http://dipbt... (hier: S. 25049)
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Gustav Brauner
am 09.04.2018 19:19Sehr interessanter Artikel über ein widerliches Verbrechen, von dem heutzutage in Deutschland kaum noch jemand etwas weiß. Der Begriff "ultra-orthodoxe christliche Sekte" ist jedoch irreführend, da er (wohl ungewollt) einen Bezug zu den orthodoxen Ostkirchen herstellt. Als russisch-orthodoxer Christ würde ich mich hier über eine Änderung freuen.
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Dietmar Seher
am 10.04.2018 16:02Sehr geehrter Herr Brauner,
vielen Dank für Ihre Kritik. Der Begriff "orthodox" steht natürlich hier nicht für die die Ostkirche, sondern für eine ultra-konservative politsch-religiöse Ausrichtung, so wie man in anderem Zusammenhang auch von "orthodoxer Medizin" o.ä. spricht. Jedenfalls war es so gemeint. Sollte ich Sie in Ihrem religiösen Gefühl getroffen haben, war dies auf keinen Fall gewollt.
Mit freundlichem Gruß
Dietmar Seher
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Captain Future
am 09.04.2018 19:41Sehr geehrte Damen und Herren, eine kleine Korrektur mit 73 Jahren bezieht man in Deutschland keine Hartz IV Leistungen, sondern die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.
Mit freundlichem Gruß
Future
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Dietmar Seher
am 10.04.2018 16:04Vielen Dank für die Korrektur. Das ist natürlich richtig. Wir korrigieren.
Alles Gute!
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Sebastian Jokisch
am 09.04.2018 20:36Juristische Aufarbeitung? Dazu hatte man viele Jahrzehnte Zeit und nun soll der letzte überlebende Täter die ganze Schuld tragen? Das ist wirklich typisch Deutschland. Nicht nur die Täter sind die Schuldigen, hier in diesem Fall auch der Staat, der über einer ganzen Generation hinaus nichts tat.
Als Opfer und den ihnen Nahstehenden wäre es für mich ein Schlag ins Gesicht, nun einer einzelnen Person die Schuld in die Schuhe zu schieben und den Schwarzen Peter einfach so wegzuschieben. Die wahren Schuldigen sind vielleicht nicht mehr am Leben, dass betrifft auch Staatsbedienstete aus der damaligen bis heutigen Zeit, aber ein Schuldeingeständnis wäre zumindest schmerzlindernd für die Angehörigen. Doch statt dessen jetzt eine Hetzjagd. Damit ist niemanden geholfen und niemand wird sich erleichtert oder beruhigt fühlen. Lediglich der Staat ist der Gewinner, der jetzt auf den Aktendeckel einen fremden Namen als seinen schreiben kann. Es geht immer um den Staat und seine Unangreifbarkeit. Das macht die ganzen Verbrechen so tragisch, über das Passierte hinaus. Denn ohne ehrliche Gesellschaft finden die wenigstens Trost.
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Dietmar Seher
am 10.04.2018 16:33Sehr geehrter Herr Jokisch,
vielen Dank für Ihre Meinungsäußerung. Kurz dazu meine Meinung: Natürlich trägt der deutsche Staat hier eine große Verantwortung, auch durch Unterlassen einer rechtzeitigen Strafverfolgung. Andererseits: Mord verjährt nicht. Die Staatsanwaltschaft muss handeln, wenn sie dafür Belege in die Hand bekommt. Und dass über den Antrag Chiles entschieden werden muss, die Haft von Hopp in Deutschland zu vollziehen, ist auch selbstverständlich.
Mit freundlichem Gruß
Dietmar Seher
Antworten
frank noack
am 10.04.2018 21:35sie treffen den nagel auf den kopf. diese methode hat system. eine nicht mehr greifbare person stellvertretend für das versagen der verantwortlichen in behörden u.ä. als bauernopfer zu präsentieren.
a. lubitz, der todespilot mit 149 opfern, ist ein weiteres beispiel.
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Hans Gründinger
am 09.04.2018 20:44Es wird immer wieder geschrieben, dass Franz-Josef Strauß auch Gast in der Colonia Dignidad war. Das ist nicht korrekt.
1977 War Strauß zwar auf Einladung Pinochets auf Staatsbesuch in Chile, nicht jedoch zu Gast bei Schäfer.
Sein persönlicher Referent, Dieter Huber, war aber sehr wohl wie auch mehrere andere CSU-Mitglieder und Mitglieder der Hanns-Seidel-Stftung zu Gast in der Kolonie.
Nachzulesen u.a. in Horst Rückerts "Das Blendwerk".
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Dietmar Seher
am 10.04.2018 16:19Sehr geehrter Herr Gründinger,
vielen Dank für den Hinweis. Tatsächlich aber hat die CSU-eigene Hanns Seidel-Stiftung den Besuch erwähnt, der aus Anlass des Strauß-Besuchs in Chile vom 17.-23. Nov. 1977 erfolgt sein soll. Es habe diesen einzigen Besuch in der von Auslandsdeutschen geführten Siedlung gegeben, ohne dass eine engere Beziehung zustande gekommen sei, schreibt die Seidel-Stiftung. Auch "Spiegel" und "Zeit" haben in früheren Ausgaben von diesem Strauß-Besuch berichtet.
Mit freundlichem Gruß
Dietmar Seher
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Angelika Oetken
am 09.04.2018 21:41Ich möchte in der Sache das e-book "Mann ohne Kindheit" empfehlen.
Alle Personen, die in dem Interview beschrieben werden, sind anonymisiert. Aber wer über Hintergrundwissen verfügt, kann sie identifizieren.
Angelika Oetken, Berlin-Köpenick
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wolfgang erler
am 10.04.2018 10:17...den Beitrag habe ich mit großem Interesse gelesen.
Ich kann mich erinnern, dass in den DDR-Medien seinerzeit recht oft und umfangreich über diese Colonia berichtet wurde. Vielleicht wäre es ja für den Staatsanwalt eine Hilfe, deren Quellen zu erforschen.
Infrage kämen aus meiner Sicht DDR-Medienarchive, das Archiv des damaligen DDR-Außenministeriums und das MfS-Archiv.
Auch wäre zu recherchieren, ob es noch Exil-Chilenen aus den 70-er Jahren in Deutschland gibt, die von dieser obskuren Colonia Kenntnis hatten.
Danke für Ihren Beitrag
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volki
am 16.04.2018 00:43Das Regime wurde ja von der CIA unterstützt um böse Kommunisten/ Sozialisten zu verhindern....und die Einflussnahme der UDSSR! Heute übrigends nicht anders.....da empfehle ich öfters mal "The Intercept" zu lesen. Wenn es um geotrategische Interessen geht spielen Verbrechen, Folter, etc. keine Rolle....das wird von allen Seiten in kauf genommen.
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