Faktencheck

Widersprüchliche Berichte über angebliche „Prügelattacke“ durch „fünf Afrikaner“ in Wien

Die österreichische Webseite Unzensuriert behauptet, am vergangenen Freitag sei es in der Wiener U-Bahn zu einem Gewaltverbrechen gekommen. Der Fall wird im Artikel detailliert beschrieben. Doch laut der Anzeige bei der Polizei stellt er sich etwas anders dar.

von Till Eckert

THEMENBILD, Wien bei Nacht
Gab es am vergangenen Freitag in der Wiener U-Bahn eine Prügelattacke durch „fünf Afrikaner“? Die Polizei dementiert. (Symbolfoto, Wiener U-Bahn-Station am 3. Juli 2017: Picture Alliance / EXPA / JFK)
Bewertung
Teilweise falsch
Über diese Bewertung
Teilweise falsch. Es gab einen Vorfall. Allerdings wird die Aussage des Opfers von der Polizei und „Unzensuriert“ unterschiedlich berichtet.

Der Artikel von Unzensuriert vom 15. Februar über ein angebliches Verbrechen in der Wiener U-Bahn steckt voller konkreter Details: Demnach soll am vergangenen Freitag (14. Februar) um 19.30 Uhr in der Wiener U-Bahn-Linie U1 im Bereich Kagran ein „Bub“ Opfer einer „Prügelattacke“ durch „fünf Afrikaner“ geworden sein – weil er seine Mutter beschützt habe, die von den Männern sexuell belästigt worden sei. Der Junge habe das laut des Artikels bei der Polizei „zu Protokoll“ gegeben und die Beamten hofften, „die Täter“ anhand Aufnahmen in der U-Bahn ausfindig machen zu können. 

Auf unsere Nachfrage teilte die Wiener Polizei mit, es sei kein derartiger Vorfall aufgenommen worden. Ein Sprecher der Landespolizeidirektion Wien schrieb uns auf Anfrage: „Vorausgesetzt die angegebenen Daten stimmen (anzunehmender 14.02.2020 in Wien 22, Kagran), können wir mitteilen, dass kein derartiger Vorfall gemäß interner Berichtspflicht eingemeldet wurde. Fest steht, dass bei der unmittelbar bei der U1-Station Kagran befindlichen Polizeiinspektion kein derartiger Vorfall aufliegt oder aufgenommen wurde.“

Eine E-Mail der Polizeidirektion Wien. (Screenshot: CORRECTIV)
E-Mail der Polizeidirektion Wien. (Screenshot: CORRECTIV)

Wir haben in einer Nachfrage noch um eine Einschätzung zu weiteren Details des Artikels gebeten, etwa zu angeblichen Verletzung des Jungen oder darum, dass am selben Tag eine Frau in Wien-Donaustadt telefonisch eine sexuelle Belästigung durch fünf Männer gemeldet habe. Der Sprecher der Polizeidirektion dazu: „Wie bereits unten erklärt, es liegt keine Meldung auf. Somit können auch keine weiterführenden Fragen beantwortet werden.“ 

Update, 27. Februar 2020:

Die ursprüngliche Bewertung dieses Faktenchecks, auf Grundlage der Aussage der Wiener Polizei an uns, lautete „völlig falsch“. Wir sahen keine Belege, dass es den geschilderten Vorfall gab. Nach der Veröffentlichung erhielten wir jedoch weitere Informationen von Unzensuriert und änderten die Bewertung zu „teilweise falsch“.

Unzensuriert schickte uns Fotos eines angeblichen Patientenbriefs des Krankenhaus Nord vom 14. Februar und eines Amtsvermerks der Wiener Polizei zu. Daraus geht hervor, dass tatsächlich am 14. Februar eine Anzeige wegen Körperverletzung nach einem Vorfall in der Wiener U-Bahn gestellt wurde.

Wir fragten beim Krankenhaus Nord nach und bekamen die Antwort, dass man aus Datenschutzgründen keine Details mitteilen könne, der Brief aber „nicht unecht“ aussehe. Das Geburtsdatum und den Namen des Patienten hat Unzensuriert auf dem Foto unkenntlich gemacht. Aus dem Geburtsjahr geht jedoch hervor, dass das Opfer ein erwachsener Mann ist (1989 geboren).

Wir schickten außerdem der Polizei das Aktenzeichen und bekamen die Antwort, dass wegen schwerer Körperverletzung ermittelt werde. Wir fragen, ob die Schilderung von Unzensuriert korrekt sei, insbesondere in Bezug auf die sexuelle Belästigung. Eine Polizeisprecherin, Irina Steirer, antwortete uns per E-Mail: „Laut Angaben des Opfers ist es zu einer Rangelei gekommen. Einer der unbekannten Täter hat den jungen Mann ins Gesicht geschlagen und seine Mutter und seinen Neffen bespuckt. Ein weiterer Täter hat ihn aufgefordert, den U-Bahn-Zug zu verlassen. Als er dieser Aufforderung nicht nachgekommen war, ist der Täter wieder in den U-Bahn-Zug eingestiegen und hat mehrmals auf das Opfer eingeschlagen. Zwei Personen, die den  Vorfall beobachtet haben, sind in weiterer Folge dazwischen gegangen.“ Das Opfer sei 31 Jahre alt. Die mutmaßlichen Täter seien Teil einer Gruppe von acht bis neun Jugendlichen gewesen. Zu einer sexuellen Belästigung der Mutter habe das Opfer bei der Vernehmung nichts angegeben.

Die Angaben im Artikel von Unzensuriert zum Opfer und dem Ablauf des Vorfalls weichen also weiterhin von dem ab, was durch den Patientenbrief und die Anzeige bei der Polizei belegt ist.