Coronavirus: Ja, in Leipzig galt kurzzeitig, dass man sich nur fünf Kilometer von der Wohnung entfernen darf
Eine Frau behauptet, sie wäre beim Inlineskaten in Leipzig von der Polizei angehalten worden, weil sie sich zu weit von ihrer Wohnung entfernt hätte. Das verstoße angeblich gegen die Ausgangsbeschränkungen zur Bekämpfung des Coronavirus. Eine solche Regel gab es tatsächlich – aber nur einen Tag lang.
Am 25. März erreichte uns eine E-Mail von einer Leipzigerin: Sie leitete CORRECTIV den Text einer Nachricht weiter, die eine Frau in der Messenger-App Telegram in den Gruppenchat ihres Wohnortes geschickt habe. Die Frau stamme aus dem westlich gelegenen Stadtteil Lindenau. Sie behauptet, sie sei an einem See im Süden der Stadt (Cospudener See) von der Polizei kontrolliert worden und habe die Information bekommen, sie erhalte „einen Brief von der Staatsanwaltschaft”, weil sie sich nicht mehr im Umfeld ihrer Wohnung aufhalte. Dieses Umfeld sei als ein Radius von fünf Kilometern definiert.
Der Inhalt der Nachricht ist nach CORRECTIV-Recherchen korrekt. Allerdings galt die Fünf-Kilometer-Regelung nur für einen Tag.
In einer Bekanntmachung des Sozialministeriums Sachsen vom 22. März wurde zur Bekämpfung des Coronavirus eine Ausgangsbeschränkung für das Bundesland verhängt. „Sport und Bewegung an der frischen Luft im Umfeld des Wohnbereichs” wurden darin explizit erlaubt. Für die räumliche Beschränkung des „Umfelds” wurde jedoch kein exakter Radius angegeben.
Auf einer Webseite des Freistaates Sachsen zum Coronavirus, die häufig gestellte Fragen zu den Ausgangsbeschränkungen beantwortet, heißt es noch einmal, dass es „keine klare Definition” gebe, bis wohin genau der Umfeld des Wohnbereichs geht.
Dienstanweisung der Polizei Leipzig legte Radius von fünf Kilometern fest, wurde aber nach einem Tag zurückgezogen
Dass der Frau, die die Telegram-Nachricht verschickt hat, trotzdem juristische Konsequenzen angekündigt wurden, lag an einer internen Verfügung der Polizei Leipzig. Polizeisprecher Olaf Hoppe erklärte auf Anfrage von CORRECTIV, es habe eine Handlungsorientierung für Einsatzkräfte gegeben, die Sicherheit schaffen sollte, aber „nur Verwirrung” ausgelöst habe.
Laut einer Pressemitteilung vom 26. März hat der Leiter der Leipziger Polizeidirektion am 24. März um 16.41 Uhr eine Handlungsanleitung für die Polizisten zur Verfügung gestellt. Darin heißt es, dass „kein zu hoher Maßstab” an das Kriterium des Umfelds angelegt werden solle und ein Radius von fünf Kilometern um die Wohnadresse „angemessen” erscheine. Schon am nächsten Tag, am Abend des 25. März, sei die Anweisung zurückgenommen worden, weil sie sich als „unzweckmäßig” herausgestellt habe.
Am Cospudener See, an dem die Verfasserin der Telegram-Nachricht nach eigener Aussage angehalten wurde, wurden laut der Pressemitteilung an diesem Tag zwischen 12 und 15 Uhr 189 Kontrollen durchgeführt und 31 Verstöße gegen die Allgemeinverfügung registriert. Da die Handlungsanweisung jedoch zurückgenommen wurde, würden die Anzeigen nun „nicht als Straftaten, sondern als Prüffälle an die zuständige Staatsanwaltschaft übergeben“.
Auch Sachsens Innenminister Roland Wöller betonte bei der Landespressekonferenz am 26. März noch einmal: „Die fünf Kilometer gibt es nicht.” Er appellierte an den „gesunden Menschenverstand“ und erklärte, das Wohnumfeld werde „mit Augenmaß” kontrolliert. (ab Minute 24:10)
Fazit: Die Fünf-Kilometer-Regel gibt es nicht mehr. Die Dienstanweisung der Polizei Leipzig wurde nach einem Tag wieder zurückgezogen. Es gibt weiterhin keine genaue Definition, was zum Umfeld des Wohnbereichs zählt und was nicht.