Nein, Aussagen zu Erntehelfern belegen nicht, dass Asylbewerber mehr Geld bekommen als Rentner
In einem Whatsapp-Kettenbrief wird behauptet, eine Aussage der Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner im ZDF zu Erntehelfern beweise, dass Asylbewerber mehr als 1.100 Euro im Monat hätten. Rentner hätten dagegen nur 600 Euro. Diese Schlussfolgerungen sind falsch.
In einem Whatsapp-Kettenbrief wird behauptet, eine Aussage von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) entlarve, dass Asylbewerber mehr Geld zur Verfügung hätten als Rentner.
Konkret steht in der Nachricht, die uns von mehreren Lesern zur Überprüfung eingereicht wurde: „Im ZDF kam grad ein Bericht mit der Landwirtschaftsministerin! Es ging um Erntehelfer und jetzt bitte setzen! Rentner und Geringverdiener können sich ja was dazu verdienen!!!!!! Auf die Frage ob man nicht Asylanten nehmen kann kam als Antwort:für Asylanten ist der Dazuverdienst unattraktiv, weil es dann abgezogen wird! Also hat Sie offiziell zugegeben, dass die Asylanten mehr wie 1100 Euro im Monat haben und unsere Rentner ca 600 Euro! Bitte Teilen“. Der identische Text verbreitet sich auch auf Facebook (mehr als 1.400 Mal geteilt).
Diese Schlussfolgerungen sind falsch. Wir haben sie geprüft.
Tatsächlich trat Klöckner am 1. April im ARD-Morgenmagazin auf und sprach über fehlende Erntehelfer durch die Corona-Maßnahmen und mögliche Abhilfen. Darüber berichtete auch das ZDF. Die Zuverdienstgrenzen sollen laut der Ministerin unter anderem für Kurzarbeiter und Rentner angehoben werden (ab Minute 01:32), damit die Arbeiter als Erntehelfer für sie attraktiver wird.
Auf die Frage der Moderatorin (ab 03:19), ob auch Asylbewerber für die Ernte eingesetzt werden könnten, antwortete Klöckner, es gebe viele Asylbewerber, mit oder ohne Arbeitserlaubnis. „Bei denjenigen, die eine Arbeitserlaubnis haben, ist natürlich die Zuverdienstgrenze sehr unattraktiv, was dann abgezogen wird, und hier müssen wir ran […]“.
Klöckner sagte also nicht, dass Asylbewerber mehr Geld zur Verfügung hätten, sondern, dass für sie aktuell niedrige Zuverdienstgrenzen gelten. Außerdem nannte sie in dem Interview keine konkreten Zahlen, anders als in dem Whatsapp-Brief suggeriert wird.
Bundeslandwirtschaftsministerium: Aussagen im Whatsapp-Kettenbrief sind falsch
Auf eine Presseanfrage von CORRECTIV schrieb das Bundeslandwirtschaftsministerium per E-Mail: „Die in der besagten Nachricht gemachten Behauptungen in Bezug auf Aussagen von Bundesministerin Klöckner sind falsch und entbehren jeglicher Grundlage.“
Richtig sei, dass die Ministerin in dem Interview über mehrere Maßnahmen berichtet habe. So würden Einkommen aus einer Nebenbeschäftigung übergangsweise bis Ende Oktober 2020 nicht auf das Kurzarbeitergeld angerechnet. Und zwar bis zur Höhe des Nettolohns aus dem eigentlichen Beschäftigungsverhältnis.
Die Hinzuverdienstgrenze bei Vorruheständlern in der gesetzlichen Rentenversicherung würde deutlich angehoben (auf 44.590 statt 6.300 Euro) und in der Alterssicherung der Landwirte vollständig aufgehoben.
Weiter schreibt das Ministerium: „In keinem unmittelbaren Zusammenhang dazu steht die Antwort der Bundesministerin auf eine spätere Nachfrage der Moderatorin zum Einsatz von Asylbewerbern in der Landwirtschaft. Dort merkte sie an, dass für jene Asylbewerber, die eine Arbeitserlaubnis haben, die Hinzuverdienstgrenze unattraktiv sei. Ein unmittelbarer Bezug zwischen Rentnern und Asylbewerbern wurde in diesem Interview also zu keiner Zeit hergestellt, auch gab es nie eine Aussage zu den in der Nachricht konkret genannten Summen.“
Wie viel dürfen Rentner und Asylbewerber dazuverdienen?
In Deutschland können Rentner sich nach Erreichen der Regelaltersgrenze etwas hinzuverdienen, ohne dass Ihnen die Rente gekürzt wird. Je nach Geburtsjahr liegt diese Grenze zwischen 65 und 67 Jahren.
Anders ist das bei Menschen im Vorruhestand und Renten wegen Erwerbsminderung. Diese Personen dürfen nur 6.300 Euro jährlich brutto hinzuverdienen, ohne dass der Betrag auf ihre Rente angerechnet wird. Das sind 525 Euro monatlich. Diese Grenze ist für das Jahr 2020 nun deutlich angehoben worden, auf 44.590 Euro jährlich.
Für Asylbewerber gibt es bisher keine Erhöhung der Zuverdienstgrenze im Rahmen der Corona-Maßnahmen. Aus den Aussagen von Klöckner im Morgenmagazin lässt sich schließen, dass sie sich jedoch dafür einsetzen will.
Regulär können Asylbewerber, sofern sie eine Arbeitserlaubnis besitzen, laut dem Asylbewerberleistungsgesetz Einnahmen aus Erwerbstätigkeit höchstens bis zur Höhe von 50 Prozent des ihnen zustehenden Regelbedarfs anrechnungsfrei behalten (§7 Absatz 3). Der Regelbedarf liegt aktuell für einen alleinstehenden Menschen in einer Wohnung bei 344 Euro. Dazuverdienen dürfte er sich also höchstens 172 Euro im Monat.
Das ist deutlich weniger als die 525 Euro, die Vorruheständler schon vor den neuen Maßnahmen pro Monat anrechnungsfrei behalten durften. Durch die Anhebung der Zuverdienstgrenze dürfen Vorruheständler im Jahr 2020 nun sogar knapp 3.715 Euro im Monat ohne Anrechnung behalten.
Falsche Behauptungen und aus dem Kontext gerissene Vergleiche zwischen Leistungen für Asylbewerber und Rentner oder Angestellte sind nicht neu. Wir haben in der Vergangenheit bereits ähnliche Behauptungen geprüft.