Randalierende Geflüchtete in NRW? Altes Video von 2017 wird wieder auf Facebook verbreitet
Auf Facebook wird aktuell ein altes Video tausendfach geteilt. Es ist ein Beitrag von Sat1 über Geflüchtete, die 2017 eine Unterkunft in Rees in Nordrhein-Westfalen zerstört haben. Die Verbreiter suggerieren fälschlich, dass es sich um einen aktuellen Vorfall handelt.
Am 15. Juni 2020 veröffentlichte ein Nutzer auf Facebook ein Video und schrieb dazu: „Einfach unglaublich was hier abgeht. Schaut selbst…“ Der TV-Beitrag stammt vom Sender Sat1 und handelt von acht jungen Männern. Diese hätten in einer Unterkunft für Geflüchtete in Rees-Haldern, in Nordrhein-Westfalen, randaliert und Fenster mit Eisenstangen eingeschlagen. Ein Grund könne der schlechte Handy- und Wlan-Empfang gewesen sein, mutmaßt ein Polizist in dem Beitrag. Ein Polizist sei verletzt worden, die Männer seien jedoch wieder auf freiem Fuß.
Das Video wurde auf Facebook innerhalb von einer Woche fast 13.000 Mal geteilt. Es fehlt jedoch sämtlicher Kontext. Denn der Bericht ist schon mehr als drei Jahre alt.
Medienberichte: Acht Geflüchtete randalierten mutmaßlich aufgrund der Bedingungen in der Unterkunft
Ein Medienbericht über diesen Fall von der Rheinischen Post stammt vom 6. März 2017. Darin steht, die Unterkunft liege weit abgelegen in einem Funkloch. Sie sei erst kurz zuvor eröffnet worden. So steht es auch in einem Bericht der Neuen Ruhr Zeitung vom 5. März 2017: Den Geflüchteten habe die Abgeschiedenheit nicht gefallen. „Wohl auch vor dem Hintergrund und der Sorge, dass sie bei laufenden Asylverfahren nicht auffindbar seien und wichtige Post sie nicht erreichen könne, zudem der Kontakt zur Familie fehle.“ Eine Gruppe habe dann Alkohol gekauft und anschließend in der Unterkunft randaliert.
Die Pressemitteilung der Polizei und eine Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP im Landtag Nordrhein-Westfalen zu dem Fall bestätigen diese Angaben. Demnach passierte der Vorfall am 4. März 2017. In der Antwort auf die Kleine Anfrage steht: „Gegen die Tatverdächtigen wurden Strafanzeigen wegen Schweren Landfriedensbruchs gefertigt, gegen einen Tatverdächtigen zudem wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte (Verletzung des Beamten der Bundespolizei).“ Haftgründe hätten jedoch nicht vorgelegen.
Verfahren gegen die meisten Männer wurde eingestellt, ein Strafbefehl wurde erlassen
Auf Anfrage von CORRECTIV teilte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Kleve, Günter Neifer, am Telefon mit, das Verfahren gegen die meisten der Männer sei eingestellt worden. Den Vorwurf des Landfriedensbruchs habe man fallen gelassen, denn dieser hätte eine Verabredung von mehr Personen zu Straftaten vorausgesetzt. In Bezug auf die einzelnen Taten der Männer habe dann bei mehreren kein hinreichender Tatverdacht bestanden. Einer der Männer sei nach Dänemark abgeschoben worden, bei einem weiteren sei der Aufenthalt unbekannt. Gegen einen der Männer wurde jedoch im Mai 2019 ein Strafbefehl des Amtsgerichts Emmerich wegen Körperverletzung und Widerstands erlassen, so Neifer weiter. Dieser beinhalte 20 Tagessätze und sei rechtskräftig.
In dem Facebook-Beitrag fehlt also sämtlicher Kontext. Es wirkt, als sei der Vorfall erst kürzlich geschehen. In den Kommentaren empören sich unzählige Nutzer mit beleidigenden Sätzen wie „Raus mit dem Pack und keine weiteren hierher holen“, „Abschaum“, oder „Nehmt denen das Handy weg, dann können sie mit einer Buschtrommel nach Hause trommeln“.