Covid-19: Blog verbreitet falsche Behauptungen über Infektionszahlen, Todesfälle und Masken in den USA
Angeblich gefälschte Todes- und Infektionszahlen, Handlungsanweisungen zum Tragen von Masken und die Übertragbarkeit von Covid-19 über Oberflächen: In einem Blog-Artikel werden zahlreiche Behauptungen über Äußerungen von US-Experten aufgestellt, die falsch sind oder in falschem Kontext wiedergegeben werden.
„Die Katze ist aus dem Sack – das Virus war ein Schwindel“ – mit diesen Worten ist ein Artikel des Blogs Liebe isst Leben vom 19. Juni überschrieben. Im Text werden zahlreiche Behauptungen rund um die Corona-Pandemie und Aussagen der Behörden in den USA aufgestellt.
Unser Faktencheck zeigt: Sie sind größtenteils falsch oder Zitate wurden irreführend aus dem Kontext gerissen. Auch sind die aufgeführten Informationen kein Nachweis dafür, dass das Coronavirus ein „Schwindel“ wäre. Der Artikel wurde laut dem Analyse-Tool Crowdtangle bislang mehr als 10.700 Mal geteilt.
Behauptung 1: Die US-Gesundheitsbehörde CDC habe zugegeben, dass die Menge der Infizierten viel geringer sei als die ursprünglich gemeldete
Im Blog-Artikel wird behauptet, das Centers for Disease Control and Prevention (CDC), eine Behörde des US-amerikanischen Gesundheitsministeriums, habe zugegeben, dass sie „die Covid-19-Infektionszählungen vermasselt und die Öffentlichkeit absichtlich in die Irre geführt“ habe. Das CDC habe klargestellt, dass die Menge der wirklich Infizierten viel geringer sei als die ursprünglich gemeldete Zahl. Der Direktor des Harvard Global Health Institute habe dazu angeblich gesagt: „Wie konnte die CDC diesen Fehler machen? Das ist ein Chaos“.
Im Blog-Artikel werden keinerlei Belege für diese Behauptungen geliefert.
Der Direktor des Harvard Global Health Institute, Ashish Jha, hat gegenüber der US-amerikanischen Zeitschrift The Atlantic laut einem Artikel vom 21. Mai zwar tatsächlich die Sätze geäußert: „Wie konnte das CDC diesen Fehler machen? Das ist ein Chaos.“ Der Kontext ist jedoch ein anderer als im Blog-Artikel behauptet.
Ende Mai wurde laut The Atlantic bekannt, dass das CDC die Ergebnisse von Coronavirus-Tests – also Tests, ob jemand mit Covid-19 infiziert ist – mit Antikörpertests – also solchen, die prüfen, ob jemand jemals mit dem Coronavirus infiziert war – zusammen zählte. Dafür gab es Kritik, weil die Vermischung ein ungenaues Bild vom aktuellen Stand der Verbreitung des Coronavirus vermittele. Denn: Coronavirus-Tests würden aktuelle Infektionen anzeigen und Antikörpertests vergangene Infektionen.
Das CDC selbst erklärt auf seiner Webseite zur Vorgehensweise bei der Datenerfassung, dass die Fall- und Todeszählung seit dem 14. April sowohl bestätigte als auch wahrscheinliche Fälle umfasse. Ein bestätigter Fall oder Tod liege demnach vor, wenn es ein bestätigtes Laborergebnis für Covid-19 gebe. Ein wahrscheinlicher Fall oder Tod liege bereits dann vor, wenn medizinische Kriterien darauf hinweisen, auch ohne Laborbestätigung. Ob Antikörpertests als bestätigte Laborergebnisse für Covid-19 dazuzählen, ist nicht ersichtlich.
Das CDC berichtet nach eigenen Angaben täglich online über die Anzahl der Covid-19-Fälle, der Todesfälle und der durchgeführten Tests. Dabei wird die serologische Antikörper-Untersuchung in einem getrennten Bereich aufgeführt. Wir fanden bei der Recherche keine Belege, dass das CDC zugegeben hat, die Öffentlichkeit in die Irre geführt zu haben. CORRECTIV hat bei der CDC nachgefragt, doch bis zur Veröffentlichung des Artikels keine Rückmeldung erhalten.
Fazit: Teilweise falsch. Das CDC hat nicht zugegeben, generell viel zu hohe Infektionszahlen in den USA zu melden. Sämtlicher Kontext wird in dem Blog-Artikel weggelassen, so dass ein falscher Eindruck entsteht. Es ging jedoch darum, dass – zumindest bis Mitte Mai – aktuelle mit vergangenen Coronavirus-Infektionen gemeinsam gezählt wurden. Es gibt keine Hinweise darauf, dass das CDC die Öffentlichkeit damit absichtlich in die Irre geführt hätte.
Behauptung 2: Der Coronavirus-Krisenstab des Weißen Hauses habe zugegeben, nationale Covid-19-Todeszahlen zu fälschen
Im Artikel wird behauptet, der Coronavirus-Krisenstab des Weißen Hauses habe zugegeben, nationale Covid-19-Todeszahlen zu fälschen. Deborah Birx, Ärztin und Koordinatorin des Krisenstabs, habe gesagt, dass es sich bei den Todesfällen um Menschen handle, die mit und nicht an Covid-19 gestorben seien. Mögliche Belege für diese Behauptung werden im Blog-Artikel nicht geliefert.
In einer Pressekonferenz des Weißen Hauses am 7. April erklärte Birx, dass die US-Bundesregierung alle Menschen, die mit dem Coronavirus infiziert seien und sterben würden, als Covid-19-Todesfälle zählen werde.
Konkret antwortete sie auf die Frage eines Journalisten, über Sorgen, dass Todesfälle durch das Coronavirus falsch gemeldet würden: „Ich denke, wir haben in diesem Land einen sehr liberalen Ansatz in Bezug auf die Sterblichkeit gewählt.“ Einige Länder würden mit Covid-19 infizierte Patienten nicht als Covid-19-Tote zählen, wenn sie Vorerkrankungen hätten und zum Beispiel Herz- oder Nierenprobleme aufträten. Die US-Regierung zähle es jedoch, „wenn jemand mit Covid-19 stirbt, als einen Covid-19-Tod“.“
Der Immunologe Anthony Fauci, Leiter des National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) und ebenfalls Teil des Coronavirus-Krisenstabs, ergänzte: „Nein, ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand mit Coronavirus auf einer Intensivstation ankommt, eine Herzerkrankung hat und stirbt und es dann heißt ‚Todesursache: Herzinfarkt‘. […] Ich glaube also nicht, dass das zum Problem wird.
Folglich erklärte der Krisenstab des Weißen Hauses Anfang April, dass sowohl Menschen, die an Covid-19 sterben, als auch solche, die mit der Infektion versterben, als Corona-Todesfälle gezählt würden. Es gibt keine Belege dafür, dass die US-Bundesregierung im Zuge dessen zugegeben hätte, Todeszahlen gefälscht zu haben.
Den aktuellen Angaben der Gesundheitsbehörde CDC ist zu entnehmen, dass die Todesfälle anhand von Angaben auf Totenscheinen registriert werden. Gezählt werden Fälle, bei denen Covid-19 als Todesursache oder wahrscheinliche Todesursache auf dem Totenschein eingetragen wurde. Fälle von Lungenentzündung werden alle erfasst, aber es wird differenziert, ob zum Beispiel Influenza ausgeschlossen werden konnte.
Diese Ausdifferenzierung nimmt das CDC vor, weil Todesfälle aufgrund von Covid-19 in Ermangelung positiver Testergebnisse fälschlicherweise als Lungenentzündungs- oder Grippefälle klassifiziert werden können. Denn die Symptome könnten sich ähneln.
Fazit: Falsch. Der Krisenstab des Weißen Hauses hat nicht gesagt, dass er Corona-Todeszahlen gefälscht habe.
Behauptung 3: Anthony Fauci habe gesagt, Masken würden nicht gegen das Coronavirus helfen
Weiter wird in dem Blog-Artikel geschrieben, Anthony Fauci habe gesagt, dass Masken nicht gegen das Virus helfen würden. Auch hierfür finden sich im Artikel keinerlei Belege.
In einem Interview mit 60 Minutes, einem vom US-Fernsehsender CBS News ausgestrahlten Nachrichtenmagazin, sagte Fauci am 8. März: „Die Masken sind für jemanden, der infiziert ist, wichtig, um zu verhindern, dass er eine andere Person ansteckt.“ Für alle anderen gebe es aktuell keinen Grund, mit einer Maske herumzulaufen. Sie biete auch keinen perfekten Schutz. Wichtig sei vor allem, dass Menschen, die im Gesundheitssektor arbeiten, ausreichend Masken zur Verfügung hätten.
Mitte März riet auch die WHO noch vom Tragen einer Stoffmaske ab; dies sei nicht empfohlen. Allgemein könne das Tragen von Masken ein falsches Sicherheitsgefühl erzeugen und Menschen von anderen wichtigen Maßnahmen wie Handhygiene abbringen.
Seit Anfang April empfiehlt die US-Regierung das Tragen von Masken in der Öffentlichkeit
Seit dem 3. April empfahl das CDC – zusätzlich zu Kontaktbeschränkungen und Abstandhalten – dann das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes, wie in einer Pressekonferenz des Weißen Hauses verkündet wurde.
Der Blog-Artikel ist vom 19. Juni; damals hatte Anthony Fauci sich aber auch schon öffentlich für das Tragen von Masken ausgesprochen. So sagte er beispielsweise am 5. Juni dem Nachrichtensender CNBC, er habe keinen Zweifel daran, dass US-Amerikaner, die keine Gesichtsmaske tragen, vor allem in großen Menschenmengen, das Risiko der Verbreitung des Coronavirus erhöhen würden.
In einem Interview mit dem Lifestyle-Magazin InStyle am 15. Juli sagte Fauci, er bedaure nicht, dass er zu Beginn der Pandemie ebenfalls davon abgeraten habe, in der Öffentlichkeit Masken zu tragen, weil es im Kontext der Zeit, in der er es gesagt habe, richtig gewesen sei. Es habe einen Mangel an Masken für medizinisches Fachpersonal gegeben, deshalb habe sich der Krisenstab dazu entschieden, die Masken vor allem für den Gesundheitssektor bereitzustellen. „Als klar wurde, dass die Infektion durch asymptomatische Träger übertragen werden könnte, die nicht wissen, dass sie infiziert sind, war klar, dass wir Masken dringend empfehlen mussten.“ Auch sei klar geworden, dass auch Stoff- und andere selbstgemachte Masken hilfreich seien.
Fazit: Teilweise falsch. Fauci hat zu Beginn der Pandemie zwar davon abgeraten, Masken in der Öffentlichkeit zu tragen. Er hat jedoch nicht gesagt, das Tragen würde „nicht gegen das Coronavirus helfen“. Schon im März stellte er klar, dass Masken nicht den Träger schützen, sondern vor allem anderen Menschen.
Behauptung 4: Das CDC habe klargestellt, dass sich Covid-19 nicht auf Oberflächen ausbreite
Im Artikel wird behauptet, die CDC habe ihre ursprüngliche Behauptung zurückgezogen, „die die Gouverneure dazu veranlasste, ihre Staaten zu schließen“ und habe klargestellt, dass Covid-19 sich nicht leicht über Oberflächen ausbreite.
Dafür, dass sich Vertreter des CDC so geäußert hätten, fanden wir keine Belege. Stattdessen gibt es zahlreiche Warnhinweise auf der Webseite der Gesundheitsbehörde, dass sich das Coronavirus nicht nur in der Luft, sondern auch über Oberflächen übertragen könne. So steht beispielsweise in aktuellen Reisehinweisen zu Covid-19: „Flughäfen, Busbahnhöfe, Bahnhöfe und Raststätten sind alles Orte, an denen Reisende dem Virus in der Luft und auf Oberflächen ausgesetzt sein können.“
In einer Pressemitteilung des CDC vom 20. Mai heißt es, dass der primäre und wichtigste Übertragungsweg für Covid-19 der enge Kontakt von Mensch zu Mensch sei. Die Übertragung über Oberflächen sei aber durchaus möglich.
Und in den „Häufig gestellten Fragen“ zum Coronavirus heißt es: „Waschen Sie sich häufig die Hände, vermeiden Sie engen Kontakt, tragen Sie eine Maske, decken Sie Husten und Niesen ab und reinigen und desinfizieren Sie häufig berührte Oberflächen.“
Fazit: Falsch. Das CDC hat Angaben zur Übertragbarkeit des Coronavirus über Oberflächen nicht zurückgezogen.
Behauptung 5: Der New Yorker Gouverneur Andrew Cuomo habe bestätigt, dass 70 Prozent der Neuinfektionen zu Hause stattfinden würden
Darüber hinaus steht in dem Blog-Artikel, Andrew Cuomo, Gouverneur in New York, habe eine Studie bestätigt, wonach 70 Prozent der Neuinfektionen zu Hause geschehen würden, was die „Anordnung von Hausbesuchen zu einem der gefährlichsten Mandate macht, die es derzeit“ gebe. Die Behauptungen sind falsch.
In einer Pressekonferenz am 6. Mai sprach Andrew Cuomo, Gouverneur des Bundesstaats New York, über eine Datenauswertung von 100 New Yorker Krankenhäusern mit etwa 1.000 Covid-19 Patienten (ab Minute 11:15 im Video). Demnach seien die meisten, die in die Krankenhäuser eingeliefert würden, Menschen, die zu Hause lebten. Der Anteil liege bei 66 Prozent und sei viel höher als der der Menschen, die aus Pflegeheimen kamen, obdachlos oder im Gefängnis waren. Dass sich aber auch zu Hause infiziert haben, geht aus der Präsentation nicht hervor.
In diesem Zusammenhang äußerte Cuomo sich nicht zu Hausbesuchen. Im März riet er jedoch, wie Experten weltweit, davon ab, ältere Menschen zu Hause zu besuchen, da diese Menschen besonders gefährdet seien. Auch gibt es keine Belege dafür, dass es „Mandate für Hausbesuche” gegeben hätte oder Cuomo von diesen abgeraten hätte.
Fazit: Falsch. Cuomo sprach nicht von 70 Prozent Neuinfektionen, die zu Hause geschehen würden. Er sagte, 66 Prozent derer, die ins Krankenhaus mussten, hätten zu Hause gelebt. Er sagte in diesem Zusammenhang nichts über ein „Mandat von Hausbesuchen“.