Faktencheck

Gruppenvergewaltigung: Aussage eines Kriminalpsychologen im „WDR“ aus dem Zusammenhang gerissen

Ein „Herr vom WDR“ soll gesagt haben, dass eine Vergewaltigte in Freiburg nach der Tat nicht unbedingt ein schlechteres Leben führen müsse. Das impliziert ein Screenshot eines WDR-Beitrags, der auf Facebook kursiert. Die Aussage wurde so im WDR-Fernsehen getroffen – sie wird allerdings stark verkürzt und in falschem Kontext wiedergegeben.

von Kathrin Wesolowski

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Der Kommentar eines Psychologen im WDR zu einer Gruppenvergewaltigung kursiert mit falschem Kontext. (Screenshot: CORRECTIV)
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Teilweise falsch. Die Aussage wurde so im WDR getroffen – sie wird aber stark verkürzt und in falschem Kontext wiedergegeben.

„Sie wird dann später ein anderes Leben führen als sie ohne diese Vergewaltigung geführt hat, aber dieses Leben muss nicht unbedingt schlechter sein. Es ist einfach nur anders.“ Dieses angebliche Zitat steht unter einer Collage aus zwei einzelnen Screenshots mit dem WDR-Logo. Darauf ist ein Mann zu sehen, der offenbar in eine Kamera spricht. Die Collage kursiert auf Facebook und wurde dort bisher 1.400 Mal geteilt. Die Aussage soll laut Bildunterschrift ein „Herr vom WDR“ über ein „Opfer der Freiburger Massenvergewaltigung“ geäußert haben.

Diese Collage kursiert auf Facebook. Die Behauptungen dazu sind teilweise falsch. (Screenshot: CORRECTIV)

CORRECTIV hat die Behauptung überprüft. Die Aussage wurde so in einer WDR-Sendung getroffen. Sie wurde aber stark verkürzt und der Kontext ist falsch.

WDR bestätigt das Zitat

Auf unsere Anfrage per E-Mail bestätigte der WDR die Echtheit des Zitats. Es handelte sich um die Sendung Aktuelle Stunde vom 9. Juli 2019. Der Fernsehbeitrag liegt CORRECTIV vor. Die Aussage hatte der Kriminalpsychologe Christian Lüdke in der Sendung genau so getroffen, im Gespräch mit der Moderatorin Susanne Wieseler. Es ging dabei allerdings nicht um eine Massenvergewaltigung in Freiburg, sondern in Mülheim an der Ruhr am 5. Juli 2019. Dort vergewaltigten zwei Kinder und zwei Jugendliche eine damals 18-Jährige.

Ein Ausschnitt aus der E-Mail von der WDR-Pressestelle. (Screenshot: CORRECTIV)

Zwei der Täter waren zum Tatzeitpunkt zwölf Jahre alt und damit nicht strafmündig. Dem WDR zufolge habe der Schwerpunkt der Sendung darauf gelegen, ob Zwölfjährige gerichtlich bestraft werden sollten. 

Schon damals gab es einen Shitstorm gegen den WDR und den Psychologen Christian Lüdke

In den Sozialen Netzwerken erntete Lüdke laut WDR negative Kommentare auf seine Aussage. Seine Familie und er seien bedroht worden, heißt es in einem Beitrag des Account der Sendung „WDR Aktuelle Stunde“ am 12. Juli 2019 auf Twitter.

Christian Lüdke und seine Familie wurden wegen der Aussage bedroht. (Screenshot: CORRECTIV)

„Das Zitat wurde aus dem Zusammenhang gerissen“, schrieb uns der WDR per E-Mail und verwies dabei auf einen weiteren Twitter-Beitrag von „WDR Aktuelle Stunde“, in dem die gesamte Aussage von Lüdke zu lesen ist. 

In dem Beitrag steht: „Christian Lüdke sagte: ,(…) für sie wird vieles im Leben nicht mehr so sein, wie es vorher einmal war. Das grundlegende Sicherheitsgefühl ist massiv erschüttert. Das Vertrauen in die Menschen, in die Welt ist erschüttert. Es ist ganz wichtig, dass sie jetzt stabile Menschen in ihrem Umfeld hat, die Hoffnung und Zuversicht vermitteln. Sie wird dann später ein anderes Leben führen, als sie ohne diese Vergewaltigung geführt hat, aber dieses Leben muss nicht unbedingt schlechter sein, es ist einfach nur anders.‘“

Fazit: Die Aussage wird im Facebook-Beitrag stark verkürzt wiedergegeben. Außerdem steht sie in falschem Kontext: Es handelte sich um eine Vergewaltigung in Mülheim, in dem Bericht unter anderem auf die Auswirkungen auf die damals 18-Jährige nach Einschätzung eines Kriminalpsychologen.