Genua: Dieses Video zeigt keine „Corona-Demo“, sondern Proteste von Arbeitern eines Stahlwerks
Im Netz kursiert derzeit ein Video von Demonstranten, die vor einer Gruppe Polizisten stehen. Die Polizisten nehmen ihre Helme ab. Es wird behauptet, die Aufnahme zeige eine „Corona-Demo“ im italienischen Genua – doch das ist falsch.
Eine Gruppe Demonstranten, teilweise mit gelben Helmen, steht vor der Tür eines großen Gebäudes. Vor ihnen auf einer Treppe steht eine Gruppe Polizisten. Die Demonstranten beginnen zu rufen und zu klatschen, daraufhin nehmen die Polizisten ihre Helme ab. Ein Video dieser Szene verbreitet sich derzeit auch im deutschsprachigen Raum in den Sozialen Netzwerken.
Die österreichische Webseite Wochenblick berichtet am 17. November über das Video und behauptet, es zeige eine „Corona-Demo“ in Genua. Im Artikel heißt es: „Im italienischen Genua explodiert die Wut über den neuerlichen Lockdown der Regierung. Unter dem Motto ‘Italien ist frei!’ protestierten die Bürger achtzehn Tage lang. Dann nahmen die Polizisten aus Solidarität ihre Helme ab.“
Video stammt aus Genua, aber zeigt keine „Corona-Demo“
Damit wird für das Video ein falscher Kontext konstruiert. Wie CORRECTIV mit Hilfe der italienischen Faktenchecker von Pagella Politica recherchierte, zeigt das Video keine Corona-Demo und hat auch nichts mit der Pandemie zu tun. Es zeigt Arbeiter eines Stahlwerks in Genua, das früher von der Firma Ilva und heute von Arcelor Mittal betrieben wird. Mit den Protesten gegen Corona-Maßnahmen, die in Genua Medienberichten zufolge vor allem Ende Oktober stattfanden, hat das Video nichts zu tun.
Wochenblick bezieht sich als Quelle auf einen Tweet eines italienischen Twitter-Accounts namens „Radio Savana“. Auf dem Account wurde das Video gepostet und ebenfalls behauptet, die Polizisten würden sich mit Demonstranten und deren Protest gegen einen „Lockdown“ solidarisieren. Doch das stimmt nicht.
Stahlarbeiter protestierten gegen drei Entlassungen
Der korrekte Kontext ergibt sich aus Medienberichten aus Genua. In einem Bericht von Genova Today vom 11. November ist dieselbe Szene aus einer anderen Perspektive zu sehen. Das Video zeigt, dass die Polizisten die Tür eines Gebäudes mit der Aufschrift „Palazzo del Governo“ bewachen. Eine Google-Suche ergibt: Es handelt sich um das Regierungsgebäude (Präfektur), die Vertretung der Zentralregierung in Genua.
Genova Today schreibt, die Stahlarbeiter protestierten gegen die Entlassung von drei Arbeitern. Die Polizisten hätten als Zeichen der Entspannung und Solidarität die Helme abgenommen.
Eine weitere Nachrichtenseite aus Genua, Il Secolo XIX, berichtete am selben Tag über den Protest. In dem Artikel ist die Vorgeschichte ausführlich erklärt: Arcelor Mittal habe 250 Arbeiter ohne Lohn suspendiert, weil die Arbeit im Werk aufgrund der Proteste gegen die drei Entlassungen laut dem Konzern nicht fortgesetzt werden konnte.
Die Arbeiter organisierten daraufhin einen Demonstrationszug durch die Stadt zum Regierungsgebäude. Der Konflikt sei durch das Treffen in der Präfektur geschlichtet worden, berichtet Il Secolo XIX. Arcelor Mittal habe die Suspendierungen aufgehoben, die Streiks und Blockaden endeten. Einer der drei entlassenen Arbeiter sei vom Konzern wieder aufgenommen worden. Der Hintergrund seiner Entlassung sei eine Beleidigung des Direktors in einer Whatsapp-Sprachnachricht gewesen.
In dem Video von Genova Today sind rote Flaggen zu sehen, die denen der italienischen Gewerkschaft CGIL stark ähneln. Deshalb recherchierten wir auch auf der Webseite der Gewerkschaft: Dort findet sich eine Mitteilung vom 12. November, in der über die zurückgezogenen Suspendierungen der Arbeiter durch Arcelor Mittal berichtet wird. Dies wird als Sieg des Engagements der Gewerkschaft bezeichnet.
Redigatur: Uschi Jonas, Sarah Thust
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:
- Artikel von Genova Today, 11. November: Link (Italienisch)
- Artikel von Il Secolo XIX, 11. November: Link (Italienisch)
- Pressemitteilung der Gewerkschaft CGIL: Link (Italienisch)