Faktencheck

Nein, die US-Armee hat keine Razzia in Frankfurt durchgeführt

Seit Wochen kursiert in den USA das Gerücht, Spezialeinheiten der US-Armee hätten bei einer Razzia in Frankfurt am Main Server beschlagnahmt. Darauf seien demnach Beweise für eine angebliche Wahlmanipulation bei der Präsidentschaftswahl zu finden. Nun wird die Geschichte auch in Deutschland verbreitet – sie ist jedoch frei erfunden. 

von Alice Echtermann

Symbolbild US-Armee
Seit der US-Wahl werden gezielt Gerüchte über angeblichen Wahlbetrug gestreut. (Symbolbild: Justin Cron / Unsplash)
Behauptung
Die US-Armee habe eine Razzia in Frankfurt am Main durchgeführt und Server beschlagnahmt, weil darauf Beweise für Wahlmanipulation zu finden gewesen seien. 
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Frei erfunden
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Frei erfunden. Eine solche Razzia hat es nicht gegeben. 

Soldaten der US-Armee führen angeblich eine Razzia mitten in Deutschland durch; sie beschlagnahmen Server und liefern sich einen Schusswechsel mit ihren Gegnern, bei dem mehrere Soldaten ums Leben kommen: Diese Geschichte, die wie eine Szene aus einem Action-Film klingt, verbreitet sich derzeit in verschiedenen Versionen in Sozialen Netzwerken und auf Blogs in den USA und Deutschland. Sie ist nach Recherchen von CORRECTIV frei erfunden. Die US-Armee, die Polizei in Frankfurt und das Unternehmen, dem die Server angeblich gehören sollen, bestreiten, dass ein solches Ereignis stattgefunden hat. 

Am 29. November veröffentlichte die Seite Deutsche Wirtschafts-Nachrichten einen Artikel mit dem Titel: „Bericht: US-Armee führte Razzia bei CIA in Frankfurt wegen ‘US-Wahlmanipulation’ durch“. Er wurde laut dem Analysetool Crowdtangle bisher mehr als 2.200 Mal auf Facebook geteilt. Auch der AfD-Kreisverband Landkreis Leipzig teilte die Behauptung, es seien bei der angeblichen Razzia fünf Soldaten gestorben, am 30. November auf Facebook

Pensionierter US-General behauptet, geheime Informationen über Operation in Frankfurt zu haben

Als Quelle berufen sich die Behauptungen auf einen pensionierten „Drei-Sterne“-General namens Thomas McInerney, der von der Operation berichtet habe. Im Artikel ist ein Youtube-Video verlinkt, das am 29. November veröffentlicht wurde. Es enthält einen Ausschnitt einer Sendung des „WVW Broadcast Network“, in dem ein Telefongespräch zu hören ist. Nach Angaben im Video ist der Mann am anderen Ende der Leitung McInerney. Er deutet an, geheime Informationen zu haben. Ab Minute 1:27 spricht er über die angebliche Beschlagnahmung der Server-Farm in „Frankfurt, Germany“ und eine „CIA-Operation“.

Thomas McInerney ist heute 83 Jahre alt. Er trat früher als Kommentator bei Fox News auf, bis er 2018 den ehemaligen US-Senator John McCain „Songbird John“ nannte und ihm damit unterstellte, als Gefangener im Vietnamkrieg bereitwillig Informationen ausgeplaudert zu haben. McInerney entschuldigte sich laut Medienberichten später dafür. 

Und noch ein weiterer pensionierter General soll in den angeblichen Vorfall in Frankfurt verwickelt gewesen sein: Auf Twitter wurde am 28. November verbreitet, die Operation sei von General Michael Flynn persönlich geführt oder angeordnet worden. Flynn war kurze Zeit unter Trump als Nationaler Sicherheitsberater im Weißen Haus tätig. Er hat Medienberichten zufolge zugegeben, bezüglich einer möglichen russischen Einflussnahme auf die US-Wahl 2016 gelogen zu haben. Er habe sich schuldig bekannt, das Geständnis später aber zurückgezogen. Flynn wurde erst kürzlich von Donald Trump begnadigt. 

Das Gerücht über die erfundene Razzia kursierte zuerst in den USA

Das Gerücht über die Server-Farm in Frankfurt ist bereits mehrere Wochen alt. Es wurde zum Beispiel am 19. November auf dem US-Blog Gateway Pundit verbreitet. In dieser Version gehörten die Server jedoch nicht der CIA, sondern Scytl, einem spanischen Software-Unternehmen, das elektronische Abstimmungssysteme und Wahltechnologien anbietet. Scytl habe angeblich Daten für die Wahlsoftware Dominion auf Servern in Frankfurt gehostet. 

Es handelt sich bei diesem Gerücht um Desinformation. Englischsprachige Faktenchecker wie AP News (15. November), Reuters (16. November) und Factcheck.org (19. November) haben es bereits widerlegt. 

Ein Sprecher der US-Armee teilte CORRECTIV auf Nachfrage per E-Mail mit: „Diese Vorwürfe sind falsch.“ 

Polizei in Frankfurt hat keine Kenntnis von einer Razzia mit Schießerei

Auch das Polizeipräsidium in Frankfurt am Main hat nach eigenen Angaben keine Kenntnis von einer Razzia oder anderen Aktionen der US-Armee in der Stadt. „Die von Ihnen genannten Vorfälle können von hiesiger Seite nicht bestätigt werden“, schrieb eine Sprecherin per E-Mail. 

Die Faktenchecker von AFP zitieren zudem einen Sprecher des Bundesjustizministeriums mit den Worten, „strafprozessuale Zwangsmaßnahmen“ dürften in Deutschland nur durch deutsche Beamte durchgeführt werden, nicht durch ausländische Ermittler.

Wahlsoftware-Hersteller Scytl und Dominion dementieren

Auch Scytl und der kanadische Hersteller von Dominion Voting Systems dementieren die Behauptungen. Scytl hatte bereits am 13. November in einer öffentlichen Stellungnahme betont, die Behauptungen seien falsch: Man habe gar keinen Standort mit Servern in Frankfurt am Main, und auch anderswo seien keine Server der Firma beschlagnahmt worden. Scytl habe zudem keine Wahlmaschinen in den USA zur Verfügung gestellt oder Stimmen bei der US-Wahl gezählt. 

Die Firma Dominion, deren Software tatsächlich in vielen US-Bundesstaaten eingesetzt wurde, bestreitet ebenfalls „kategorisch“ alle Behauptungen über angebliche Unregelmäßigkeiten. Zudem habe das Unternehmen keine Geschäftsbeziehungen zu Scytl. 

Für die Behauptung, es habe bei der Präsidentschaftswahl in den USA Wahlbetrug zugunsten der Demokraten und Joe Biden gegeben, gibt es keine Belege. Der unterlegene Donald Trump und seine Anhänger streuen diese Spekulationen seit Wochen. CORRECTIV und andere Faktenchecker haben bereits zahlreiche Falschinformationen diesbezüglich widerlegt. Behörden haben Medienberichten zufolge (hier und hier) keine Hinweise, dass die Vorwürfe, das Wahlergebnis sei irgendwie manipuliert worden, begründet sein könnten. 

Redigatur: Uschi Jonas, Till Eckert

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Faktenchecks von AP News, 15. November (Link), Reuters, 16. November (Link) und Factcheck.org, 19. November (Link)
  • Stellungnahme von Scytl, 13. November (Link)
  • Stellungnahme von Dominion Voting Systems (Link)