Vorteile für Menschen, die sich gegen Covid-19 impfen lassen? Niederländischer Gesundheitsminister spricht von Missverständnis
Eine Aussage des niederländischen Gesundheitsministers Hugo de Jonge wird als „Impfpflicht“ gegen Covid-19 interpretiert. Er sagte, bestimmte Maßnahmen könnten für ungeimpfte Menschen „für längere Zeit“ gelten, und Geimpften könnte „mehr erlaubt“ werden. De Jonge betonte anschließend, es handele sich um ein Missverständnis. Sein Ministerium teilt mit, es gebe keine Pläne dieser Art.
Ein Blogartikel vom 19. November trägt die irreführende Überschrift: „Niederlande: Nur wer geimpft ist darf sich wieder frei bewegen!“ Damit entsteht der Eindruck, es gäbe einen entsprechenden Entschluss. Das ist jedoch nicht der Fall, wie CORRECTIV mit Hilfe der niederländischen Faktenchecker NieuwsCheckers recherchierte.
Der Artikel wurde laut dem Analysetool Crowdtangle mehr als 2.500 Mal auf Facebook geteilt. Er bezieht sich auf eine Aussage des niederländischen Gesundheitsministers Hugo de Jonge. Dieser habe gesagt, dass Menschen, die einen Corona-Impfstoff nehmen, schon bald „Vorteile gegenüber Ungeimpften“ haben könnten, schreibt der Autor.
Als Beleg folgt ein wörtliches Zitat: „Man muss es so sehen, dass bestimmte Maßnahmen für Menschen ohne Impfung wahrscheinlich für längere Zeit gelten werden. Oder dass bestimmten Risikogruppen tatsächlich mehr erlaubt werden kann, weil sie bereits geimpft worden sind.“ Dies komme laut Kritikern einer Impfpflicht oder der Einführung „Menschen zweiter Klasse“ gleich, heißt es in dem Blog weiter.
Das Zitat stammt von Hugo de Jonge
Das Zitat findet sich so auch in niederländischen Medienberichten. Die Tageszeitung AD, die auch in dem Blog genannt wird, zitierte de Jonge am 10. November mit den Worten: „Man muss sehen, dass bestimmte Maßnahmen für Menschen ohne Impfung wahrscheinlich länger dauern werden. Ob bestimmten Risikogruppen mehr erlaubt sein wird, weil sie bereits geimpft wurden. Aber wir werden das alles wirklich ausarbeiten, das steht noch aus.“ (Übersetzt mit DeepL)
Der letzte Satz wurde in dem deutschen Blog-Artikel weggelassen. Laut eines Medienberichts vom 11. November betonte de Jonge bereits einen Tag später, seine Aussage bedeute keine Impfpflicht; wer sie so interpretiere, missverstehe ihn. Es gehe nicht um Vorteile für geimpfte Menschen, sondern lediglich um Lockerungen der Einschränkungen durch die Corona-Maßnahmen. Wenn ein Teil der Gesellschaft bereits geimpft wurde, zum Beispiel Beschäftigte im Gesundheitswesen und Menschen, die in einem Pflegeheim leben, dann müssten sie die Maßnahmen „natürlich nicht mehr einhalten“, sagte de Jonge der Tageszeitung Het Parool zufolge.
Diese unmittelbare Reaktion von de Jonge auf die Kritik wird in dem Blog-Artikel vom 19. November ebenfalls nicht erwähnt.
Gesundheitsministerium: „Keine Pläne, Einschränkungen für geimpfte Menschen aufzuheben“
De Jonge hatte also offenbar tatsächlich die Idee, man könnte die Corona-Maßnahmen für geimpfte Menschen früher lockern. Doch in konkrete Pläne umgesetzt wurde dies bisher anscheinend nicht.
Auf Nachfrage von CORRECTIV teilte eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums, Joeke Kootstra, per E-Mail mit, Impfungen gegen Covid-19 würden in den Niederlanden für alle Menschen freiwillig sein. „Es gibt keine Pläne, (manche) Einschränkungen für geimpfte Menschen aufzuheben. Die Einschränkungen können für alle aufgehoben werden, wenn die Zahl der Infektionen zurückgegangen ist.“ Der Impfstoff werde dabei helfen, dieses Ziel zu erreichen.
Fazit: Die Überschrift des Blog-Artikels suggeriert, dass es dauerhafte Vorteile für geimpfte Menschen in den Niederlanden geben wird, und ist somit irreführend. Der Blog-Artikel überspitzt Hugo de Jonges Aussage und ihm fehlt relevanter Kontext. Trotz der Aussage des Gesundheitsministers gibt es keinen Beleg dafür, dass die Corona-Maßnahmen für Geimpfte früher aufgehoben werden könnten.
Redigatur: Sarah Thust, Steffen Kutzner
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck: