Antigen-Schnelltest falsch durchgeführt: FPÖ-Politiker testet Cola auf Corona
Der FPÖ-Politiker Michael Schnedlitz führte im österreichischen Parlament einen Antigen-Schnelltest mit einem Glas Cola durch. Er wollte beweisen, dass der Corona-Test nichts tauge – führte ihn aber falsch durch. Experimente wie dieses sagen nichts über die Zuverlässigkeit der Tests aus.
Der FPÖ-Politiker Michael Schnedlitz sorgte am 10. Dezember mit einem „Experiment“ im Parlament von Österreich für Aufsehen: Er verwendete einen Corona-Schnelltest für Cola und erhielt nach eigenen Angaben ein positives Ergebnis. Die FPÖ nahm den Vorfall zum Anlass, um in einer Pressemitteilung zu behaupten, die „gesamten Corona-Massentests“ seien „wertlos“. Österreich führte Anfang Dezember Massentestungen mit kostenlosen Schnelltests durch.
Das Video von Schnedlitz’ „Experiment“ und die damit verbundene Behauptung, die Corona-Tests seien nutzlos, verbreiteten sich in diversen Beiträgen tausendfach auf Facebook (zum Beispiel hier und hier). Die österreichische Webseite Wochenblick titelte: „Live im Parlament bewiesen: Cola führt zu positivem Corona-Test“. Und auch AfD-Chefin Alice Weidel teilte das Video auf ihrer Facebook-Seite. Sie schrieb dort fälschlich von einem „PCR-Test“. Der Test, den Schnedlitz im Parlament durchführte, ist aber ein Antigen-Schnelltest.
Experimente mit Lebensmitteln sagen nichts über die Zuverlässigkeit von Corona-Schnelltests aus
Experimente mit Corona-Schnelltests sind derzeit ein beliebtes Mittel, um die Zuverlässigkeit von Tests und damit die Aussagekraft von Fallzahlen infrage zu stellen. So verwendeten Internetnutzer verschiedene Corona-Tests auch für Apfelmus, Rotwein und „Eistee“ (es handelte sich eigentlich um Fruchtsaft). Seinen Anfang nahm dieser Trend bereits im Mai in Tansania, wo Präsident Magufuli behauptete, eine Papaya, ein Frankolinhuhn und eine Ziege positiv auf Corona getestet zu haben. Damals war völlig unklar, welche Tests dafür angeblich verwendet wurden.
Grundsätzlich sind solche Experimente nach CORRECTIV-Recherchen nicht aussagekräftig, denn die Tests sind für die Anwendung an Proben von Menschen ausgelegt. Der FPÖ-Politiker Schnedlitz verwendete einen Antigen-Schnelltest – und führte ihn falsch durch. Der Test, den er verwendete, reagiert laut Hersteller korrekt durchgeführt nicht positiv auf Cola. In Österreich werden die Schnelltests, sollten sie positiv sein, zudem immer noch durch einen PCR-Test bestätigt.
Da das Video auch in Deutschland verbreitet wird, haben wir außerdem recherchiert, ob die Fallzahlen hier durch falsche Antigen-Tests verzerrt werden könnten. Die Antwort lautet: Nein, denn die vom Robert-Koch-Institut (RKI) gemeldeten Fallzahlen beruhen nicht auf Antigen-Tests, sondern auf PCR-Tests.
Welche Testmethoden gibt es?
Es gibt laut Robert-Koch-Institut verschiedene Testmethoden für SARS-CoV-2. Als „Goldstandard“ gelte der PCR-Test, bei dem genetisches Material des Virus im Labor nachgewiesen wird (direkter Erregernachweis).
Eine zweite Methode sind Antigen-Tests – einen solchen verwendete Schnedlitz in seinem „Experiment“. „Das Antigen-(Schnell-)testformat basiert auf dem Nachweis von viralem Protein in respiratorischen Probenmaterialien“, schreibt das RKI. Diese Test seien aber nicht so genau wie PCR-Tests und daher nicht so zuverlässig. „Ein positives Testergebnis bedarf zur Vermeidung falsch-positiver Befunde einer Nachtestung mittels PCR. […] Ein negatives Ergebnis im Antigentest schließt eine Infektion nicht aus, insbesondere, wenn eine niedrige Viruslast vorliegt […].“
Die dritte Testmethode sind Antikörpernachweise (indirekter Erregernachweis). Diese weisen nach, ob jemand in der Vergangenheit mit SARS-CoV-2 infiziert war und Antikörper gegen das Virus gebildet hat. „Nach derzeitigem Kenntnisstand lässt ein serologischer Nachweis SARS-CoV-2-spezifischer Antikörper keine eindeutige Aussage zur Infektiosität oder zum Immunstatus zu“, so das RKI.
FPÖ-Politiker Michael Schnedlitz verwendete einen Antigen-Schnelltest
Der FPÖ-Abgeordnete Michael Schnedlitz verwendete nach eigenen Angaben einen Schnelltest, der auch bei den Massentestungen in Österreich verwendet worden sei. Weder die Marke des Tests noch das Testergebnis selbst sind im Video sichtbar. Österreich setzt bei den Massentests nach Angaben des Sozialministeriums Antigen-Tests ein.
Schnedlitz könnte einen Test des Herstellers Dialab verwendet haben. Die Firma hat auf das „Experiment“ jedenfalls am 11. Dezember mit einer Stellungnahme auf Facebook reagiert. Schnedlitz habe im Parlament einen Antigen-Schnelltest der Firma vorgezeigt, aber den Test nicht korrekt durchgeführt, heißt es darin.
Es wird auch erklärt, weshalb das Ergebnis eines Tests mit Cola nicht aussagekräftig ist: „Bei einem richtig ausgeführten Test wird die Probe immer zuerst in einer Flüssigkeit (Puffer) geschwenkt, die den pH-Wert konstant hält. Trägt man die ‘Probe’ (in diesem Fall Cola, das einen pH-Wert von 2,5 aufweist), wie im Fall des Politikers auf, ohne den Puffer dabei zu verwenden, zerstört man das Antikörper-Protein des Tests, das mit dem Virus reagiert. Dadurch wird die Pufferschicht zerstört und die Positiv-Markierung wird sichtbar. Dieses Ergebnis wäre bei einer solchen Anwendung bei jedem anderen Hersteller auch zu erwarten. Hätte man den Test ordentlich, wie im Beipacktext beschrieben angewendet, wäre der Test negativ.“
Um das zu beweisen führte das Unternehmen selbst einen Test mit Cola durch, der negativ ausfiel, und veröffentlichte ein Video davon im Facebook-Beitrag mit der Stellungnahme.
Österreich: Alle positiven Ergebnisse bei Massentests werden mit PCR-Test nachgeprüft
Laut österreichischem Sozialministerium werden bei allen Personen, die bei den Massentests mit einem Antigen-Test positiv getestet wurden, noch einmal PCR-Tests zur Bestätigung durchgeführt. Die verwendeten Antigen-Tests seien Test der Firmen Siemens und Roche, heißt es auf der Webseite des Ministeriums.
Auf Nachfrage teilte ein Sprecher des Ministeriums uns am Telefon mit, vermutlich hätte jeder Antigen-Test, egal welcher Hersteller, auf die Cola „positiv“ reagiert. Es sei bei dem „Experiment“ offensichtlich darum gegangen, ein falsch-positives Ergebnis herbeizuführen. Weil jedoch bei den Massentestungen jedes positive Ergebnis mittels PCR bestätigt werde, könne gar keine falsche Diagnostik vorliegen.
Lebensmittel könnten bei einem Rachenabstrich das Ergebnis tatsächlich theoretisch verfälschen, so der Sprecher weiter. Deshalb werde auch bei allen Test, bei denen der Abstrich auf diese Art genommen wird, angegeben, dass man zwei Stunden vorher nichts essen und keine Softdrinks konsumieren solle. Bei den Massentestungen in Österreich werde der Abstrich jedoch am Nasenrachen genommen (mit einem Stäbchen durch die Nase), da dies die Qualität sicherstelle.
Fallzahlen in Deutschland beruhen auch nicht auf Antigen-Tests
Antigen-Tests wurden laut RKI im Oktober in die Nationale Teststrategie in Deutschland integriert. Sie sollten aber nur eine „Ergänzung“ zu PCR-Tests sein und unter bestimmten Voraussetzungen angewendet werden – möglichst bei Personen, „bei denen ein falsch negatives Ergebnis nicht zu schwerwiegenden Konsequenzen führt“. Bei positiven Ergebnissen solle grundsätzlich eine Bestätigung durch einen PCR-Test erfolgen.
Aus Medienberichten (hier oder hier) ist bekannt, dass es inzwischen auch in Deutschland Schnelltest-Zentren gibt. Wie viele Antigen-Tests derzeit durchgeführt werden, ist dem Robert-Koch-Institut nach Angaben von Pressesprecherin Susanne Glasmacher nicht bekannt. Die täglich gemeldeten Corona-Fallzahlen stützen sich jedoch nicht auf Antigen-Tests. „Die vom RKI veröffentlichten Fälle sind sämtlich PCR-bestätigt“, schreibt uns Glasmacher per E-Mail.
In Deutschland sind zahlreiche Antigen-Tests verschiedener Hersteller verfügbar. Eine Liste findet sich auf der Webseite des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArmM). Das deutsche Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hat Mindestkriterien festgelegt für Antigen-Tests, die auf dem deutschen Markt erhältlich sind. Dazu gehören Kriterien für die Sensitivität und Spezifität – also die Zuverlässigkeit, mit der die Tests Infizierte als infiziert beziehungsweise Gesunde als gesund erkennen.
Das PEI führt zudem selbst kontinuierlich vergleichende Analysen zur Sensitivität von Antigen-Tests durch. Tests, die dabei durchfallen und nicht dem „Stand der Technik“ entsprechen, werden laut PEI aus der Liste des BfArM entfernt.
Studie von Wissenschaftlern der Berliner Charité untersuchte Zuverlässigkeit von sieben Antigen-Tests
Es gibt außerdem eine Studie unter anderem von Wissenschaftlern des Instituts für Virologie der Berliner Charité, in der sieben kommerzielle Antigen-Schnelltests untersucht wurden. Die Studie wurde am 13. November als Preprint veröffentlicht, die Ergebnisse sind also noch nicht unabhängig begutachtet worden. Ihr Ergebnis lautete jedoch, dass die Antigen-Tests relativ zuverlässig waren und wenig falsch-positive Ergebnisse lieferten.
Falsch-positive Ergebnisse bedeuten, dass ein Test positiv ausfällt, auch wenn das Virus SARS-CoV-2 nicht vorhanden ist. Kommt es zu solchen Fehlern, heißt das, dass die Spezifität der Tests nicht 100 Prozent beträgt und er womöglich auch auf andere Faktoren positiv reagiert.
Mit nur einer Ausnahme, bei der der Fehler nicht reproduzierbar war, reagierte keiner der sieben Tests laut der Studie auf andere menschliche Coronaviren oder das MERS-Coronavirus. Lediglich bei dem ersten SARS-Coronavirus, das 2003 erstmals identifiziert wurde und sehr eng mit SARS-CoV-2 verwandt ist, fielen alle Antigen-Tests positiv aus. Seit 2004 wurden jedoch weltweit keine SARS-Fälle mehr gemeldet.
Die Forscher testeten auch Proben, die andere bekannte Erreger von Atemwegserkrankungen enthielten, zum Beispiel Influenzaviren und Legionellen (Bakterien). Hier gab es einzelne falsch-positive Reaktionen.
Für die Studie wurden außerdem eine Reihe gesunde Versuchspersonen getestet. Auch hier gab es vereinzelt falsch-positive Ergebnisse.
Die kumulative Spezifität der verschiedenen Tests lag der Studie zufolge zwischen 88,24 und 100 Prozent. Die Autoren empfehlen bei positiven Ergebnissen einen Bestätigungstest mittels PCR „wann immer möglich“. Sie merken aber auch an, dass die beobachteten Probleme bei einigen Tests durch Verbesserungen des Produktionsprozesses bald behoben werden könnten.
Dass die Schnelltests nicht immer zuverlässig sind, zeigen auch aktuelle Medienberichte. So berichtete das ZDF kürzlich von mehreren Fällen in Deutschland, in denen Mediziner infiziert und ansteckend waren und die Antigen-Tests dennoch mehrfach negativ ausfielen.
Fazit
Das „Experiment“ des FPÖ-Politikers Michael Schnedlitz sollte dazu dienen, Antigen-Schnelltests beziehungsweise die bundesweiten Massentests in Österreich in Verruf zu bringen. Beides ist ihm nicht gelungen. Antigen-Tests sind zwar tatsächlich weniger genau als PCR-Tests reagieren aber nicht positiv auf Cola, wenn man sie korrekt anwendet. Experimente mit Lebensmitteln sind nicht aussagekräftig für die Zuverlässigkeit der Tests, da diese nur für menschliches Probenmaterial ausgelegt sind. Die Ergebnisse der Massentests in Österreich werden damit zudem nicht unbrauchbar, da positive Tests immer nochmal mit einem PCR-Test überprüft werden.
Redigatur: Steffen Kutzner, Till Eckert
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:
- FAQ zu bundesweiten Massentests in Österreich, Sozialministerium: Link
- Stellungnahme des Herstellers Dialab GmbH auf Facebook (11. Dezember 2020): Link
- Studie: „Comparison of seven commercial SARS-CoV-2 rapid Point-of-Care Antigen tests“ (Preprint, 13. November 2020): Link
- Liste verfügbarer Antigen-Test des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte: Link
- Mindestkriterien für Antigen-Tests des Paul-Ehrlich-Instituts: Link