Nein, an der Universität Cambridge wurden nicht 9.000 Studierende falsch-positiv auf Corona getestet
Ein viraler Tweet erweckt den Eindruck, an der Universität Cambridge seien 9.000 Studierende falsch-positiv auf das Coronavirus getestet worden. Das stimmt nicht. Insgesamt lag die Falsch-Positiv-Rate der Corona-Tests an der Universität bis zum 6. Dezember bei 0,3 Prozent.
„Von all den positiven Covid-19-Tests an mehr als 9.000 Studierenden an der Universität Cambridge, die in der Woche bis zum 6. Dezember getestet wurden, hat sich JEDER EINZELNE nach einem zweiten Test als falsch positiv erwiesen. Das sind keine Mutmaßungen, das sind die eigenen Daten von Cambridge“, heißt es übersetzt in einem Tweet der britischen Journalistin Julia Hartley-Brewer vom 9. Dezember, der bislang mehr als 5.700 Mal retweetet wurde. Auch von deutschsprachigen Accounts werden der Tweet und die Behauptung verbreitet, zum Beispiel hier oder hier.
Recherchen von CORRECTIV.Faktencheck zeigen, dass der Tweet ohne weiteren Kontext missverständlich ist. Es wurden weder 9.000 Studierende positiv getestet, noch erwiesen sich diese Tests alle als falsch-positiv, sondern lediglich ein kleiner Bruchteil der Ergebnisse.
Geteilt wird die Behauptung mit dem Screenshot eines Dokuments mit dem Titel „UoC Asymptomatic COVID-19 Screening Programme: Week 9 (30th November – 6th December 2020)“, auf Deutsch: „UoC Asymptomatisches COVID-19-Screening-Programm: Woche 9 (30. November – 6. Dezember 2020)“. Es handelt sich dabei um ein Programm der Universität Cambridge in Großbritannien. Der Screenshot ist echt.
Universität Cambridge bietet den Studierenden in College-Unterkünften Corona-Testmöglichkeiten
Die Universität Cambridge bietet seit der Woche vom 5. Oktober allen rund 15.000 Studierenden und Doktoranden, die in College-Unterkünften leben, an, sich wöchentlich auf SARS-CoV-2 testen zu lassen, auch wenn sie keine Symptome zeigen, heißt es auf der Webseite der Universität. Ziel des Screening-Programms sei es, Studierende mit einer asymptomatischen Infektion zu identifizieren. Für die Tests machen die Studierenden bei sich selbst Abstriche, um Proben aus Nase und Rachen zu entnehmen. Für die Durchführung gibt es genaue Anweisungen.
Da es nur eine begrenzte Anzahl an verfügbaren Tests gebe, würden die Proben von mehreren Studierenden zusammen in Testpools getestet, heißt es in einem erklärenden Dokument der Universität. Die Abstriche werden dann nach Haushalten gepoolt, also zusammengefasst. Ein Pool entspricht in der Regel einem Haushalt, in dem sich Studierende Gemeinschaftseinrichtungen wie Bad oder Küche teilen.
Die Studierenden eines Pools bündeln ihre Abstriche in einem einzigen Probenröhrchen. Diese gepoolten Proben werden dann mittels PCR auf SARS-CoV-2 in der Testeinrichtung der Universität getestet. Wenn ein gepoolter Screening-Test positiv ist, wird der Haushalt innerhalb von 24 Stunden informiert. Den Studierenden im Haushalt werden dann individuelle Tests angeboten, um herauszufinden, wer von ihnen alles tatsächlich infiziert ist.
Das zweistufige Screening soll falsch-positive Tests vermeiden
Auf Nachfrage von CORRECTIV.Faktencheck erläutert Craig Brierley, Leiter der Forschungskommunikation der Universität Cambridge, in einer E-Mail: „Unser Programm ist etwas ungewöhnlich, denn wir haben einen zweistufigen Testprozess. Zunächst werden die Studierenden in ‘Pools’ (von bis zu zehn Studierenden) getestet. Dann, wenn ein Pool positiv ist, bieten wir jedem der Studierenden individuelle Bestätigungstests an. Die Studierenden gelten nur dann als positiv und werden gebeten, sich zehn Tage lang selbst zu isolieren, wenn sowohl ihr gepoolter Screening-Test als auch ihr individueller Bestätigungstest positiv sind.“
Das zweistufige Testverfahren sei speziell darauf ausgelegt, die Auswirkungen der falsch-positiven Tests zu minimieren und sicherzustellen, dass sich die Studierenden nicht unnötigerweise selbst isolieren, sagt Brierley. Das sei besonders wichtig, wenn die Infektionsrate niedrig ist. Auch wir haben das bereits in einem Hintergrundartikel erläutert.
Zehn Pool-Tests aus einer Woche stellten sich als falsch-positiv heraus
Insgesamt hat die Universität in der Woche vom 30. November bis 6. Dezember rund 1.900 Pools getestet, die etwa 10.000 Studierende abdecken. Von diesen 1.900 waren zehn Pools positiv. „Als wir Einzelpersonen in diesen zehn Pools testeten, stellte sich heraus, dass es sich um falsch-positive Ergebnisse handelte“, erläutert Brierley.
Genau das ist es auch, was aus dem auf Twitter verbreiteten Screenshot für die betreffende Woche zu lesen ist. Dort heißt es unter dem Punkt „Results“ (Ergebnisse), dass insgesamt 1.937 Pools „gültig“ getestet worden seien, 1.927 davon negativ, zehn positiv. Insgesamt wurde bei 9.376 Studierenden ein gültiges Testergebnis ermittelt.
Weiter heißt es: „Die Mitglieder der zehn positiven Pools wurden individuell erneut getestet.“ Daraufhin stellte sich heraus: Keiner der Pools war echt positiv. Zehn Pools waren falsch-positiv (das heißt, alle individuellen Bestätigungstests waren negativ).
Es stimmt also, dass alle positiven Pool-Tests in der Woche falsch-positiv waren. Das bedeutet jedoch nicht, dass ein nennenswerter Teil der Testergebnisse falsch wäre.
Falsch-Positiv-Rate für alle gepoolten Screening-Tests lag laut Universität bis zum 6. Dezember bei 0,3 Prozent
Die Universität schreibt in ihrer Auswertung weiter: „Basierend auf diesen Daten haben wir keine neuen asymptomatischen Covid-19-Fälle unter 9.376 Studierenden entdeckt, die in College-Unterkünften wohnen, die diese Woche gescreent wurden. Die Falsch-Positiv-Rate für alle gepoolten Screening-Tests lag bisher bei 1 zu 373 (0,3%).“
Es wurden also nicht mehr als 9.000 Studierende falsch-positiv getestet. Falsch-positiv waren lediglich zehn von 1.937 Pool-Tests. Und das könnte maximal 100 Personen betreffen, da, wie oben beschrieben, maximal zehn Studierende Teil eines Pools sind.
Redigatur: Steffen Kutzner, Alice Echtermann
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck: