Faktencheck

Nein, die Einnahmen durch die „CO2-Steuer“ sollen nicht hauptsächlich Migranten zugute kommen

In diesem Jahr sind die CO2-Preise für Brennstoffe gestiegen und der nationale Emissionshandel ist damit gestartet. Auf Facebook wird behauptet, die Einnahmen davon sollten hauptsächlich für „Migranten“ verwendet werden. Die Ministerien für Umwelt und Finanzen dementieren. Laut Bundesregierung soll das Geld vor allem dem Klimaschutz dienen.

von Sarah Thust

tankstellen preise steigen
Die Bundesregierung will Bürger von der Erhöhung des CO2-Preises entlasten. Es gibt keine Hinweise, dass dabei Migranten bevorzugt werden sollen. (Symbolbild vom 8. Januar 2021: picture alliance / van der Velden)
Behauptung
Die CO2-Steuer sei in Wahrheit eine „Migranten-Durchfütterungs-Steuer“.
Bewertung
Unbelegt. Nach Angaben der Bundesregierung werden die Einnahmen aus der erhöhten CO2-Bepreisung in Klimaschutzmaßnahmen investiert und sollen eine Senkung der EEG-Umlage und somit der Strompreise ermöglichen.

In einem Beitrag auf Facebook wird behauptet, von den staatlichen Einnahmen durch die „CO2-Steuer“ sollten Migranten und Migrantinnen „durchgefüttert“ werden. Die Behauptung wird auf einem Bild verbreitet, das laut Angabe auf Facebook mehr als 10.300 Mal geteilt wurde. 

Die Behauptung ist irreführend und soll offenbar Stimmung machen. Die Verteilung der Einnahmen steht noch nicht fest. Mehrere Bundesministerien teilten CORRECTIV.Faktencheck jedoch mit, die Einnahmen würden „in Klimaschutzmaßnahmen reinvestiert“ oder „an die Bürgerinnen und Bürger in Form einer Entlastung an anderer Stelle zurückgeben“. Es gibt keine Hinweise darauf, dass Menschen mit Migrations- oder Fluchthintergrund mehr davon profitieren könnten als andere Bürgerinnen und Bürger.

Ausstoß von Kohlendioxid wird seit Januar 2021 mit einem höheren Preis belegt

Gemeint ist in dem Facebook-Beitrag vermutlich die CO2-Bepreisung, die umgangssprachlich häufig als „CO2-Steuer“ bezeichnet wird. Es handelt sich jedoch nicht um eine Steuer, sondern um Einnahmen aus dem nationalen Emissionshandel. Die Tonne CO2 kostet im Jahr 2021 25 Euro. 

Dieser Beitrag kursiert auf Facebook.
Dieser Beitrag kursiert auf Facebook. (Quelle: Facebook / Screenshot vom 14. Januar: CORRECTIV.Faktencheck)

Der Ausstoß von Kohlendioxid durch Brennstoffe wird also seit Januar 2021 mit einem höheren Preis belegt. Dadurch fallen zusätzliche Kosten für Konzerne an, aber auch zum Beispiel für Autofahrer. Grundlage für die CO2-Bepreisung ist das „Gesetz über einen nationalen Zertifikatehandel für Brennstoffemissionen“. Der CO2-Preis wird jährlich angehoben und soll 2025 bei 55 Euro pro Tonne liegen.

Bund und Länder hatten sich laut Bundesregierung bereits im Dezember 2019 darauf geeinigt, ab 2021 die CO2-Bepreisung von Brennstoffen (für die Bereiche Verkehr und Gebäude) zu erhöhen. Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung sollten in Klimaschutzmaßnahmen reinvestiert werden und an Bürger „in Form einer Entlastung an anderer Stelle zurückgeben“ werden. 

Bundesregierung will die Einnahmen für „Klimaschutz, zur Entlastung der Wirtschaft und zum sozialen Ausgleich“ verwenden 

CORRECTIV.Faktencheck hat die in dem Facebook-Beitrag aufgestellte Behauptung dem Finanz- und dem Umweltministerium vorgelegt und nachgefragt, wie die staatlichen Einnahmen konkret verteilt werden sollen. 

Ein Sprecher des Bundesumweltministeriums schrieb per E-Mail, es sei „Blödsinn, dass bei der Entlastung vom CO2-Preis Migranten bevorzugt werden oder gar die kompletten Einnahmen aus dem CO2-Preis für Migranten verwendet werden“. Prognostiziert würden für 2021 Gesamteinnahmen aus der CO2-Bepreisung in Höhe von knapp 7,5 Milliarden Euro. „Sämtliche Einnahmen aus der CO2-Bepreisung werden für Maßnahmen zum Klimaschutz, zur Entlastung der Wirtschaft und zum sozialen Ausgleich verwendet“, so der Sprecher. 

Auszug aus der E-Mail eines Sprechers des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit.
Auszug aus der E-Mail eines Sprechers des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit. (Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Senkung der EEG-Umlage möglich

Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums antwortete uns, der Bundesregierung gehe es bei der CO2-Bepreisung um eine „Lenkungswirkung“ für den Klimaschutz. Deswegen würden die Einnahmen „ausschließlich wieder in Klimaschutzmaßnahmen investiert oder den Bürgerinnen und Bürgern zurückgegeben“. Sie sollen zum Beispiel über eine Absenkung der EEG-Umlage durch geringere Strompreise entlastet werden. „Mit dem Instrument wird gezielt in klimafreundliche Technologien investiert, wie z.B. energetische Gebäudesanierung oder E-Autos.“

Die EEG-Umlage ist in den Strompreisen enthalten, die der Endverbraucher zahlt. Laut Bundesnetzagentur erhalten die Produzenten von Strom aus erneuerbaren Energien für ihren Strom gesetzlich festgelegte Preise von den Netzbetreibern. Die Netzbetreiber verkaufen den Strom wiederum an der Strombörse, erzielen dort aber niedrigere Preise. Die Differenz wird den Netzbetreibern erstattet – das ist die sogenannte EEG-Umlage. Sie wird auf alle Stromverbraucher umgelegt. Deshalb kann der Strompreis sinken, wenn die EEG-Umlage niedriger ausfällt. 

Wirtschaftsexperte: Im Detail sei noch nicht klar, wie die Einnahmen verteilt werden

Der Ökonom Andreas Löschel leitet den Lehrstuhl für Mikroökonomik an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und ist seit 2011 Vorsitzender der Expertenkommission zum Monitoring-Prozess „Energie der Zukunft“ der Bundesregierung. 

Er wies uns auf Nachfrage darauf hin, dass seiner Kenntnis nach im Detail noch nicht klar sei, wie die Einnahmen verteilt würden. Aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion vom September 2020 gehe hervor, dass die Einnahmen insbesondere für die Reduzierung der EEG-Umlage verwendet werden sollten. „Dabei gilt wieder, dass noch nicht klar ist, wie viel dafür verwendet wird, da die EEG-Umlage von verschiedenen Komponenten abhängt, etwa der Höhe der Börsenstrompreise“, so Löschel.

Einnahmen aus dem Emissionshandel – etwa auf EU-Ebene – würden für unterschiedliche Verwendungen herangezogen, schreibt der Ökonom. „Das Geld wird zurückgegeben und entlastet die Stromverbraucher (und später wohl die Pendler). Einen Kontext zu Migranten kann ich nicht so einfach konstruieren.“ 

Fazit

Wer in welcher Form von den Einnahmen aus der neuen CO2-Bepreisung profitieren wird, steht noch nicht fest. Im Bundeshaushaltsplan 2021 findet sich kein Hinweis auf die CO2-Bepreisung. Die Behauptung, dass die Gelder hauptsächlich für „Migranten“ ausgegeben würden, lässt sich demnach nicht belegen. Die Bundesministerien für Finanzen und Umwelt widersprechen dem aber: Die Gelder sollten vor allem in Klimaschutz investiert werden und in Form von Erleichterungen an Bürger und Bürgerinnen verteilt werden.

Eine ähnliche Behauptung hat CORRECTIV.Faktencheck schon im November 2019 überprüft – damals hatte der Bundestag das Klimaschutzpaket der Bundesregierung angenommen. Gegen die „CO2-Steuer“ wurde anschließend mit dem Begriff „Flüchtlingssteuer“ Stimmung gemacht. 

Redigatur: Alice Echtermann, Uschi Jonas

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck: 

  • Gesetz über einen nationalen Zertifikatehandel für Brennstoffemissionen: Link
  • Informationen der Bundesregierung zur CO2-Bepreisung: Link