Faktencheck

Polizeieinsatz bei Ärztin in Duderstadt: Diesem Beitrag fehlt relevanter Kontext

In einem Facebook-Beitrag zu einem Einsatz der Polizei in Duderstadt heißt es, eine Ärztin solle „zum Schweigen gebracht“ werden, weil sie sich „gegen Impfungen“ ausspreche und Maßnahmen „kritisch hinterfrage“. Der tatsächliche Grund laut Staatsanwaltschaft: Die Frau steht in Verdacht, in 16 Fällen unrichtige ärztliche Bescheinigungen ausgestellt zu haben.

von Till Eckert

duderstadt collage
In diesem Facebook-Beitrag fehlt wichtiger Kontext: Den Polizeieinsatz gab es, weil die Ärztin in Verdacht steht, in 16 Fällen unrichtige ärztliche Bescheinigungen ausgestellt zu haben. (Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)
Behauptung
Es habe eine Durchsuchung bei einer Ärztin in Duderstadt gegeben, um sie zum „Schweigen“ zu bringen, weil sie sich „gegen Impfungen“ ausspreche.
Bewertung
Fehlender Kontext
Über diese Bewertung
Fehlender Kontext. Es wird relevanter Kontext weggelassen: Laut Staatsanwaltschaft steht die Ärztin in Verdacht, unrichtige Maskenatteste ausgestellt zu haben.

Auf Facebook verbreitet sich ein Beitrag mit Fotos und einem Text über die Durchsuchung einer Ärztin in Duderstadt. Angeblich solle sie „zum Schweigen gebracht“ werden, weil sie sich „gegen Impfungen“ ausspreche und Regierungsmaßnahmen generell „kritisch hinterfrage“. Der Beitrag wurde bisher mehr als 1.300 Mal geteilt.

Dem Beitrag fehlt zentraler Kontext: Die zuständige Staatsanwaltschaft in Göttingen erklärt gegenüber CORRECTIV.Faktencheck per E-Mail, dass die Ärztin in Verdacht stehe, falsche Maskenatteste ausgestellt zu haben. „Der Einsatz ist gestern Mittag durchgeführt worden. Hintergrund ist ein Ermittlungsverfahren gegen eine Ärztin aus Duderstadt, die im Verdacht steht, in 16 Fällen unrichtige ärztliche Bescheinigungen ausgestellt zu haben“, schreibt der Sprecher. 

Staatsanwaltschaft: Bescheinigungen wirkten „vorgefertigt“ und Namen „individuell eingefügt“

Der Sprecher gibt noch mehr Kontext zum Hintergrund des Einsatzes: „Es war in den letzten Monaten aufgefallen, dass auf Anti-Corona-Demonstrationen Teilnehmer eine Bescheinigung der hier beschuldigten Ärztin vorlegten, nach der sie aus Gesundheitsgründen keine Mund-Nase-Bedeckung tragen dürfen.“ Verwunderlich sei laut der Staatsanwaltschaft gewesen, dass die Teilnehmer, die eine Bescheinigung der Ärztin aus Duderstadt vorgelegt hatten, zu einem großen Teil nicht aus der Gegend stammten, sondern aus anderen Bundesländern kamen. 

Auszug aus der E-Mail der Staatsanwaltschaft Göttingen vom DATUM (Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

„Die Bescheinigungen erweckten im Übrigen den Eindruck, als seien sie vorgefertigt und nur der jeweilige Name individuell eingefügt. Aufgrund eines entsprechenden Beschlusses des Amtsgerichts wurde die Praxis durchsucht und Unterlagen sichergestellt, die nunmehr ausgewertet werden“, schreibt der Sprecher. Geprüft werde insbesondere, ob Demonstrationsteilnehmende, die eine entsprechende Bescheinigung vorgelegt haben, tatsächlich in der Arztpraxis waren und dort untersucht wurden.

Falsche Maskenatteste sind seit mindestens Mitte 2020 im Umlauf

Wie CORRECTIV.Faktencheck bei einer Recherche im vergangenen Jahr herausfand, sind falsche Maskenatteste mindestens seit Mitte 2020 im Umlauf. 

Ärzte haften für die Richtigkeit ausgestellter Atteste. Das Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse zum Gebrauch bei einer Behörde oder Versicherung steht nach Paragraf 278 des Strafgesetzbuchs unter Strafe. Bei Verstoß droht eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren. 

Auf Anfrage teilte uns die Ärztekammer Berlin damals mit, auch wenn das ungültige Attest nicht bei einer Behörde vorgelegt werde, sondern zum Beispiel nur beim Frisör, begehe die Person damit eine Ordnungswidrigkeit – und der Arzt, der das Dokument ausgestellt hat, verletze seine berufliche Pflicht. 

Über den Fall in Duderstadt berichteten auch einige Medien, darunter der NDR, die Hessische Niedersächsische Allgemeine und das Göttinger Tageblatt

Redigatur: Sarah Thust, Uschi Jonas