Faktencheck

FFP2-Maske schützt nicht vor Viren? Das muss sie auch gar nicht, sondern vor Aerosolen

Auf einer in Sozialen Netzwerken kursierenden Gebrauchsanleitung ist zu lesen, dass FFP2-Masken nicht vor Viren schützen. Nutzer schließen daraus, dass sie daher nicht vor SARS-CoV-2 schützen würden. Dieser Behauptung fehlt wichtiger Kontext.

von Uschi Jonas

FFP2-Masken schützen laut Experten vor Aerosolen. Damit können sie zur Eindämmung der Übertragung von SARS-CoV-2 beitragen. (Symbolbild: Picture Alliance / Wedel/Kirchner-Media)
FFP2-Masken schützen laut Experten vor Aerosolen. Damit können sie zur Eindämmung der Übertragung von SARS-CoV-2 beitragen. (Symbolbild: Picture Alliance / Wedel/Kirchner-Media)
Behauptung
Es wird suggeriert, FFP2-Masken würden nicht vor Viren und somit auch nicht vor SARS-CoV-2 schützen.
Bewertung
Fehlender Kontext
Über diese Bewertung
Fehlender Kontext. FFP2-Masken müssen zur Eindämmung der Übertragung von SARS-CoV-2 nicht explizit Viren, sondern Aerosole abhalten.

Auf Facebook verbreitet sich das Foto einer „Gebrauchsanleitung für partikelfiltrierende Halbmasken FFP1, FFP2, FFP3“. Das Wort „Viren“ ist auf dem Foto bei den „Einsatzgrenzen für FFP“ unter Einschränkungen mit einem orangen Pfeil markiert. Mit den Beiträgen wird suggeriert, FFP2-Masken würden folglich nicht vor dem Coronavirus schützen. Insgesamt wurde das Foto mehr als 1.200 Mal auf Facebook geteilt, zum Beispiel hier, hier oder hier

Unsere Recherche zeigt: FFP2-Masken müssen nicht explizit gegen Viren schützen, um die Übertragung von SARS-CoV-2 zu begrenzen sondern vor Aerosolen. Aerosole sind feinste feste oder flüssige Partikel beziehungsweise „Schwebeteilchen“ unterschiedlicher Größe, die sich zum Beispiel in der Luft befinden und verteilen. Und über diese wird SARS-CoV-2 von Mensch zu Mensch übertragen. 

Einer der Facebook-Beiträge, in denen sich das Foto der Gebrauchsanleitung verbreitet (Screenshot und Schwärzung vom 25.01.2021: CORRECTIV.Faktencheck)
Einer der Facebook-Beiträge, in denen sich das Foto der Gebrauchsanleitung verbreitet (Screenshot und Schwärzung vom 25.01.2021: CORRECTIV.Faktencheck)

Was bedeutet es konkret, wenn in der Gebrauchsanleitung steht, dass eine FFP2-Maske „nicht vor Viren“ schützt?

Woher die in Sozialen Netzwerken geteilte Gebrauchsanleitung konkret stammt, ob sie aktuell und echt ist, lässt sich nicht direkt in den Beiträgen ausmachen. Über eine Google-Suche nach den ersten Sätzen der Anleitung finden sich zahlreiche Gebrauchsanleitungen von FFP-Masken. Eine führt zu einer Gebrauchsanleitung der Marke Uvex (PDF-Download), die optisch zu der verbreiteten passt. 

Wir haben bei Uvex angefragt. Eine Pressesprecherin verwies uns auf eine Stellungnahme des Unternehmens im Rahmen eines Faktenchecks des Bayerischen Rundfunks zu eben diesem Thema. Wolf Wagner, Produktgruppenmanager im Bereich Head der Uvex Safety Group, erklärte: „FFP2-Masken sind ursprünglich Arbeitsschutzmasken, die im Handwerk eingesetzt werden. Sie werden deshalb standardmäßig nicht darauf getestet, dass sie vor Viren wie dem SARS-CoV-2-Virus schützen. Daher übernehmen wir keine Haftung für diese Art der Nutzung.“ Uvex verweist potenzielle Kunde laut BR-Faktenfuchs auf unabhängige Organisationen, wie das RKI und die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die FFP2-Masken insbesondere für medizinisches Personal empfehlen, das mit Covid-19-Patienten arbeitet.

Im Gespräch mit CORRECTIV.Faktencheck erläutert Andreas Podbielski, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene der Universitätsmedizin Rostock, dass er die Anmerkung in der Gebrauchsanleitung, dass diese Masken nicht vor Viren schützen, dahingehend interpretiere, dass sie nicht auf eine Virusfilter-Funktion geprüft wurden. „Das bedeutet nicht zwingend, dass sie nicht die entsprechende Qualität haben oder wirksam sind – aber sie sind nicht geprüft.“

Um das zu begreifen, muss man verstehen, wie sich SARS-CoV-2 verbreitet und welchen Zweck in diesem Zusammenhang ein Mund-Nasen-Schutz erfüllen soll.

Wie verbreitet sich SARS-CoV-2?

Mit der ausgeatmeten Luft verbreitet jeder Mensch eine Reihe von Gasen und auch Aerosolpartikel in seiner unmittelbaren Umgebung, schreibt das Umweltbundesamt. Befinden sich demnach Krankheitserreger wie SARS-CoV-2-Viren in den Atemwegen, entstehen Aerosole, die diese Krankheitserreger enthalten können

Genau das ist laut Robert-Koch-Institut (RKI) ist der Hauptübertragungsweg des Coronaviurs, „die respiratorische Aufnahme virushaltiger Flüssigkeitspartikel, die beim Atmen, Husten, Sprechen und Niesen entstehen“. Je nach Partikelgröße unterscheidet man Tröpfchen (größer als fünf Mikrometer) und kleinere Partikel (Tröpfchenkerne oder infektiöse Aerosole, kleiner als fünf Mikrometer), wobei der Übergang fließend sei, schreibt das RKI.

Wozu soll ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden und was sind FFP-Masken?

Das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes soll die Wahrscheinlichkeit der Übertragung von SARS-CoV-2 von Mensch zu Mensch reduzieren. Dafür muss er vor allem vor Aerosolen schützen und nicht explizit vor einzelnen Viren. Die verschiedenen Maskentypen unterscheiden sich in ihrer Schutzwirkung. Auf der Webseite des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) werden die einzelnen Maskentypen und ihre Eigenschaften unterschieden. 

FFP2- und FFP3-Masken gehören laut BfArM zur Produkt-Kategorie „Persönliche Schutzausrüstung“ im Rahmen des Arbeitsschutzes. Sie „[…] schützen den Träger der Maske vor Partikeln, Tröpfchen und Aerosolen. Korrekt sitzende FFP-Masken liegen dicht an und bieten Fremd- und Eigenschutz“, schreibt das BfArM. Dass FFP-Masken nicht speziell zum Schutz vor übertragbaren Erkrankungen entwickelt wurden, sondern alle Formen von Schadstoffen einer bestimmten Partikelgröße abhalten sollen, erklärt auch Pneumologe Dominic Dellweg in einer E-Mail an CORRECTIV.Faktencheck. 

BfArM: FFP2-Masken bieten „wirksamen Schutz“ gegen Aerosole

FFP-Masken müssen bestimmte gesetzliche Anforderungen erfüllen und technische Normen einhalten. Laut BfArM dienen solche Masken vor allem dem Eigen- und Arbeitsschutz vor vor Partikeln, Tröpfchen und Aerosolen.  

Der BR Faktenfuchs erläuterte in Bezug auf einen Sprecher des BfArM, dass die für das Prüfverfahren von FFP2-Masken im Sinne der europäischen Norm EN 149:2001+A1:2009  genutzten Testaerosole Natriumchlorid und Parrafinöl sind. Deren Partikelgröße liegt im Rahmen von 0,02 bis etwa 0,8 Mikrometer. Ein Pressesprecher des BfArM erklärt uns dazu in einer E-Mail: „Das SARS-CoV-2 Virus selbst hat einen Durchmesser von circa 100 nm [Anmerkung der Redaktion: 100 Nanometer (nm) = 0,1 Mikrometer]. Tatsächlich ist das Virus beim Verlassen des Körpers aber zusätzlich in eine Flüssigkeitshülle eingebettet, sodass Aerosole mit einem Durchmesser von weniger als 200 nm [0,2 Mikrometer ]kaum virusbeladen sind“.  Sprich ein Schutz vor kleineren Partikeln ist nicht notwendig und die Schutzleistung der FFP2-Masken ist ausreichend.

Das BfArM schreibt für FFP2-Masken, dass sie im Testverfahren mindestens 94 Prozent der Aerosole filtern müssen, bei FFP3-Masken sind es 99 Prozent. „Sie bieten daher nachweislich einen wirksamen Schutz auch gegen Aerosole. Die Prüfnorm ist, gemeinsam mit dem CE-Kennzeichen und der vierstelligen Kennnummer der Benannten Stelle, auf der Oberfläche der FFP-Maske aufgedruckt“, schreibt das BfArM.

Welche Normen müssen die Masken erfüllen?

Das CE-Kennzeichen gibt es nicht nur bei Medizinprodukten, sondern auch bei persönlicher Schutzausrüstung (PSA, dazu zählen FFP-Masken). Es bedeutet: Die Hersteller haben nachgewiesen, dass ihr Produkt die EU-weiten Anforderungen erfüllt.  Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) erklärt dies so: „Hersteller verpflichten sich vor dem Inverkehrbringen von PSA auf dem europäischen Markt in einer EU-Konformitätserklärung, dass sie die in der Verordnung enthaltenen grundlegenden Sicherheitsanforderungen eingehalten haben.“

Das CE-Kennzeichen zeigt an, dass die FFP-Masken ein erfolgreiches Nachweisverfahren (Konformitätsbewertungsverfahren) durchlaufen haben“, schreibt das BfArM auf seiner Webseite. Dieses Verfahren schließe eine sogenannte Baumusterprüfung ein, die zum Beispiel durch TÜV und Dekra durchgeführt werde. Nur wenn die Anforderungen erfüllt seien, dürfe die Maske rechtmäßig in Europa vertrieben werden.

Ein Sprecher der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) schreibt uns, dass es für die verschiedenen Maskentypen unterschiedliche Prüfverfahren gebe. Für FFP-Masken im Sinne der DIN EN 149 würden der Durchlass des Filtermediums und die gesamte nach innen gerichtete Leckage, sprich Undichtigkeit mit den jeweiligen Prüfsubstanzen und entsprechender Partikelgrößenverteilung ermittelt, um die Maskenklasse zu bestimmen. Eine „Prüfung der bakteriellen Filterleistung“ sei für FFP-Masken „grundsätzlich nicht vorgesehen“. 

Zwei FFP2-Masken liegen auf einem Tisch. Die aufgedruckt CE Zertifizierung ist nur mit der vierstelligen Prüfnummer echt, die linke Maske zeigt eine vermutlich gefälschte CE-Zertifizierung. (Credit: Picture Alliance/ Dpa / Fabian Strauch)
Zwei FFP2-Masken liegen auf einem Tisch. Die aufgedruckt CE Zertifizierung ist nur mit der vierstelligen Prüfnummer echt, die linke Maske zeigt eine vermutlich gefälschte CE-Zertifizierung. (Credit: Picture Alliance/ Dpa / Fabian Strauch)

Der Sprecher der BAuA betont aber, dass das ausreichende Schutzniveau gegen SARS-CoV-2 durch derart geprüfte FFP2- und FFP3-Masken erreicht werde. „Hier sind die Maßnahmen zum Schutz vor biologischen Arbeitsstoffen ausschlaggebend, die der Ausschuss für biologische Arbeitsstoffe festgelegt hat. Aufgrund der Erfahrungen in Praxen und Laboren sollte [durch] die FFP2-Masken, die ansonsten in großem Umfang gegen (Fein-)Stäube eingesetzt werden, die Viren (die ja zudem noch von Wasser und anderen Stoffen umhüllt sind) zurückgehalten werden.“

Einzelne Viren durch die Luft schweben zu lassen und danach zu prüfen, wie viele der Viren durch die Maske hindurch oder um sie herumströmen, sei technisch nur sehr schwer möglich, erläutert Andreas Podbielski im Gespräch mit CORRECTIV.Faktencheck: „Deswegen weicht man für die Prüfung auf Öl-Salz-Gemische aus, die man aerosolisiert und deren Maskenpassage man durch elektrische Leitfähigkeitsmessungen sehr einfach prüfen kann.“

Gibt es Masken, die einzelne Viren abfangen können? 

Um vor SARS-CoV-2 zu schützen ist, wie bereits erläutert, relevant, ob die Masken vor Aerosolen schützen. Podbielski erklärt: „Wenn Viren alleine durch die Gegend fliegen haben sie eine kleinere Partikelgröße als wenn sie in Flüssigkeitstropfen sind. Jegliche FFP-Masken, auch die, die normgerecht hergestellt und getestet werden, sind natürlich zum Erfassen von Partikeln mit einer gewissen Mindestgröße geeignet.“ 

Es gebe zwar auch Filter, die einzelne Viren abfangen können. Nur um solche Filter durchdringen zu können, brauche es einen größeren Druck, den wir mit der menschlichen Lunge nur bedingt aufbauen können. Anders ausgedrückt: Durch so einen Filter zu atmen, wäre lediglich für ein paar wenige Atemstöße möglich. „Ein solcher Filter ist aber auch überhaupt nicht notwendig, denn die Viren fliegen nicht einzeln durch die Luft, sondern in Aerosolen. Und nur das müssen die Masken abhalten“, betont Podbielski.

Redigatur: Sarah Thust, Till Eckert

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Hinweise des BfArM zur Verwendung von Mund-Nasen-Bedeckungen, medizinischen Gesichtsmasken sowie partikelfiltrierenden Halbmasken (FFP-Masken): Link
  • Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und Covid-19 des RKI: Link
  • Gebrauchsanleitung der Marke Uvex: PDF-Download
  • Hinweise der WHO zum Maskengebrauch: Link
  • Hinweise der Europäischen Union zur CE-Kennzeichnung: Link

Update 4. Februar 2021: Da uns Fragen von Leserinnen und Lesern dazu erreicht haben, haben wir weitere Informationen zur CE-Kennzeichnung ergänzt.