Faktencheck

Doch, mRNA-Vakzine sind Impfstoffe

In Sozialen Netzwerken kursiert die Behauptung, mRNA-Vakzinen seien keine Impfstoffe, sondern „Medizinprodukte“, die Erreger produzieren würden. Das ist falsch.

von Uschi Jonas

mRNA-Vakzine, wie der im Bild zu sehende von Moderna gegen Covid-19, sind Impfstoffe. (Symbolbild: Picture Alliance / Pressebildagentur Ulmer)
mRNA-Vakzine, wie der im Bild zu sehende von Moderna gegen Covid-19, sind Impfstoffe. (Symbolbild: Picture Alliance / Pressebildagentur Ulmer)
Behauptung
mRNA-Impfstoffe seien keine Impfstoffe, sondern „Medizinprodukte“, die menschliche Zellen dazu stimulieren würden, einen Erreger zu produzieren.
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Größtenteils falsch
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Größtenteils falsch. mRNA-Vakzine sind Impfstoffe, durch die Covid-19-Impfung wird kein Erreger produziert, sondern ein Spike-Protein.

Im Zuge der Entwicklung und Zulassung der beiden mRNA-Impfstoffe von den Herstellern Biontech/Pfizer und von Moderna wird in Sozialen Netzwerken Stimmung gegen die Covid-19-Vakzine gemacht. Aktuell werden Beiträge auf Facebook und Telegram und auf der Webseite Connectiv Events verbreitet, in denen behauptet wird, es handle sich dabei gar nicht um Impfstoffe. Unsere Recherche zeigt, dass diese und andere Behauptungen in den Beiträgen falsch oder irreführend sind.

Die Aussagen stammen ursprünglich von Dr. David Martin, der diese in einem Video im Januar äußerte. Martin ist offenbar Gründer der Finanzberatungsfirma M-CAM International in Charlottesville im US-Bundesstaat Virginia. Berichten von US-Faktencheckern zufolge verbreitete er während der Corona-Pandemie immer wieder Falschinformationen und verschwörungstheoretische Inhalte. Wir haben uns einige seiner Aussagen in dem aktuellen Video genauer angesehen.

1. Behauptung: mRNA-Impfstoffe seien keine Impfstoffe

Wörtlich sagt Martin (ab Minute 00:17): „Das ist kein Impfstoff. Das ist ein mRNA-Paket in einer Fetthülle, das zu einer Zelle geliefert wird. Es ist ein Medizinprodukt (Anm. d. Red.: medical device“), das entwickelt wurde, um die menschliche Zelle dazu zu stimulieren, einen Erreger zu kreieren. Es ist kein Impfstoff.“ 

Das ist falsch. mRNA ist kein Medizinprodukt. RNA beziehungsweise Ribonukleinsäure ist laut Definition eine Nukleinsäure, die verschiedene Funktionen im menschlichen Körper hat. Eine davon ist die Umsetzung von genetischer Information in Proteine. Vereinfacht ausgedrückt: Die DNA ist beim Menschen das permanente Speichermedium für die genetische Information, die RNA dient als Zwischenspeicher und Überträger von Informationen. mRNA steht für „messenger RNA“ – also „Boten-RNA“. mRNA ist das RNA-Transkript eines zu einem Gen gehörigen Teilabschnitts der DNA.

Impfstoffe generell zählen zu den Arzneimitteln, nicht zu den Medizinprodukten. So steht es auch im deutschen Arzneimittelgesetz: „Impfstoffe sind Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1“. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) informieren in ihrem „Bulletin zur Arzneimittelsicherheit“ explizit über mRNA-Impfstoffe. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zählt Impfstoffe nicht zu den Medizinprodukten.

Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) erklärt auf seiner Webseite, dass Impfstoffe vor Infektionskrankheiten schützen, indem sie das Immunsystem zur Herstellung von Antikörpern und der Vermehrung bestimmter Immunzellen anregen. Oder anders ausgedrückt: „Impfen bedeutet, das Immunsystem präventiv durch Impfstoffe mit den Merkmalen eines Erregers bekannt zu machen, ehe es zu einer echten Infektion kommt.“ Und genau das ist es, was die mRNA-Impfstoffe tun.

mRNA-Impfstoffe regen den Körper zum Aufbau eines Immunschutzes an

Till Koch, Facharzt für Innere Medizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), erläutert im Gespräch mit CORRECTIV.Faktencheck, dass es sich bei mRNA-Impfstoffen um sogenannte aktive Vakzine handele: „Aktive Impfungen sind solche, bei denen der Körper selbst aktiv werden und eine Immunreaktion hervorrufen muss und dadurch später einen Schutz gewährleistet. Genau das tun mRNA-Impfstoffe, sie regen den Körper zum Aufbau eines Immunschutzes an“. 

Man könne Impfstoffe natürlich auch als ein Medikament beziehungsweise eine medizinische Behandlung bezeichnen, auch fallen sie unter das Arzneimittelgesetz. „Aber mRNA-Impfstoffe und andere Impfstoffe gegen Infektionserkrankungen sind kein Therapeutikum, da man damit nicht eine bereits vorhandene Infektion behandelt, sondern vor einer künftigen Infektion schützt.“ 

Bei der Covid-19-Impfung mit einem mRNA-Impfstoff wird ein Spike-Protein produziert, kein Erreger

Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) ist das deutsche Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel. „[mRNA-Impfstoffe] werden synthetisch hergestellt und enthalten Teile der Erbinformation des Virus in Form von RNA, die den Bauplan für ein oder mehrere Virusproteine bereitstellen. Die Körperzellen nutzen die RNA als Vorlage, um das oder die Virusproteine selbst zu produzieren“, erläuterte Susanne Stöcker, Pressesprecherin des PEI bereits im August. Das bedeutet nicht, wie von Unternehmer Martin behauptet, dass sie einen Erreger produzieren. Stattdessen werde nur ein Bestandteil des Virus gebildet, erläuterte Stöcker. Vermehrungsfähige Viren könnten nicht entstehen.

Das bestätigt auch Till Koch und erklärt, dass bei der Impfung mit einem mRNA-Vakzin kein Erreger produziert werde, sondern das Spike-Protein, gegen das dann eine Immunreaktion hervorgerufen wird. „Und das wiederum ist nur ein kleiner Teil des Virus SARS-CoV-2. Das Spike-Protein alleine kann sich nicht weitervermehren.“ 

2. Behauptung: Impfstoffe müssten sowohl Geimpfte schützen als auch eine Virusübertragung verhindern

Martin behauptet zudem (ab Minute 00:52): Ein Impfstoff muss Immunität in der Person, die ihn erhält, hervorrufen, aber auch die Übertragung unterbrechen. Und das wäre bei den mRNA-Impfstoffen nicht der Fall: Sie haben klar gesagt, dass der mRNA-Strang, der in die Zellen transportiert wird, nicht dazu da ist, die Übertragung zu stoppen.

Das ist größtenteils falsch. „Natürlich muss ein Impfstoff eine Immunreaktion bei der geimpften Person hervorrufen. Und die aktuell zugelassenen Impfstoffe haben alle einen guten Schutz vor der Erkrankung Covid-19 gezeigt“, erklärt Till Koch. 

Der Impfstoff Comirnaty (BNT162b2) von Pfizer/Biontech zeigt laut PEI eine Wirksamkeit von zum Zeitpunkt der Zulassung eine Wirksamkeit von 95 Prozent, der Impfstoff mRNA-1273 von Moderna eine Wirksamkeit von 94 Prozent gegen eine Covid-19-Erkrankung. Anders ausgedrückt bedeutet das, wie das Bundesgesundheitsministerium auf der Webseite „Zusammen gegen Corona“ erläutert, dass die Wahrscheinlichkeit, an dem Virus zu erkranken, bei den COVID-19 geimpften Studienteilnehmenden um 94 beziehungsweise 95 Prozent geringer war als bei den Placebo-Geimpften. 

Ob die zugelassenen mRNA-Impfstoffe vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 schützen, ist noch unklar

Ob die beiden Impfstoffe vor einer Übertragung von SARS-CoV-2 an andere schützen, ist noch nicht endgültig klar. Das Robert-Koch-Institut (RKI) schreibt dazu im Epidemiologischen Bulletin vom 4. Februar 2021, dass die Unterbrechung oder Verminderung der Übertragung des Virus auf Basis der aktuell verfügbaren Daten zur Wirkung der aktuell zugelassenen Impfstoffe nicht sicher beurteilt werden können. Ergebnisse aus Tiermodellen und Beobachtungen ließen jedoch vermuten, dass die Impfstoffe die Übertragung reduzieren. Und: „Die Wirksamkeit anderer Impfstoffe auf die Verhinderung der Virustransmission [Anm. d. Red.: Übertragung] durch Geimpfte lässt mit Berechtigung vermuten, dass auch durch die Covid-19-Impfstoffe die Transmission von SARS-CoV-2 in der Bevölkerung reduziert wird.“ 

Ob ein Impfstoff vor einer Übertragung schützt oder nicht, ist jedoch keine Voraussetzung für die Zulassung eines Impfstoffes. Genauso wenig wie der vollständig gesicherte Schutz vor einer Erkrankung. Das RKI erläutert dazu: „Keine einzige Impfung vermag ausnahmslos alle Geimpften zu schützen ebenso wie kein Medikament bei sämtlichen Patienten wirkt.“ Auch gibt es Impfstoffe, die lediglich vor besonders schweren Erkrankungsverläufen schützen, wie beispielsweise bei der BCG-Impfung gegen Tuberkulose.

Redigatur: Sarah Thust, Till Eckert

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Das Epidemiologische Bulletin des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom 4. Februar 2021: Link
  • Hinweise des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) zu Wirksamkeit von und Schutz durch Impfstoffe: Link
  • Das „Bulletin zur Arzneimittelsicherheit“ vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI): Link 

WHO-Bericht „Zugang zu Medikamenten und Impfstoffen“: Link