„Alte Menschen leben zu lange“: Mutmaßlich erfundenes Zitat von Christine Lagarde hat keinen Bezug zu Impfungen
Ein mutmaßlich erfundenes Zitat der ehemaligen Direktorin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, wird mit Bezug auf Corona-Impfungen verbreitet. Angeblich habe Lagarde gesagt, wenn alte Menschen zu lange leben, sei dies „ein Risiko für die Weltwirtschaft“. Die Behauptung kursiert seit vielen Jahren.
Seit Jahren wird Christine Lagarde, der ehemaligen Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF) und aktuellen Präsidentin der Europäischen Zentralbank, folgendes Zitat zugeschrieben: „Alte Menschen leben zu lange und es ist ein Risiko für die Weltwirtschaft, etwas muss getan werden.“ Nun wird es wieder auf Facebook geteilt und ein irreführender Bezug zur Corona-Pandemie hergestellt (hier und hier).
CORRECTIV.Faktencheck hat bereits im Dezember 2019 ausführlich dazu recherchiert und nirgends einen Beleg für eine solche Aussage Lagardes gefunden. Das angebliche Zitat tauchte bereits 2014 in verschiedenen Sprachen im Internet auf. Es handelt sich höchstwahrscheinlich um eine Erfindung, die auf einer übertriebenen Zuspitzung beruht.
Der Ursprung könnte der Global Financial Stability Report des IWF von 2012 gewesen sein. Darin geht es in Kapitel 4 um das „Longevity Risk“ („Langlebigkeitsrisiko“). Der Bericht führt aus, dass die Tatsache, dass Menschen länger leben würden als erwartet, mehr wirtschaftliche Ressourcen verbrauche. Dies sei unterschätzt worden. Die Formulierung „alte Menschen leben zu lange“ findet sich in dem Bericht aber nicht. Lagarde selbst drückte in verschiedenen Reden nach unseren Recherchen zwar Sorgen über die Überalterung der Gesellschaft aus, äußerte sich dabei aber stets respektvoll über alte Menschen.
Es gibt also für das Zitat keine Belege. Ebensowenig besteht ein Zusammenhang zu Impfungen oder zur Corona-Pandemie.
Zitat einer Expertin bei CNN zu Covid-19-Impfungen wurde irreführend verkürzt
Der zweite Teil des Beitrags auf Facebook ist eine Aussage, die dem US-TV-Sender CNN zugeschrieben wird: Man solle „nicht beunruhigt“ sein, „wenn Menschen nach der Einnahme des Impfstoffes zu sterben beginnen“; das habe „nicht unbedingt etwas mit dem Impfstoff zu tun“.
Dieses Zitat wurde offenbar auch bereits in den USA genutzt, um Stimmung gegen Covid-19-Impfungen zu machen. Es gibt einen Faktencheck von Anfang Dezember 2020 von Reuters dazu. Die Aussage ist demnach verkürzt und aus dem Kontext gerissen worden.
Kelly Moore, stellvertretende Direktorin der Immunization Action Coalition, hatte in einem Beitrag von CNN vom 4. Dezember 2020 gesagt: „Wir wollen sicherstellen, dass Menschen verstehen, dass sie nicht unnötig besorgt sein müssen, wenn es nach dem Start der Impfungen Berichte über Menschen in Pflegeheimen gibt, die innerhalb von ein, zwei Tagen nach der Impfung sterben. Das ist etwas, das wir als normale Ereignisse erwarten können, denn Menschen sterben regelmäßig in Pflegeheimen.“
In dem CNN-Beitrag ging es darum, dass alte Menschen in Pflegeeinrichtungen zuerst geimpft werden sollten. Moore wies darauf hin, dass Menschen in solchen Heimen das Ende ihres Lebens verbringen und es daher möglich sei, dass sie zufällig kurz nach der Impfung sterben.
Fazit: Die Kombination einer verzerrten Aussage einer US-Impfexpertin und einer mutmaßlich frei erfundenen Aussage von Christine Lagarde suggeriert einen Zusammenhang der beiden Zitate. Eine solche Verbindung existiert jedoch nicht.
Redigatur: Sarah Thust, Steffen Kutzner
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck: