Faktencheck

Corona-Fallzahlen des RKI sind auf Personen bezogen, nicht auf die Anzahl der durchgeführten Tests

Eine Allgemeinmedizinerin behauptet, dass die Statistiken des Robert-Koch-Instituts falsch seien. Menschen, die sich nach einer überstandenen Infektion erneut testen ließen, würden mehrfach gezählt. Die Behörde weist die Behauptung zurück – und Gesundheitsämter erklären, wie sie doppelte Meldungen verhindern.

von Matthias Bau

Eingang mit Schriftzug Robert Koch-Institut, Berlin, Deutschland
Eine Allgemeinmedizinerin behauptet, dass die Statistiken des RKI fehlerhaft seien (Quelle: Picture Alliance / CHROMEORANGE/ Christian Beier)
Behauptung
Das RKI zähle Corona-Tests von Personen, die mehrfach getestet werden, jedes Mal als neue Infektion.
Bewertung
Falsch. Das RKI zählt nicht jeden positiven Corona-Test als neuen Fall, sondern nur einzelne Neuinfektionen. Die Ärztin hat ihre Aussage zurückgezogen.

Das Robert-Koch-Institut (RKI) zähle Coronatests von Menschen, die mehrfach getestet werden, jedes Mal als neue Infektion, behauptet die Ärztin Katrin Kessler in einem Video mit dem Titel „RKI gibt Betrug zu – wann bricht die Pyramide zusammen?“ (hier und hier). Aufgegriffen wurde die Behauptung unter anderem von der Internetseite Journalistenwatch

Das RKI weist die Behauptung zurück und auch mehrere Gesundheitsämter teilten uns mit, dass das Meldesystem doppelte Meldungen für denselben Fall verhindere. Kessler selbst hat ihre Aussage mittlerweile in einem weiteren Video zurückgezogen.

Fallzahlen des RKI geben laut Pressesprecherin einzelne Infektionen wieder

Pressesprecherin Susanne Glasmacher teilte auf die Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck per E-Mail mit, dass die vom RKI veröffentlichten Fallzahlen „Infektionen beziehungsweise Personen“ entsprächen. Ein Fall würde bei weiteren Tests im Verlauf des Fallmanagements nicht erneut an das RKI übermittelt. Eine doppelte Zählung findet bei Nachtestungen desselben Patienten also nicht statt.

Auszug aus der Mail der Pressesprecherin des RKI, Susanne Glasmacher
Auszug aus der Mail der Pressesprecherin des RKI, Susanne Glasmacher (Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Ärztin widerruft ihre Aussage 

CORRECTIV.Faktencheck hat versucht die Ärztin telefonisch zu erreichen, um eine Stellungnahme von ihr einzuholen. Eine Arzthelferin wies uns jedoch darauf hin, dass Frau Kessler „kein Interesse“ daran habe mit uns zu sprechen. Wir könnten uns aber auf ihrem Youtube-Kanal informieren. 

Dort ist am 1. März ein Video mit dem Titel „Wichtiger Nachtrag zum RKI-Video eingestellt worden. In dem Video zieht Kessler ihre Aussage über die Statistik des RKI zurück. Sie habe „heute erst erfahren“,  dass einige Gesundheitsämter „tatsächlich schauen, das keine doppelt gemeldeten beim Robert Koch-Institut-landen“. Diese Information habe sie von ihrem Mitarbeiter erhalten. Für ihre Behauptung entschuldigt sich Kessler in dem Video, ihre Aussage sei „in Unwissenheit“ geschehen.

So vermeiden Gesundheitsämter doppelte Meldungen

CORRECTIV.Faktencheck hat außerdem mehrere Gesundheitsämter in Deutschland angefragt und um eine Stellungnahme zu den Behauptungen der Ärztin gebeten. Aus Mainz, Leipzig und Dortmund erhielten wir Antworten. Alle Ämter gaben an, dass Mehrfachmeldungen nicht einfach an das RKI übermittelt würden. Vielmehr ordne man die Tests einem bestehenden Fall bzw. einer Person zu.

Pressesprecherin Anke Widow erklärte uns das Vorgehen der Stadt Dortmund im Detail. Die Stadt verwende die Software Survnet, um „alle meldepflichtigen Erkrankungen“ an das RKI zu melden. Mit Hilfe der Software sei es möglich, erneute Testungen des gleichen Menschen „im Rahmen einer noch nicht ausgeheilten Infektion“ zu erkennen. So werde sichergestellt, dass „weder vom RKI, noch vom LZG oder dem Gesundheitsamt Dortmund“ manche Menschen mehrfach gezählt würden. 

Trotzdem könne es sein, dass derselbe Mensch als ein weiterer Fall erfasst werde. Zum Beispiel dann, wenn eine erneute Infektion mit SARS-CoV-2 auftrete. Jede neu eingehende Meldung einer meldepflichtigen übertragbaren Erkrankung, wie zum Beispiel im Falle einer Reinfektion mit SARS-CoV-2, bekomme ein eigenes Aktenzeichen, die sogenannte Fallidentifikationsnummer, erläuterte die Sprecherin. Ändere sich dieses Aktenzeichen nicht, dann handele es sich um ein und denselben Meldefall.  

Solche Reinfektionen sind jedoch selten, wie die Pharmazeutische Zeitung und das Science Media Center berichteten. In Dortmund traten bei 18.000 Corona-Fällen erst zwei Reinfektionen auf, wie uns Pressesprecherin Widow mitteilte.

Update, 9. März 2021: Wir haben die Informationen der Gesundheitsämter ergänzt. 

Update, 10. März 2021: Wir haben die exakte Zahl der Reinfektionen in Dortmund ergänzt. 

Redigatur: Steffen Kutzner, Till Eckert

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck: 

  • Flussdiagramm des RKI „COVID-19-Verdacht: Testkriterien und Maßnahmen“: Link
  • Erklärung des Bundesgesundheitsministerium zu der Frage „Wer wird nach der geltenden nationalen Teststrategie auf COVID-19 getestet?“: Link