Stuttgarter Polizeidirektor Carsten Höfler ist weiterhin im Dienst und wurde nicht „ausgetauscht“
Wurde der Stuttgarter Polizeidirektor Carsten Höfler aufgrund seiner gewählten Einsatztaktik bei Corona-Demonstrationen Anfang April entlassen oder versetzt? Nein, laut dem baden-württembergischen Innenministerium und der Polizei Stuttgart ist Höfler weiterhin im Dienst.
Polizei-Einsatzleiter Carsten Höfler sei nach einer „Anordnung von ganz oben“ „ausgetauscht“ worden, weil er „sich weigerte, in Stuttgart auf besorgte Bürger einschlagen zu lassen“ – das behaupten Menschen seit dem 20. April auf Facebook (zum Beispiel hier, hier, hier oder hier). Die Beiträge wurden mehrere Tausend Mal geteilt.
Die Behauptung ist falsch. Die Polizei Stuttgart sowie das baden-württembergische Innenministerium bestätigen, dass Höfler weiterhin als Polizeidirektor in Stuttgart im Einsatz sei.
Innenministerium und Polizei Stuttgart bestätigen, dass Höfler weiterhin im Dienst ist
Ein Sprecher des Innenministeriums schrieb uns am 27. April 2021 auf Nachfrage in einer E-Mail: „Leitender Polizeidirektor Carsten Höfler ist Leiter der Schutzpolizeidirektion beim Polizeipräsidium Stuttgart und übt diese Tätigkeit auch weiterhin aus.“
Die Polizei Stuttgart veröffentlichte am 21. April einen Tweet und dementierte die Gerüchte ebenfalls: „In den sozialen Medien kursieren derzeit Gerüchte, dass Herr Höfler, unser Einsatzleiter vom 03.04.21, ‘ausgetauscht’ worden sei. Das stimmt nicht, das sind #FakeNews.“
Einem Medienbericht zufolge ist Höfler seit November 2020 Chef der uniformierten Schutzpolizei. Das bestätigt uns gegenüber auch ein Sprecher der Polizei Stuttgart am 27. April: „Herr Höfler (Leitender Polizeidirektor) ist beim Polizeipräsidium Stuttgart der Leiter der Schutzpolizeidirektion. In dieser Direktion sind alle Polizeireviere Stuttgarts angesiedelt. Zudem fungiert er als Einsatzleiter bei größeren Einsatzlagen, z.B. Querdenker-Demonstrationen.“ Diese Positionen habe er seit Herbst 2020 inne und daran habe sich seitdem nichts geändert.
Doch warum verbreitet sich diese Falschbehauptung? Nach Corona-Demonstrationen am 3. April 2021 in Stuttgart wurden laut Medienberichten Polizei und Politik kritisiert. Journalisten seien attackiert worden und die Teilnehmenden hätten die geltenden Hygieneregeln ignoriert. Kritiker warfen der Polizei vor, dass sie nicht härter gegen die Verstöße vorgegangen sei, man habe die „15.000 Demonstrierenden gewähren lassen“. Die Veranstaltung hätte zudem gar nicht erst genehmigt werden dürfen. Die Kritik kam beispielsweise auch vom baden-württembergischen Sozialministerium, vom Landesvorsitzenden der FDP und der Deutschen Polizeigewerkschaft.
Aus der Pressemitteilung der Polizei Stuttgart vom 3. April geht hervor, dass die Polizei 254 Corona-Verstöße Teilnehmender aufgenommen hat, die Demonstration aber als „insgesamt friedlich“ eingestuft hat.
Aufgrund der Kritik kam es zu einer Sondersitzung des Stuttgarter Gemeinderats am 15. April 2021. In der Sitzung äußerte sich auch Carsten Höfler, der den Einsatz am 3. April geleitet hatte. Die vollständige Stellungnahme Höflers ist auf Youtube (ab Minute 55:45) zu sehen. Aus diesem Video stammt offenbar auch der Screenshot, mit dem die Falschaussage auf Facebook verbreitet wird.
Corona-Gegner bezeichnen den Polizeidirektor als „Mutmacher“
Höfler sagte in der Sitzung unter anderem über die Einsatztaktik: „Wir hatten Tausende von Menschen, wir hatten 30-Jährige, 40-, 50-, 60-, 70-Jährige mit Hund, ohne Hund, mit Kindern. Wir hatten Tausende Menschen unserer bürgerlichen Mitte, die völlig friedlich dort stehen. Manche nennen das ziviler Ungehorsam. Und dann sollen wir diese Menschen notfalls mit unmittelbarem Zwang, also mit Pfefferspray, mit Schlagstock, mit Wasserwerfern […] von dem Wasen-Gelände runtertreiben. Das ist unverhältnismäßig. Krieg’ ich als Einsatzleiter nicht hin. Und deswegen habe ich mich auch eindeutig dagegen ausgesprochen. Dafür stehe ich als Einsatzleiter nicht zur Verfügung.“ Es seien auch Menschen aus dem extremistischen Spektrum dort gewesen, bestätigte Höfler, aber vor allem „Tausende Menschen aus der bürgerlichen Mitte“.
Wegen dieser Aussagen wurde Höfler in Kreisen von Verschwörungstheoretikern und Gegnern der Corona-Maßnahmen als „Mutigmacher“ bezeichnet, zum Beispiel im Telegram-Kanal von Corona Transition, in dem immer wieder Desinformation verbreitet wird. Ähnliche Beiträge finden sich zum Beispiel im Telegram-Kanal Q-ANONS oder im Kanal Polizisten für Aufklärung, wo es heißt: „Wir verneigen uns vor diesem Menschen in Uniform!“
Ein ähnliches Gerücht, wie das über Carsten Höflers „Austausch“, verbreitete sich bereits im September 2020. Damals hieß es, ein Polizist habe nach seinem Einsatz bei einem Corona-Protest in Berlin gekündigt. Laut Polizei handelte es sich auch dabei um eine Falschbehauptung.
Redigatur: Alice Echtermann, Sarah Thust