Warum Magnete am Arm haften können und das nichts mit der Covid-19-Impfung zu tun hat
Im Internet kursieren mehrere Videos, in denen sich Menschen einen Magneten an den Arm haften. Einige wollen damit nachweisen, dass die Einstichstelle nach einer Covid-19-Impfung magnetisch sei oder leiten daraus ab, dass ihnen beim Impfen ein Chip eingepflanzt worden sein muss. Dass der Magnet haften bleibt, hat aber einen einfachen physikalischen Grund.
In mehreren Videos im Netz sind Menschen zu sehen, die behaupten, nach einer Corona-Impfung würde ein Magnet an ihrem Oberarm haften bleiben (hier, hier, hier oder hier). In einigen Beiträgen wird suggeriert, die Ursache dafür könnten Mikrochips sein, die mit der Corona-Schutzimpfung in den Körper injiziert worden seien. Nirgendwo ist jedoch klar zu erkennen, ob die Personen wirklich zuvor geimpft worden sind.
Solche Videos kursieren seit Wochen weltweit – seit Mai verbreiten sie sich auch in Deutschland. Es gibt eine einfache Erklärung dafür, dass die Magneten auf der Haut haften bleiben: die sogenannte Adhäsion.
Ein einfacher Selbstversuch zeigt: Ein Magnet „klebt“ an allen Körperstellen, die feucht und eben sind – bei Geimpften wie bei Ungeimpften. CORRECTIV.Faktencheck hat es ausprobiert. Ein funkfähiger Mikrochip würde zudem nicht in die Kanüle einer Impfspritze passen.
Hinter dem Effekt steckt Adhäsion, kein Magnetismus
Wir haben Gerhard Samulat von der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) gefragt, was in den Videos zu sehen ist: Er erklärt die Bilder mit Adhäsion. Adhäsion bedeutet, dass zwischen unterschiedlichen Teilchen Anziehungskräfte entstehen können. Anders ausgedrückt: Adhäsion beschreibt die Tendenz, dass unterschiedliche Atome, Moleküle oder Flächen aneinander haften können. Mit Magnetismus hat das nichts zu tun.
„Ein einfaches Beispiel für Adhäsion ist das Aufpicken eines Krümels mit der Fingerspitze. Mit angefeuchtetem Finger geht das besonders gut, weil Wasser eine stark polare Flüssigkeit ist“, schreibt uns Samulat per E-Mail. Stark polar sind Wassermoleküle (H2O), weil sie aus einem negativ geladenen Sauerstoffteilchen (beziehungsweise -molekül) und zwei positiv geladenen Wasserstoffteilchen bestehen.
In einem Versuch „klebt“ der Magnet bei geimpfter und ungeimpfter Person
Etwas Ähnliches passiert auch in den verbreiteten Videos. Ist die Haut nass, verschwitzt oder ölig, kann eine solche Anziehungskraft verstärkt werden. Das haben wir auch im Selbstversuch festgestellt: Ein Magnet blieb in unserem Versuch auf feuchter Haut am Arm und am Bauch „kleben“. Wir haben das bei einer Geimpften und bei einer ungeimpften Person ausprobiert, der Magnet hielt.
Auch der Wissenschaftsautor Mick West zeigt in einem Video auf seiner Website „Metabunk“, dass neben Magneten auch Metallisches wie Münzen und andere glatte Gegenstände am Körper haften können, wenn die Haut eingeölt wurde.
Die Videos führen folglich in die Irre. Es gibt auch keine Hinweise darauf, dass mit der Covid-19-Impfung metallbasierte oder magnetische Stoffe injiziert werden (Inhaltsstoffe: Biontech/Pfizer, Astrazeneca, Moderna, Janssen).
Auch das Bundesministerium für Gesundheit äußerte sich am 26. Mai auf Twitter zu den Gerüchten: „Bei der Corona-Schutzimpfung werden keine Mikrochips verabreicht! Dementsprechend ist auch die Einstichstelle nicht magnetisch. Dass in einigen Videos trotzdem Magnete an der Einstichstelle haften, liegt an der sogenannten Adhäsions- oder auch Anhangskraft. Diese kann durch Schweiß, Fett oder Öle auf der Hautoberfläche verstärkt werden.“
Das bestätigte auch Thomas Hope, ein US-amerikanischer Professor für Zell- und Entwicklungsbiologie an der Feinberg School of Medicine der Northwestern University in den USA, den Faktencheckern der AFP.
In den Impfstoffen gegen das Coronavirus gebe es nichts, das mit einem Magneten interagieren könne. „Es sind Proteine und Lipide, Salze, Wasser und Chemikalien, die den pH-Wert aufrechterhalten. Das ist im Grunde alles, also ist das nicht möglich“, sagte demnach Hope. Selbst wenn ein Impfstoff Spuren von metallischer Substanz enthielte, „müsste man ein ziemlich beträchtliches Stück Metall unter die Haut bringen, damit die Kühlschrankmagnete haften“.
Der kleinste funkfähige Mikrochip würde bei einer Corona-Impfung nicht durch die Kanüle passen
In einigen Beiträgen ist sogar die Rede davon, in den Impfstoffen sei ein Mikrochip enthalten. Dahinter steckt die bereits seit 2020 kursierende Verschwörungserzählung, Bill Gates stecke hinter der Verbreitung des Coronavirus und wolle Menschen mit den Impfungen Mikrochips einpflanzen, um die Menschheit zu überwachen.
Das US-amerikanische Centers for Disease Control and Prevention (CDC) hat das bereits dementiert und schreibt: „Nein, die Regierung nutzt die Impfungen nicht, um Sie zu tracken.“
Der Chaos Computer Club (CCC) teilte CORRECTIV.Faktencheck per E-Mail mit, dass es schon an der Größe scheitern würde, Menschen funktionsfähige Mikrochips durch eine Impfung zu verabreichen. Die allerkleinsten Chips, die wenigstens einfachste Funktionen ausführen und per Funk kommunizieren könnten, seien zwischen 0,6 und einem Millimeter dick – und somit zu dick für eine Impfnadel.
Corona-Impfungen werden laut eines Berichts des Ärzteblatts mit schmaleren Nadeln durchgeführt, der Innendurchmesser solcher Nadeln liegt zwischen 0,26 Millimeter und 0,337 Millimeter. Die Durchmesser der Kanülen sind unter anderem nach EN ISO 6009 genormt.
Weiter schreibt der CCC: „Da der menschliche Körper zum größten Teil aus Wasser besteht ist es sehr schwierig mit Funk aus seinem Inneren heraus zu kommunizieren, alle Anwendungen dafür (etwa Programmierung von Herzschrittmachern u.ä.) benötigen deswegen eine aufgelegte Antenne. Den aus diversen Hollywood-Movies bekannten injizierbaren Tracking-Chip, der über mehr als ein paar Zentimeter Entfernung funkkommunizieren kann, gibt es aus diesem Grund nicht.“
Es existieren bereits Bioimplantate und Mikrotechnik, die Technologien beherrschen, die beispielsweise in Smartphones und Zahlungskarten zu finden sind. Solche Implantate erfordern jedoch eine Nadelstärke von etwa drei Millimetern, wie die AFP berichtete.
Fazit: Magneten bleiben hängen, wenn Flächen nass oder ölig sind
Die Videos der vermeintlich magnetischen Oberarme nach der Impfung haben sich weltweit verbreitet, folglich kursieren zahlreiche unterschiedliche Selbstversuche. Wir entdeckten Beiträge auf Englisch, Französisch, Ungarisch, Bulgarisch, Slowakisch, Georgisch und Serbisch.
Den Videos, die sich rasant verbreiten, fehlt oft der nötige Kontext. In einigen ist zu erkennen, dass die Haut der Person glänzt oder feucht ist. Dort „klebt“ der Magnet besonders gut, das hat aber mit Magnetismus nichts zu tun. Es handelt sich um den physikalischen Effekt der Adhäsion, der bei allen Menschen auftreten kann.
Redigatur: Uschi Jonas, Till Eckert