Gendergerechte Sprache: Foto zeigt Vorschläge aus einem Sachbuch, keine Vorschriften
In Sozialen Netzwerken kursiert das Foto einer Buchseite, auf der verschiedene Begriffe zu lesen sind. Suggeriert wird im Beitrag dazu, man müsse „eine neue Sprache lernen“, wenn die Grünen gewählt würden. Es handelt sich jedoch lediglich um Vorschläge aus einem Sachbuch von Lann Hornscheidt.
„Mit anderen Worten, wir müssen eine andere Sprache lernen oder die Grünen nicht wählen“, schreibt ein Facebook-Nutzer in einem Beitrag, in dem auch eine abfotografierte Buchseite zu sehen ist. Auf dieser sind „genderfreie“ und „ex-gendernde“ Begriffe wie „Pama“ und „Mapa“ statt „Papa“ und „Mama“ zu lesen. Suggeriert wird, diese müssten gelernt werden, wenn die Grünen gewählt würden.
Die Buchseite kursiert auch auf Twitter. Es handelt sich lediglich um Vorschläge aus einem Buch zum Thema gendergerechtem Schreiben und nicht um Vorschriften. Dieser Kontext fehlt in den Beiträgen.
Begriffe stammen aus einem Buch von Lann Hornscheidt
Über eine Twitter-Suche nach verschiedenen Begriffen, die auf der Buchseite zu lesen sind, wie etwa „Geschwistens“, fanden wir einen Beitrag, in dem auch ein Buchcover geteilt wird. Der Titel lautet „Wie schreibe ich divers? Wie spreche ich gendergerecht?“ von Lann Hornscheidt. Hornscheidt ist auf dem Gebiet der Sprachwissenschaft und Gender Studies tätig.
Hornscheidt schrieb uns auf Anfrage: „Ja, die Seite entstammt dem Buch ‘Wie schreibe ich divers? Wie formuliere ich gendergerecht?’. Es ist eine von vielen Tabellen, die konkret deutlich machen, wie Sprache verändert werden könnte oder von Menschen bereits verändert wird, die nicht Zweigeschlechtlichkeit reproduzieren wollen.“
„Dies ist bei Familien- und Verwandtschaftsverhältnissen besonders, da diese Ausdrücke lexikalisiert gegendert sind: es gibt also zwei nebeneinanderstehende Formen für Frauen und Männer: Mutter und Vater, Tante und Onkel und so weiter (im Gegensatz zu grammatikalischen Genderungen, die über Endungen passieren: Leser oder Leserin). Daher braucht es eine höhere Kreativität, sprachliche Formen für Verwandtschaftsverhältnisse zu entgendern bzw. zu ent-zweigendern“, sagt Hornscheidt.
Einige der Formen im Buch seien von Hornscheidt ausgedacht worden. Andere entstammten etwa dem Kinderbuch „Rubberband Families – Gummiband-Familien“, das sich spielerisch mit dem vorurteilsfreien Umgang mit Sprache in der Familie beschäftigt. „Es gibt auch weitere Kinderbücher, die solche Formen verwenden“, sagt Hornscheidt.
Es handelt sich lediglich um Vorschläge zu gendergerechtem Schreiben – nicht um Zwang oder Vorschriften
Hornscheidt stellt außerdem klar: „Das vielleicht größte Missverständnis liegt darin, dass dies alles Vorschläge, Ideen und Anregungen sind für die Menschen, die sich in Bezug auf Gender nicht diskriminierend ausdrücken wollen. Nichts davon ist Vorschrift oder Regel. Es gibt keine Verbote und keine Vorschriften in dem Buch. Nichts davon ist parteipolitisch inspiriert, gebunden oder assoziiert.“
Mit den Grünen haben also weder das Buch noch die Worte etwas zu tun. Zum Thema gibt es in der Partei jedoch tatsächlich eindeutige Positionen: So sprach sich die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock laut Medienberichten kürzlich für die Einführung gendergerechter Sprache in Gesetzestexten aus, sollte sie Kanzlerin werden.
Redigatur: Tania Röttger, Uschi Jonas