Webseite aus Indien verwendete fälschlich Gürtelrose-Symbolbild in Artikel über Affenpocken
Auf Telegram und Facebook verbreitet sich eine Collage mit Screenshots zweier Webseiten. Beide verwenden ein Bild von einer Hand mit Hautausschlag, einmal als Symbolbild für Affenpocken, das andere Mal für Gürtelrose. Online wird daraus der Schluss gezogen, die berichteten Fälle von Affenpocken-Infektionen seien in Wahrheit Fälle von Gürtelrose. Das stimmt nicht.
Seit dem 23. Mai kursieren auf Telegram und Facebook diverse Beiträge, die eine Collage über Affenpocken und Gürtelrose verbreiten. Darauf zu sehen sind ein Ausschnitt einer australischen Regierungswebseite über Gürtelrose und ein englischsprachiger Artikel über Affenpocken. Behauptet wird, beide Webseiten würden dasselbe Bild benutzen. Dazu heißt es: „Nein, keine Affenpocken! Gürtelrose, eine Nebenwirkung der Corona-Impfung!“, oder: „Gürtelrose heißt jetzt Affenpocken! Sehr komisch!“ Das Bild kursiert international.
Tatsächlich benutzten beide Webseiten zeitweise dasselbe Bild. Das heißt jedoch nicht, dass es keine Affenpocken-Fälle gab, oder Fälle von Gürtelrose fälschlich als Affenpocken-Infektionen berichtet wurden. Die Webseite mit dem Artikel über Affenpocken hat ihren Fehler korrigiert und nutzt mittlerweile ein anderes Bild. Expertinnen und Experten erklärten uns, was Affenpocken und Gürtelrose unterscheidet.
Indische Webseite änderte Bild im Artikel über Affenpocken
Mit beiden Screenshots sind die Ursprungswebseiten schnell zu ermitteln. Mit Hilfe der URL-Elemente „health qld gov au“ und dem englischen Begriff für Gürtelrose finden wir die rechts abgebildete Webseite des australischen Bundesstaats Queensland. In dem Artikel geht es um Gürtelrose; das abgebildete Bild einer mit Pusteln übersäten Hand findet sich dort wieder.
Unter den Screenshots, die auf Facebook und Telegram geteilt werden, ist unten und halb abgeschnitten das Google-Translate-Symbol zu erkennen. Die australische Webseite wurde offenbar automatisch ins Deutsche übersetzt, bevor ein Screenshot gemacht wurde.
Die links abgebildete Webseite thehealthsite lässt sich ebenfalls schnell mit den Suchbegriffen „healthsite“ und dem ins Englische übersetzten Begriff „monkey pox“ finden. Auf der indischen Webseite findet sich das angezeigte Bild jedoch nicht. Eine archivierte Version zeigt allerdings, dass die Seite das Bild in der Vergangenheit tatsächlich benutzt hatte. Der Artikel wurde das erste Mal am 17. Juli 2021 veröffentlicht. Der Anlass: Im Juli des vergangenen Jahres war in Texas ein Fall von Affenpocken bekannt geworden.
Am 23. Mai 2022 wurde der Artikel aktualisiert und mit einem neuen Bild versehen, das Aktualisierungsdatum ist im Artikel zu sehen. Vermutlich wurde fälschlicherweise ein unpassendes Bild verwendet. Denn Gürtelrose und Affenpocken sind anhand von Symptomen nicht immer direkt zu unterscheiden, wie Expertinnen und Experten uns erklärten. Unsere Presseanfrage an thehealthsite blieb bislang unbeantwortet.
Affenpocken-Infektionen bei Menschen seit 1970 bekannt – Krankheitsverlauf normalerweise mild
Bei Affenpocken handelt es sich um eine Viruserkrankung. Ein erster Fall der Erkrankung wurde laut dem Robert-Koch-Institut (RKI) erstmals 1970 festgestellt. In west- und zentralafrikanischen Ländern gab es seitdem immer wieder Fälle, außerhalb des afrikanischen Kontinents jedoch nur einzelne Fälle. Am 7. Mai 2022 wurde in Großbritannien ein Affenpocken-Fall bekannt. Mittlerweile gibt es dort 70 Fälle (Stand: 23. Mai). In Deutschland und weiteren europäischen Ländern wurden danach weitere Fälle gemeldet.
Laut der UK Health Security Agency ist der Krankheitsverlauf bei Affenpocken normalerweise mild, Infizierte erholen sich meist innerhalb von ein paar Wochen ohne Behandlung. Symptome sind Fieber, Müdigkeit, Kopfschmerzen und geschwollene Lymphknoten. Zudem kann sich nach einigen Tagen ein Ausschlag bilden, der sich zunächst im Gesicht und dann weiter auf dem Körper verteilt. Der Weltgesundheitsorganisation zufolge zeigen Studien eine etwa 85-prozentige Wirksamkeit der Pockenimpfung bei der Vorbeugung von Affenpocken.
Bei einigen Betroffen könnten jedoch auch schwere Verläufe auftreten, so das RKI. Eine Infektion im Auge könne im schlimmsten Fall etwa zu Blindheit führen, erklärte uns Stephan Becker am Telefon. Er ist stellvertretender Koordinator für neu auftretende Infektionskrankheiten beim Deutschen Zentrum für Infektionskrankheiten. Auffällig bei den zur Zeit gemeldeten Fällen sei, dass diese nicht unbedingt im Gesicht, sondern im Bereich der Geschlechtsorgane auftreten.
Wann es bei Affenpocken zu einer Übertragung kommt
Laut RKI können sich Menschen vor allem durch Kontakt mit infizierten Tieren anstecken. Bereits 2003 kam es in den USA zu einem Ausbruch mit mehr als 40 Fällen – damals wurde dies auf importierte Nagetiere zurückgeführt.
Eine Übertragung von Mensch zu Mensch sei selten und nur bei engem Kontakt möglich, „kann aber durch Kontakt mit Körperflüssigkeiten, typischen Hautveränderungen (zum Beispiel Bläscheninhalt, Schorf) der Affenpocken-Infizierten auftreten“, so das RKI. Es sei derzeit nicht sicher, ob Affenpocken durch direkte sexuelle Übertragungswege (etwa durch Sperma oder Vaginalsekret) verbreitet werden können, direkter Kontakt mit Hautverletzungen während sexueller Aktivitäten könne das Virus jedoch verbreiten.
Affenpocken und Gürtelrose sind unterschiedliche Viren mit teils ähnlichen Symptomen
Bei Affenpocken und Gürtelrose handele es sich um „zwei ganz unterschiedliche Viren“, schrieb uns auf Anfrage eine Pressesprecherin des Friedrich-Loeffler-Institut (FLI), dem Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit. Affenpocken seien eine Viruserkrankung, ausgelöst durch das Affenpockenvirus. Der Erreger der Windpocken gehöre hingegen zu den Herpesviren.
Der Infektionsweg unterscheide sich zudem: Eine Gürtelrose werde durch reaktivierte Windpocken hervorgerufen. Das heißt: Nur wer Windpocken hatte, kann an einer Gürtelrose erkranken.
Affenpocken und Gürtelrose können beide Hautveränderungen oder Pusteln verursachen, bei Affenpocken gebe es jedoch nicht die für Gürtelrose charakteristische Anordnung der Pusteln als „Gürtel“, so die FLI-Sprecherin.
Das bestätigte auch Kerstin Lommel, Chefärztin an der Klinik Berlin-Buch für Dermatologie. Sie erklärte uns telefonisch: Die Gürtelrose zeige sich normalerweise begrenzt an einer Körperregion mit gruppiert stehenden Bläschen. Das sei bei Affenpocken anders, die überall am Körper verstreut sein könnten und tiefe Wunden hinterließen. Dabei würden sie Windpocken ähneln, die ebenfalls verstreut am Körper auftreten könnten.
Auch wenn sich die Pusteln bei Affenpocken und Gürtelrose normalerweise anders am Körper verteilen, können sie ähnlich aussehen. Daher seien die Erkrankungen nicht immer leicht zu unterscheiden, so Stephan Becker. Mit einem PCR-Abstrich könne man dies jedoch sicher herausfinden.
Redigatur: Matthias Bau, Viktor Marinov
Update, 27. Mai: Wir haben Überschrift und Textanfang überarbeitet, um besser hervorzuheben, dass Beiträge in Sozialen Netzwerken die Existenz der Affenpocken-Fälle infrage stellten.
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck: