Keine Belege für angebliche „Putin-Steuer“
In Sozialen Netzwerken kursieren Fotos, die eine angebliche Putin-Steuer auf verschiedene Produkte und Dienstleistungen in der Schweiz, Finnland und Italien belegen sollen. Doch eine solche Steuer gibt es nicht.
In Sozialen Netzwerken kursieren mehrere Fotos verschiedener Produkte und Dienstleistungen aus der Schweiz, Finnland und Italien, die belegen sollen, dass eine Putin-Steuer erhoben werde. „Jetzt wird es richtig absurd“, heißt es etwa in einem Beitrag zu einer Nebenkostenabrechnung. „‚Putin-Steuer‘ auf Schweizer Heizkosten-Abrechnungen. Und dies unter der Androhung, frieren zu müssen.“ Auch auf Vierkornflocken in Finnland und öffentliche Toiletten in Italien soll laut verschiedenen Beiträgen angeblich eine solche Steuer erhoben werden. Einige der Beiträge sind augenscheinlich humoristisch gemeint.
Wir haben uns die Fälle angeschaut und fanden keine Belege dafür, dass es in der Schweiz, Finnland oder Italien eine solche Steuer für die genannten Produkte oder Dienstleistungen gibt.
Putin-Steuer im Kanton Bern nicht bekannt
Wir haben uns zunächst die angebliche Nebenkostenabrechnung aus der Schweiz angesehen. In der angeblichen Abrechnung findet sich oben der Name der Stadt Bern. Wir haben daher bei dem Mieterinnen- und Mieterverband für den Kanton Bern nachgefragt, ob das Schreiben dort bekannt sei und ob Vermieterinnen und Vermieter eigenmächtig eine derartige Steuer erheben dürfen.
Sabina Meier, Geschäftsleiterin des Mieterinnen- und Mieterverbands Kanton Bern, antwortete uns, dass sie keine Kenntnis von einer Putin-Steuer in Bern habe. Es gebe zudem keine rechtliche Grundlage für eine solche Steuer: „Nebenkosten können dem Mieter nur verrechnet werden, wenn sie im Mietvertrag explizit als Nebenkosten vereinbart wurden und entsprechend aufgelistet sind.“
Die Steuerverwaltung des Kanton Bern schrieb uns auf Anfrage: „Der bernischen Steuerverwaltung ist bisher noch kein Fall bekannt, dass Vermieterinnen und Vermieter im Kanton Bern ihren Mieterinnen und Mietern eine ‚Putin-Steuer‘ oder Ähnliches in Heiz- und Betriebskostenrechnungen verrechnen.“ Von offizieller Seite werde keine Putin-Steuer erhoben, so die Steuerverwaltung. Und Vermieter seien auch nicht befugt, eigenmächtig Steuern zu erheben.
Auch dem Energieversorgungsunternehmen der Stadt Bern, Energie Wasser Bern, sei nichts bekannt über eine angebliche Putin-Steuer, welche indirekt in Nebenkostenabrechnungen (Wärmeenergie) oder direkt in Stromrechnungen erhoben werde, schrieb uns Werner Buchholz aus der Abteilung Unternehmenskommunikation. Ebenso wenig kennt man beim schweizerischen Bundesamt für Energie eine solche Steuer. „Fakt ist, dass es auf Bundesebene keine solche Steuer gibt“, schrieb uns Marianne Zünd, Leiterin der Abteilung Medien und Politik. Eine solche Steuer widerspreche den detailliert und transparent auszuweisenden Posten der Nebenkostenabrechnung, so Zünd.
Preisschild mit angeblicher Putin-Steuer in Finnland ist manipuliert
Ein weiteres Foto mit einer angeblichen Putin-Steuer zeigt ein Preisschild für ein finnisches Produkt mit dem Namen „Neljän Viljan Hiutale“. Übersetzt heißt das Vierkornflocken. Als Markenname wird auf dem Schild „MyllynKivi“ angegeben. Unter dem Preis steht „Sotavero Putinia vastaan“, was so viel bedeutet wie „Kriegssteuer gegen Putin“.
Die Marke verfügt über keine eigene Webseite, wie eine Suche bei Google ergab. Eine andere Seite gibt als Hersteller des Produkts Lidl an. Wir haben daher bei der finnischen Tochtergesellschaft von Lidl, Lidl Suomi Ky, nachgefragt, ob das Produkt von ihnen stammt und ob auf das Produkt eine Putin-Steuer erhoben wird.
Sanna Laininen aus der Medienabteilung antwortete uns, dass das Produkt zwar von Lidl stamme, das Foto aber manipuliert sei und nicht mit dem Unternehmen in Verbindung stehe. „Wir haben keine derartigen Preisschilder und sogar der Name des Produkts ist falsch geschrieben.“ Wie auf dem Foto zu erkennen ist, enthält der Markenname auf dem Preisschild fälschlicherweise ein zusätzliches n.
Keine Belege für eine Putin-Steuer bei der Nutzung öffentlicher Toiletten in Italien
Laut Beiträgen in Sozialen Netzwerken sei auch eine Dienstleistung in Italien von der Steuer betroffen: So soll ein Foto zeigen, dass bei der Nutzung öffentlicher Toiletten 50 Cent zusätzlich zu zahlen seien. Hinter dem Betrag steht „la tassa di Putin“, was übersetzt Putin-Steuer heißt. Auf dem Foto ist zu sehen, dass es sich um ein Schild der Gruppo Veritas handelt, die öffentliche Toiletten in der Region Venetien betreibt.
Auf unsere Anfrage bei der Gruppo Veritas haben wir keine Rückmeldung erhalten. Wir haben zusätzlich bei der italienischen Faktencheck-Organisation Pagella Politica nachgefragt, ob sie Kenntnis von einer solchen Steuer hat. Carlo Canepa, Redakteur bei Pagella Politica, schrieb uns, dass er keine Belege für eine Putin-Steuer finden konnte.
Redigatur: Steffen Kutzner, Matthias Bau