Faktencheck

Nein, Eurogendfor ist keine geheime Militäreinheit, um Aufstände in der EU niederzuschlagen

In Sozialen Netzwerken wird behauptet, die Spezialeinheit „Eurogendfor“ sei heimlich in der Europäischen Union installiert worden, um hier Aufstände niederzuschlagen. Das ist falsch. Eurogendfor ist keine Institution der EU und nicht innerhalb der EU tätig. Sie ist auch nicht geheim.

von Gabriele Scherndl

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Eine Aufnahme von Mitgliedern der Eurogendfor aus dem Jahr 2011 in Spanien (Foto: Abel Alonso / Picture Alliance)
Behauptung
Die militärische Spezialeinheit Eurogendfor sei vor Jahren „still und heimlich“ in der Europäischen Union (EU) installiert worden. Deren Einsatzzweck sei die Niederschlagung von Aufständen in den EU-Ländern. Sie unterliege keinerlei Gesetzen.
Bewertung
Falsch. Die Eurogendfor existiert als Zusammenschluss der Gendarmerie-Kräfte einzelner europäischer Staaten. Sie wurde nicht „still und heimlich“ installiert und ist keine Institution der EU. Laut EU-Kommission hat Eurogendfor keine Befugnis, innerhalb der EU tätig zu werden.

„Still und heimlich“ sei die militärische Spezialeinheit Eurogendfor (EGF) in der EU vor Jahren installiert worden, um Aufstände in EU-Ländern niederzuschlagen, heißt es in einem Telegram-Beitrag. Dieser wurde über 156.000 Mal gesehen; mit dabei ist ein Video. Darin sagt der österreichische Ex-Politiker Ewald Stadler: Die Eurogendfor sei hinter verschlossenen Türen mit einem „Geheimvertrag“ gegründet worden und könne „militärisch und paramilitärisch“ gegen „die Leute, die sich das alles nicht mehr gefallen lassen wollen“ in der EU vorgehen. Das Video mit der Behauptung kursiert auch auf Tiktok und Facebook. 

Die Eurogendfor existiert zwar, sie ist aber keine geheime Militäreinheit, sondern ein öffentlich bekannter Zusammenschluss der Gendarmerie-Kräfte verschiedener Einzelstaaten in der EU. Sie darf laut EU-Kommission nicht in EU-Mitgliedsländern aktiv werden und für ihren Einsatz benötigt sie immer eine Rechtsgrundlage.

Ein Telegram-Beitrag, in dem ein Video von Ewald Stadler geteilt wird.
Auf Telegram kursiert die Behauptung, eine geheime Einheit sei in der EU installiert, um Aufstände niederzuschlagen (Quelle: Telegram; Screenshot und Schwärzungen: CORRECTIV.Faktencheck)

Video von Ewald Stadler über die Eurogendfor stammt aus 2013 – Gründungsvertrag ist online abrufbar

Über eine Bilderrückwärtssuche finden wir das Telegram-Video auch auf Youtube. Dort wurde es bereits 2013 von Stadler veröffentlicht, er war zu diesem Zeitpunkt Mitglied der rechtspopulistischen Partei BZÖ in Österreich und Abgeordneter im EU-Parlament. 2014 schied er dort aus, Medienberichten zufolge unterstützte er später die Pegida-Bewegung. 

Was also ist die EGF? Auf der Internetseite eurogendfor.org, auf die auch die italienische Gendarmerie verlinkt, steht, die Gründung der Eurogendfor-Truppe gehe zurück auf das Jahr 2000. Bei einer Tagung des Europäischen Rates sei festgestellt worden, dass die EU im Bereich Sicherheit und Verteidigung handlungsfähig gemacht werden solle. So ist es auch auf der Website des Europäischen Parlaments nachzulesen. Weiter heißt es auf der EGF-Webseite, fünf Mitgliedsstaaten (Frankreich, Italien, die Niederlande, Portugal und Spanien) hätten daraufhin entschieden, eine europäische Gendarmerietruppe zu gründen – also den Zusammenschluss von Polizeieinheiten mit militärischem Status. 

Laut einem Bericht auf der Webseite der französischen Gendarmerie kam es 2004 dann zur Gründung. Unterschrieben wurde der Vertrag, der auf der Webseite der EGF öffentlich abrufbar ist, im Oktober 2007. Andere Staaten sind aus unterschiedlichen Gründen nicht bei der EGF. In einem Artikel des Standard aus 2014 heißt es: „Das Interesse und die Beteiligung der EU-Staaten hielt sich jedoch in Grenzen.“ Und: Nicht alle EU-Staaten hätten eine Gendarmerie, Länder mit Polizeiorganisationen mit ausschließlich ziviler Funktion könnten sich nicht beteiligen. Deutschland beteiligt sich nicht an der Einheit. Später traten aber noch Polen und Rumänien der EGF bei. Litauen wird auf der Webseite der EGF als Partnermitglied geführt, die Türkei als Beobachtermitglied.

Die Seite eurogendfor.org gibt es übrigens schon mindestens seit Mai 2006, wie eine Archivsuche zeigt. Das spanische Verteidigungsministerium veröffentlichte schon 2004 eine Pressemeldung zum Thema. Von einer Geheimaktion, wie es Stadler 2013 nannte, kann also nicht die Rede sein.

Eurogendfor ist keine Einheit der EU, könnte aber auf Anfrage der EU tätig werden

Der Inhalt des öffentlichen Gründungsvertrags macht klar: Die EGF wurde nicht von der EU, sondern von einzelnen EU-Staaten gegründet. Unter dem Punkt „Rahmenwerk für Missionen“ ist angeführt, dass die EGF verschiedenen Institutionen und Organisationen zur Verfügung gestellt werden kann: Da wird die EU genannt, aber auch die Vereinten Nationen, die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die Nato und „andere internationalen Organisationen oder eine Ad-hoc-Koalition“.

Im Gründungsvertrag der Eurogendfor sind die Rahmenbedingungen für Missionen festgeschrieben.
Auszug aus dem Gründungsvertrag der Eurogendfor (Quelle: eurogendfor.org; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Auch auf der Seite der französischen Gendarmerie wird klargestellt: Auch wenn der Name das andeute, gehöre die EGF nicht zur EU, sie werde auch nicht vom Europäischen Parlament geleitet. Die Europäische Kommission hielt 2010 in einer Anfragebeantwortung fest: „Die Kommission hat keinen Einfluss auf die interne Organisation, Arbeitsweise oder Ausbildung bzw. die von Eurogendfor verwendete Ausrüstung.“

Eurogendfor war noch nie innerhalb der EU tätig und schließt das aus

Nun zum nächsten Teil der Behauptungen: Ist die EGF dazu da, Aufstände in der EU niederzuschlagen? „Riot Control“, also „Aufruhr-Kontrolle“ ist laut einer EGF-Grafik zwar ein denkbares Einsatzgebiet, doch es ist offenbar nicht die Kernaufgabe der Einheit.

Diese Grafik zeigt denkbare Einsatzzwecke der Eurogendfor. In einem Punkt steht: "Riot Control"
Diese Grafik zeigt denkbare Einsatzzwecke der Eurogendfor (Quelle: eurogendfor.org; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Im Gründungsvertrag sind neben „Schutz von Personen und Gütern und Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Falle von Unruhen“ weitere Einsatzbereiche genannt, wie etwa: Missionen im Bereich Sicherheit, kriminalpolizeiliche Ermittlungsarbeit, Grenzschutz und Verkehrsregelung. 

Die Europäische Kommission beschreibt das Aufgabengebiet so: „Eurogendfor hat die Aufgabe, internationale Militärmissionen im Rahmen von Krisenbewältigungseinsätzen durchzuführen.“ Sie schreibt auch: „Eurogendfor kann nur eingesetzt werden, wenn die anfragende internationale Organisation eine entsprechende Rechtsgrundlage liefert.“

Die EGF sei zudem innerhalb der EU nicht aktiv. 2019 schrieb der offizielle Account der EGF auf Twitter, die Einheit „war und ist nur außerhalb der Grenzen der Europäischen Union im Einsatz“. Auf ihrer Webseite listet sie ihre bisherigen Einsatzgebiete:  Afghanistan, Bosnien und Herzegowina, die Zentralafrikanische Republik, Haiti, Libyen, Mali, Tunesien und die Ukraine. 

Das steht so auch in einer Drucksache der deutschen Bundesregierung aus 2014 („Die Eurogendfor hat Einsätze innerhalb der EU ausgeschlossen“) und in einer Anfragebeantwortung aus dem EU-Parlament im Namen der EU-Kommission. Darin steht, die EGF habe keine Befugnis, auf dem Boden der Mitgliedstaaten einzugreifen.

Die AFP, die sich ebenfalls in einem Faktencheck mit der EGF beschäftigte, zitiert in dem Zusammenhang Christian Kreuder-Sonnen, Juniorprofessor für Politikwissenschaft an der Universität Jena. Er sagte: „Die Niederschlagung von Aufständen im EU-Raum gehört nicht zu den Aufgaben der EGF und es gibt keine Hinweise, dass eine solche Absicht bestünde.“

Redigatur: Kimberly Nicolaus, Alice Echtermann

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Gründungsvertrag der Eurogendfor, 18. Oktober 2007: Link (archiviert)
  • Antwort der EU-Kommission auf eine parlamentarische Anfrage, 13. Juni 2008: Link (archiviert)
  • Antwort der EU-Kommission auf eine parlamentarische Anfrage, 27. Mai 2010: Link (archiviert)
  • Drucksache des Deutschen Bundestags, 25. Juli 2014: Link (archiviert)
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