Faktencheck

Mailand: Dieses Video einer Plakatwand mit Selenskyj ist manipuliert

Mitten im Zentrum der Stadt Mailand in Italien soll angeblich eine Plakatwand stehen, auf der der ukrainische Präsident Selenskyj Spenden durch seine Nase aufsaugt. Belegen soll das ein Video, doch es ist manipuliert. Eine solche Plakatwand hat es am Mailänder Domplatz nicht gegeben.

von Paulina Thom

video-plakatwand-selenskyj-spenden-mailand-manipuliert
Durch ein Nasenloch des ukrainischen Präsidenten in einer Plakatwand sollen Menschen in Italien angeblich für die Ukraine spenden können. Das stimmt nicht, das Video davon ist manipuliert. (Quelle: Telegram; Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)
Behauptung
Ein Video zeige eine Plakatwand im Zentrum der italienischen Stadt Mailand. Darauf ist der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zu sehen, der Spenden durch ein Nasenloch „aufsaugt“.
Bewertung
Manipuliert. Es gibt mehrere Hinweise, dass es sich bei dem Video um eine Fälschung handelt. Die Stadt Mailand dementiert zudem, dass eine solche Plakatwand dort zu sehen ist oder war.

Es ist eine merkwürdige Werbetafel, die im Zentrum der italienischen Stadt Mailand stehen soll. Angeblich werden mit ihr Spenden für die Ukraine gesammelt: Durch ein Nasenloch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in einer Plakatwand sollen Passantinnen und Passanten Geldscheine aufsaugen lassen können. So ist es zumindest in einem Video zu sehen, das in Sozialen Netzwerken die Runde macht, etwa auf Telegram

Das Video kursiert international (etwa auf Russisch, Englisch, Spanisch und Französisch) und spielt offenbar auf die schon mehrfach kursierende Behauptung an, Selenskyj sei abhängig von Kokain. 2022 etwa sollte ein Video die Droge auf seinem Schreibtisch zeigen, es entpuppte sich als Fälschung. In einem anderen Video wurde ein Interview mit Selenskyj, in dem er Drogen eigentlich ablehnte, manipulativ zusammengeschnitten. Auch das aktuell kursierende Video der Plakatwand ist eine Fälschung, wie unser Faktencheck zeigt.

Screenshot eines Telegram-Beitrages mit dem Video und der Behauptung
Mehr als 100.000 Aufrufe hatte das Video der angeblichen Plakatwand in Mailand allein in diesem Telegram-Beitrag (Quelle: Telegram; Screenshot und Unkenntlichmachung)

Stadtverwaltung von Mailand dementiert, dass ein Plakat von Selenskyj am Domplatz hing 

In dem Video ist ein Wasserzeichen („omarov_today“) zu erkennen, das zu einem russischsprachigen Telegram-Kanal führt. Dort wurde das Video am 4. April veröffentlicht. Eine frühere Version konnten wir nicht finden. Ob der Kanal auch Urheber des Videos ist, lässt sich nicht abschließend klären. 

Zu Beginn des Videos ist im Hintergrund eine große Kirche zu erkennen, laut einer Bilderrückwärtssuche bei Google der Mailänder Dom. Das lässt sich über Google Streetview verifizieren: Er steht auf dem „Piazza del Duomo“, also dem Domplatz. Auch die Werbetafel ist auf Streetview links neben dem Dom zu sehen. Mit einem Zoom auf die Werbetafel ist am unteren Rand der Schriftzug „Comune di Milano“ („Stadtverwaltung Mailand“) erkennbar, der auch im Video sichtbar ist. 

Vergleich von Screenshots von Google Streetview und dem Video
Oben ein Screenshot aus dem Video mit der angeblichen Plakatwand von Selenskyi, unten ein Screenshot von Google Streetview: In beiden Aufnahmen ist neben dem Mailänder Dom eine Werbetafel der Stadtverwaltung zu sehen. Die dementiert, dass ein entsprechenden Plakat dort gehangen hat (Quelle: Telegram und Google Maps; Screenshot, Collage und Markierung: CORRECTIV.Faktencheck)

Wir haben bei der Stadtverwaltung in Mailand nachgefragt, ob die Werbetafel zu ihnen gehört und ob darauf ein Plakat von Selenskyj abgebildet ist oder war. Bisher erhielten wir dazu keine Antwort. Die Stadtverwaltung dementierte aber gegenüber den Redaktionen der Deutschen Presse-Agentur (DPA), der Agence France-Presse (AFP) und der italienischen Webseite Open.online, dass so ein Plakat in der Stadtverwaltung jemals genehmigt worden sei.

Fehler im Video deuten auf Manipulation hin

Auffällig ist: Die Szenen im Video, bei denen Geldscheine durch das Loch aufgesogen werden, sind nur als Nahaufnahme zu sehen. Sie könnten also an jedem Ort gefilmt und erst im Nachhinein in das Video eingefügt worden sein. 

Mehrere Faktencheck-Redaktion fanden weitere Hinweise, dass das Video manipuliert ist. Gleich zu Beginn des Videos entdeckte die DPA einen Fehler: Der Kopf eines an der Werbetafel vorbeilaufenden Mannes erscheint doppelt, das Gesicht seiner Begleitung dagegen verschwindet plötzlich. Zudem ist der Schriftzug über dem Foto von Selenskyj mal weiter links, mal weiter rechts im Rahmen der Werbetafel zu sehen. Der AFP fiel eine weitere Unstimmigkeit auf: Bei Sekunde 16 und Sekunde 20 des Videos ist im Hintergrund die identische Aufnahme einer vorbeilaufenden Person zu sehen. 

Screenshot aus dem Video, bei dem der Kopf eines Passanten vor der Werbetafel doppelt zu sehen ist
Die Faktencheck-Redaktion der DPA hat festgestellt, dass gleich zu Beginn des Videos ein Fehler für eine Manipulation spricht: Das Gesicht eines Mannes erscheint doppelt und das Gesicht seiner Begleitung ist plötzlich nicht mehr sichtbar (Quelle: Watchframebyframe.com / Youtube; Screenshot und Markierung: CORRECTIV.Faktencheck)

Im Unterschied zu den tatsächlichen Werbetafeln der Stadtverwaltung in Mailand liegt das angebliche Plakat von Selenskyj zu nah am Rahmen an; auch fehlen Schatten, die der Rahmen normalerweise wirft, wie die italienischen Faktenchecker von Open.online berichten. 

Sowohl die AFP als auch Open.online waren vor Ort in Mailand und haben mit Sicherheitskräften und Angestellten von Restaurants gesprochen: Keiner hat das angebliche Plakat vom ukrainischen Präsidenten gesehen. Die Verwaltung des Domplatzes dementierte gegenüber der AFP ebenfalls die angebliche Spendenaktion. 

Einen Überblick mit allen Faktenchecks von uns zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier.

Redigatur: Sarah Thust, Gabriele Scherndl

Hybride Attacken, politische Morde, Propaganda und Schmiergelder – das alles im neuen CORRECTIV-Buch „Europas Brandstifter: Putins Krieg gegen den Westen“