Tiktok-Video verbreitet Falschmeldung über Räumung eines Seniorenheims für Geflüchtete
Ein Tiktok-Video erzürnt tausende Nutzerinnen und Nutzer. Angeblich werde ein Seniorenheim in Hamburg geräumt, damit Geflüchtete dort unterkommen könnten. Die Stadt Hamburg soll die nötige Finanzspritze liefern. Eine Falschmeldung in vielerlei Hinsicht, denn das im Video gezeigte Seniorenheim befindet sich nicht einmal in der Hansestadt.
„Wieder erwischt es unsere Senioren“, beginnt ein Tiktok-Video, das seit Anfang April tausende Nutzerinnen und Nutzer erzürnt. Die Behauptung: Ein Hamburger Seniorenheim werde angeblich bis Juli 2023 geräumt und umgebaut, „um weitere Flüchtlinge aller Nationen unterbringen zu können“. Die Stadt Hamburg habe für den Umbau zwei Millionen Euro bereitgestellt. Das Ganze werde von den „Steuerzahlern getragen“.
„Schämt euch“ und „unfassbar, das dürfen wir uns nicht mehr gefallen lassen“ sind nur einige der Kommentare unter dem Video, in denen Menschen ihrer Wut Luft machen.
Doch die Behauptung im Video ist falsch. Weder befindet sich das abgebildete Heim in Hamburg, noch ist ein Umbau geplant oder hat die Stadt Hamburg den angeblichen Umbau mitfinanziert. Hinter dem Tiktok-Video steckt ein Nutzer, der schon mehrfach unter dem Deckmantel von Satire Falschmeldungen verbreitete und Stimmung gegen Geflüchtete machte: etwa über angeblich gezahlte Boni oder den Umbau von Hotels auf Mallorca für ukrainische Geflüchtete.
Seniorenheime aus Video befinden sich in Schleswig Holstein, nicht Hamburg
Im Video sind zwei verschiedene Gebäude zu sehen. Mit einer Bilder-Rückwärtssuche eines Screenshots daraus finden wir das Seniorenheim, das im Großteil des Videos zu sehen ist. Es handelt sich um das „Haus an der Sonne“ der Altenheimgruppe Apel. Es befindet sich aber nicht in Hamburg, sondern in Geesthacht, einer Kleinstadt in Schleswig-Holstein, südöstlich der Hansestadt.
Die auf der Webseite gezeigten Bilder des Heimes stimmen mit dem Gebäude im Video überein. So auch die im Video erkennbaren Worte „Haus an der“ und „Senioren- und Pflege“ auf einem Eingangsschild.
Seniorenheime im Video dementieren Behauptungen über Umbau und Räumung für Geflüchtete
Der Betreiber des Heims hat uns bisher nicht auf eine Anfrage geantwortet. Gegenüber der DPA teilte er mit, das Altenheim werde nicht geschlossen und umgebaut und es würden dort keine Geflüchtete untergebracht. Die Stadt Hamburg dementierte ebenfalls, an einer Finanzierung beteiligt gewesen zu sein. Pressesprecher Wolfgang Arnhold schrieb uns, das betroffene Heim sei von der Stadt Hamburg nicht geprüft und auch nicht in Betrieb genommen worden. Die Stadt Hamburg bringe Geflüchtete zudem „nur innerhalb der Hamburger Landesgrenzen“ unter.
Am Ende des Videos wird für wenige Sekunden ein weiteres Seniorenheim eingeblendet. Es befindet sich ebenfalls in Geesthacht. Über eine Suche nach Seniorenheimen in Geesthacht stoßen wir auf die „Fontiva Haus Elbe Residenz“. Fotos aus Medienberichten belegen, dass es sich um dasselbe Gebäude handelt. Das lässt sich an der weißen Blockfassade mit der Fensterkonstellation sowie den abgerundeten Balkonen links und rechts des weißen Mittelteils erkennen.
Zu dieser Einschätzung kam auch die Faktencheck-Redaktion der DPA. Gegenüber der Agentur schrieb die Einrichtungsleitung, das Heim stehe „in keinem Zusammenhang mit dem Video“.
Redigatur: Matthias Bau, Max Bernhard