Faktencheck

Deutschland: Geflüchtete haben kein Einkommen von 837 Euro pro Monat

Seit Jahren kursiert ein irreführender Vergleich auf Facebook, Geflüchtete bekämen mehr Geld als Angestellte. Doch die Zahlen beziehen sich nicht auf Deutschland, sondern auf Österreich – sie sind zudem veraltet. Von dem Geld müssen Asylberechtigte auch mehr Kosten decken, als in dem Vergleich behauptet wird.

von Matthias Bau

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Menschen, die nach Europa flüchten, können Asyl beantragen und erhalten in Deutschland und Österreich Sozialleistungen (Symbolbild: Franz Neumayr / Picture Alliance / Picturedesk.com)
Behauptung
„Asylanten“ bekämen in Deutschland 837 Euro und hätten keine Ausgaben für Miete, Verpflegung, Kleidung und Handy. Angestellte bekämen 1.200 Euro und hätten nach Abzug dieser Ausgaben am Monatsende nur 100 Euro übrig.
Bewertung
Falsch. Die Zahlen beziehen sich auf eine Verordnung Wiens aus dem Jahr 2016. Mit Deutschland haben sie nichts zu tun. Von den 837 Euro mussten Asylberechtigte in Wien zudem auch Verpflegung und Kleidung bezahlen. Mittlerweile wurden die Zahlungen erhöht, der Staat kommt aber nicht pauschal für die Miete auf.

„Dieses Land ist für uns Deutsche der Untergang“, schreibt ein Nutzer auf Facebook über eine Tabelle, die das angebliche Einkommen eines „Angestellten“ mit dem von „Asylanten“ vergleicht. Demnach hätten Angestellte am Ende eines Monats nach Abzug ihrer Ausgaben von ihrem Gehalt nur noch 100 Euro übrig, wohingegen „Asylanten“ 837 Euro übrig hätten, weil ihnen keine Kosten für Miete, Verpflegung oder Kleidung entstünden. 

Der Vergleich ist nicht neu, er kursierte bereits im Jahr 2018. Bereits damals waren die Zahlen und der Vergleich falsch, das ist auch heute noch so. Asylwerbende und Asylberechtigte erhalten in Deutschland deutlich weniger Geld als in der Tabelle angegeben. Der Vergleich bezieht sich zudem auf Österreich, wie an dem Wort „GIS“ zu erkennen ist – das steht für die „Gebühren Info Service GmbH“, die in Österreich die Rundfunkgebühren erhebt. 

Seit Jahren kursiert dieser falsche Vergleich zwischen dem „Einkommen“ von Asylbewerbern und dem Einkommen eines „Angestellten“ auf Facebook – er bezieht sich aber auf Österreich
Seit Jahren kursiert dieser falsche Vergleich zwischen dem „Einkommen“ von Asylbewerbern und dem Einkommen eines „Angestellten“ auf Facebook – er bezieht sich aber auf Österreich (Quelle: Facebook; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Wie viel Geld Menschen bekommen hängt davon ab, ob ihr Asylanspruch anerkannt wurde oder nicht

Der abwertende Ausdruck „Asylant“ ist nicht scharf definiert. Es ist also unklar, ob in dem Beitrag von Asylwerbenden die Rede ist, oder von Personen, die bereits Asyl erhalten haben. Davon hängt aber ab, welche Leistungen diese Personen vom Staat bekommen. 

Geflüchtete, die in Deutschland Asyl beantragen, erhalten Geld- und Sachleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Leistungsberechtigt sind dem Gesetz zufolge zum Beispiel Menschen, die sich in einem Asylverfahren befinden oder deren Asylantrag offiziell in Deutschland anerkannt wurde. 

Wie viel Geld ihnen zusteht, legt der sogenannte Regelbedarf fest. Was der Regelbedarf ist, erklärt das Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) auf seiner Webseite. Dort heißt es, der Regelbedarf diene „zur Sicherung des Lebensunterhalts und umfasse insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat und Haushaltsenergie. Außerdem seien Bedarfe zur Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft in den Leistungen enthalten. Eine alleinstehende Person bekommt aktuell nach dem Asylbewerberleistungsgesetz 367 Euro pro Monat, um das abzudecken. Wer mit einem Partner oder Partnerin zusammenlebt oder jünger ist als 25, bekommt weniger. 

Für eigene Wohnungen von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern werden wie bei Hartz IV beziehungsweise dem Bürgergeld „angemessene“ Kosten für Miete und Heizung übernommen. Leben die Menschen in einer Aufnahmeeinrichtung, dann werden Strom und Heizung als sogenannte Sachleistung erbracht – sie bekommen also kein Bargeld, sondern Strom und Heizung in der Unterkunft. 

Die aktuellen Regelsätze nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sind auf der Internetseite des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zu finden
Die aktuellen Regelsätze nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sind auf der Internetseite des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zu finden (Quelle: BMAS; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Asylberechtigte oder Asylwerber, die sich 18 Monate in Deutschland aufhalten, erhalten die gleichen Regelsätze wie bei Hartz IV beziehungsweise dem Bürgergeld. Das teilte uns eine Sprecherin des BMAS bereits im November 2021 mit. Das sind für eine erwachsene alleinstehende Person, die in einer eigenen Wohnung lebt, 449 Euro. Auch sie bekommen Zuschüsse für eine „angemessene“ Miethöhe und bekommen nicht – wie im Beitrag behauptet – pauschal die Miete erstattet. Dass Asylbewerber am Monatsende also 837 Euro bekommen, stimmt nicht. 

Vergleich bezieht sich offenbar auf eine österreichische Verordnung aus dem Jahr 2016

Doch was ist mit Österreich? Wie die Faktencheck-Seite Mimikama für einen Artikel im August 2019 recherchierte, beziehen sich die 837 Euro, die Geflüchtete angeblich erhalten sollen, offenbar auf die sogenannte Verordnung zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung in Wien aus dem Jahr 2016. 

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Auszug aus der Verordnung für die Wiener-Mindeststandardversorgung aus dem Jahr 2016 (Quelle: Rechtsinformationssystem des Bundes; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Die Mindestsicherung richtet sich nicht speziell an Asylberechtigte. Wie aus einer Informationsseite Wiens hervorgeht, haben die Menschen, die dort als asylberechtigt anerkannt sind, aber vollen Zugang zu allen Sozialleistungen, also auch zur bedarfsorientierten Mindestsicherung. Für Asylwerbende gilt das nicht.

Die bedarfsorientierte Mindestsicherung ist demnach „eine finanzielle Unterstützung zur Sicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs“ und umfasst zudem „eine intensive Förderung bei der Jobsuche sowie sozialarbeiterische Beratung und Unterstützung“. Die 837 Euro aus dem Jahr 2016 setzten sich aus 209,44 Euro zur „Deckung des Wohnbedarfs“ und einem Grundbetrag von 628,44 Euro zusammen. Davon müssen Menschen Ausgaben für Essen und Bekleidung zahlen. War die Miete höher als der Grundbetrag, hat sie der Staat nicht komplett übernommen, wie die DPA in dem Zusammenhang schreibt.

Die Behauptung, die auf Facebook kursiert, wäre also mit Bezug auf das Jahr 2016 auch für Österreich falsch gewesen. Aktuell bekommen Alleinstehende oder Alleinerziehende, deren Asylanspruch anerkannt wurde, 977,94 Euro. Nach wie vor ist aber der Betrag zur Deckung des Wohnbedarfs gedeckelt, nämlich auf 244,48 Euro – wobei Bundesländer für „ortsbedingt höhere Wohnkosten“ zusätzlich noch eine Wohnkostenpauschale gewähren können. Dadurch können bis zu 685 Euro als Sachleistung für das Wohnen gewährt werden. Die Leistungen für Asylwerbende sind auch in Österreich geringer als jene für Asylberechtigte. 

Keine Quelle für die Zahlen zu den Angestellten

Woher die Angabe zum angeblichen Einkommen eines „Angestellten“ stammt, ist unklar. Laut dem österreichischen Amt für Statistik hatten Angestellte in Österreich im Jahr 2016 ein Bruttoeinkommen von 31.752 Euro pro Jahr, also rund 2.646 Euro im Monat. Bei dem Einkommensteuersatz in Österreich von 42 Prozent im Jahr 2016 entspräche das einem Nettomonatseinkommen von rund 1.535 Euro. 

Fazit: Die Zahlen, die auf Facebook genannt werden, beziehen sich nicht auf Deutschland, sondern auf Österreich und stammen aus dem Jahr 2016 – selbst da wurden wesentliche Details außer Acht gelassen. Mittlerweile sind die Zahlungen auf 977,94 Euro erhöht worden. Von diesem Geld müssen Asylberechtigte auch Ausgaben für Verpflegung und zum Teil Mietkosten bestreiten. Für Deutschland sind die Zahlen falsch. 

Redigatur: Gabriele Scherndl, Viktor Marinov

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Österreichisches Amt für Statistik „Jährliche Personeneinkommen“: Link
  • Asylbewerberleistungsgesetz: Link (archiviert)
  • Faktencheck von Mimikama vom 28. August 2019: Link
  • Verordnung zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung in Wien aus dem Jahr 2016, Fassung von 12. Dezember 2022: Link (archiviert)