Feuer in Kanada: Video soll Brandstifter zeigen, doch dafür gibt es keine Belege
Seit Wochen wüten Brände in Kanada. In Sozialen Netzwerken heißt es nun, ein Video zeige dort Brandstifter. Doch dafür gibt es keine Belege. Ein Youtuber veröffentlichte das Video bereits im Juni, laut seiner Sprecherin zeigt es freiwillige Helfer.
Kanada erlebt die schlimmste Waldbrandsaison seit Beginn der Aufzeichnungen: Mehr als 15 Millionen Hektar sind 2023 bereits verbrannt. Das entspricht etwa der Fläche Griechenlands und übertrifft bei weitem die vorherigen Rekordjahre 1989 und 1995.
Nun verbreitet sich ein Video, das laut Beiträgen im Netz Brandstifter in Kanada zeigen soll. Doch dafür gibt es keine Belege. Auf Telegram wird das Video genutzt, um für Bücher zur Krisenvorsorge zu werben.
Video aus Kanada soll Freiwillige zeigen, die versuchten die Feuer in Québec einzudämmen
Das 16-sekündige Video zeigt mehrere Szenen: Ein Auto und eine Person mit Mundschutzmaske, die vor einem Waldbrand flüchten, eine handvoll Personen, die ihre Arme dem Brand entgegenstrecken und eine maskierte Person, die sich beim Wegrennen selbst filmt.
Die Faktencheck-Redaktion der Nachrichtenagentur AFP schrieb, das Video sei auf den Instagram-Nutzer Leo Urban zurückzuführen, der die Feuer-Szenen bereits am 25. Juni 2023 veröffentlichte. Urban bezeichnet sich als „den französischen Tarzan“, er veröffentlicht Videos und Fotos auf Youtube und Instagram.
Zum Video schrieb er: „Mehr als die Hälfte von Québec ist wegen gigantischer Waldbrände für den Verkehr gesperrt […] Ich konnte dorthin gehen, ein paar Kilometer von dem Dorf Obedjiwan [Anm. d. Red. auch Opitciwan genannt] entfernt, wo 2.000 Menschen leben und ohne jede Hilfe kämpfen, um ihre Häuser zu retten.“ Obedjiwan liegt etwa 600 Kilometer nördlich von Montreal, in Québec, im Osten Kanadas. Die Personen im Video seien Mitglieder der Atikamekw, schrieb Urban – eine indigene Gemeinschaft.
Die Sprecherin Urbans, Louise Vigouroux, schrieb uns auf Anfrage: Das Video zeige Leo Urban und Einheimische, die vor Waldbränden fliehen. „Es gibt keinen Brandstifter und auch niemanden, der versucht, die Brände zu verstärken oder zu verursachen.“ Mit der Geste, die Arme dem Feuer entgegen zu strecken, hätten die Personen das Feuer angefleht umzukehren. Weiter erklärte die Sprecherin, Urban sei in Kanada gewesen, um eine Dokumentation über Umweltschutz für das französische Fernsehen zu drehen. Er und das Filmteam hätten einen Anführer eines lokalen Stamms getroffen, der von gefährlichen Waldbränden berichtete – sie seien ihm gefolgt, um bei der Eindämmung zu helfen.
TV-Beitrag mit ähnlichen Szenen liefert keinen Hinweis auf Brandstiftung
Über die Waldbrände Nahe Obedjiwan und der davon betroffenen Gemeinschaft der Atikamekw berichtete auch die New York Times am 17. Juni 2023. Ein lokaler Medienbericht von TVA Nouvelles vom 25. Juni 2023 verwendete Bildmaterial (ab Sekunde 39), das dem Video in Sozialen Netzwerken ähnlich sieht – teilweise scheint es dieselben Menschen und Umgebung zu zeigen: Eine Person in rotem Oberteil, eine Person mit Warnweste sowie ein Auto, die vor dem Feuer fliehen. An keiner Stelle heißt es, dass die Personen die Brände gelegt hätten.
In dem TV-Beitrag spricht kurz nach den Bildern der Anführer der Obedjiwan-Gemeinde, Jean-Claude Mequish, in einem Interview. Er sagt, dass Menschen, die sich freiwillig zur Bekämpfung des Feuers gemeldet hätten, aufgefordert worden seien, sich vom Feuer fernzuhalten – doch es hätte Bilder gegeben, die anderes zeigen. Das bedauere er.
Zu den Feuern dieses Jahr in Italien und Griechenland kursierten ebenfalls angebliche Videos von Brandstiftung in Sozialen Netzwerken. Unsere Recherchen zeigten, dass es sich in beiden Fällen um Falschinformation handelte.
Redigatur: Matthias Bau, Max Bernhard