Brandenburger Tor und Bundestag: Diese Fotos von pro-palästinensischen Projektionen sind manipuliert
Auf das Brandenburger Tor und den Bundestag soll jemand angeblich pro-palästinensische Schriftzüge projiziert haben. Das würden zwei Fotos belegen, die auch der türkische Staatssender TRT teilte. Doch die Fotos sind nicht echt.
Zwei Fotos zeigen pro-palästinensische Botschaften auf zwei der bekanntesten Gebäude Berlins – dem Brandenburger Tor und dem Bundestag. Auf ersteres soll jemand den Satz „Free Palestine from German guilt“ projiziert haben, auf Deutsch: „Befreit Palästina von der deutschen Schuld“. Auf dem Bundestagsgebäude sei links vom Eingang eine Projektion der palästinensischen Flagge zu sehen gewesen, rechts davon der Satz „Genozid in Gaza sofort stoppen!“.
Beide Fotos verbreiteten unter anderem der türkische Staatssender TRT und der pro-palästinensische Instagram-Account „nakba_75“. Nutzerinnen und Nutzer teilten die Aufnahmen auf Instagram, Facebook und X, ehemals Twitter.
Seit den Angriffen der von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuften Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 wurden in Deutschland mehrere pro-palästinensische Demonstrationen verboten. Die Berliner Polizei etwa begründet ein solches Verbot damit, dass mit antisemitischen Ausrufen und Gewaltausbrüchen zu rechnen sei. Bei einer Demo in Berlin riefen Demonstrierende auch den Satz, der vermeintlich auf das Brandenburger Tor projiziert wurde.
Doch die Fotos mit den Projektionen sind manipuliert. Die Berliner Polizei hat weder eine Anzeige noch glaubwürdige Hinweise dazu bekommen. Auch die Pressestelle des Bundestags kann nicht bestätigen, dass es die pro-palästinensische Botschaft auf dem Gebäude jemals gab.
Polizei: Keine Anrufe oder Anzeigen wegen der angeblichen Projektionen am Bundestag und dem Brandenburger Tor
Laut dem Facebook-Beitrag von TRT vom 21. Oktober projizierten unbekannte Aktivisten die Botschaften in der Nacht zum Samstag auf beide Gebäude. TRT löschte später ihren Facebook-Beitrag mit den Fotos. Auf eine Anfrage von uns, woher die Fotos stammten und warum TRT den Beitrag gelöscht hat, reagierte der Sender bisher nicht.
Der Instagram-Account „nakba_75“ schreibt schon am 20. Oktober, die Schriftzüge würden von Aktivistinnen stammen. Laut Eigenbeschreibung ist „nakba_75“ eine Kampagne für das Grundrecht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit und für die Freiheit Palästinas. Das Wort „Nakba“ bedeutet auf Arabisch Katastrophe. Damit wird die Flucht und Vertreibung der Palästinenserinnen und Palästinenser aus dem heutigen Staatsgebiet Israels genauso bezeichnet, wie deren aktuelle Lebenssituation.
Wir haben die Pressestelle der Kampagne gefragt, woher die Fotos stammen. Ein Pressesprecher schrieb uns: „Diese künstlerischen Eindrücke wurden uns von einem anonymen Aktivisten zugesandt. Wir überlassen es dem Betrachter, festzustellen, in welchen Aspekten sie wahr sind.“
Eine Sprecherin der Berliner Polizei sagte uns, dass sie von einer Fälschung der Fotos ausgehe. Es seien weder Anzeigen noch Anrufe zu dem angeblichen Vorfall bei der Polizei eingegangen. „Das ist sehr ungewöhnlich. Hätte ein Bürger oder eine Bürgerin das gesehen, hätte er oder sie das angezeigt.“ Auch Polizistinnen und Polizisten hätten die angeblichen Projektionen nicht gesehen. Ein Pressesprecher des Bundestags schrieb uns: „Wir können eine solche Projektion auf die Westseite des Reichstagsgebäudes nicht bestätigen.“
Keine Medienberichte und Bildmaterial aus anderen Blickwinkeln sind weiterer Hinweis auf eine Manipulation
Wir fanden auch mit Stichwortsuchen keine Medienberichte oder andere glaubwürdige Belege für die angeblichen Projektionen. Auffällig ist zudem, dass die Fotos in Sozialen Netzwerken stets aus demselben Blickwinkel kursieren, es gibt also jeweils nur eine Aufnahme zu den angeblichen Schriftzügen auf dem Brandenburger Tor und dem Bundestag. Wären die Projektionen echt, würde es dazu wahrscheinlich Bilder und Videos aus verschiedenen Perspektiven geben.
Was aber bedeutet der Satz „befreit Palästina von der deutschen Schuld“? Die Zeit interpretiert sie in einem Kommentar etwa so: „Ihr Schlachtruf ist als Aufruf an die deutsche Regierung zu verstehen, ihre Unterstützung für den Staat Israel aufzugeben und stattdessen die palästinensischen Gebiete zu befreien. Die deutsche Schuld am Holocaust stehe dem Ganzen im Weg und mache es unmöglich, zu unterscheiden, wer wirklich Täter und wer Opfer sei.“ Politico schreibt: „Deutschland, so das Argument, sollte seine Holocaust-Geschichte überwinden, zumindest wenn es um die Unterstützung Israels geht.“
Alle Faktenchecks zu Falschmeldungen und Gerüchten zum Krieg im Nahen Osten finden Sie hier.
Redigatur: Matthias Bau, Kimberly Nicolaus