Faktencheck

Verkürztes Video: Kritik an Deutschland kam nicht von Markus Lanz, sondern war ein Zitat

TV-Moderator Markus Lanz soll zu einem Rundumschlag gegen Deutschland ausgeholt haben: In einem Video kritisiert er scheinbar die „unbegrenzte Migration“, die Energiewende und die Lesekompetenzen von Kindern. Doch dem Video aus Juni 2023, das aktuell verbreitet wird, fehlt ein entscheidender Ausschnitt.

von Gabriele Scherndl

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Eine Aussage von Markus Lanz wird auf Instagram aus dem Zusammenhang gerissen (Quelle: Georg Wendt / DPA / Picture Alliance)
Behauptung
Markus Lanz habe in seiner TV-Sendung breite Kritik an Deutschland geübt, etwa an der „unbegrenzten Immigration“ und der Alphabetisierungsrate von Kindern.
Bewertung
Fehlender Kontext
Über diese Bewertung
Fehlender Kontext. Bei dem Video wurde ein entscheidender Teil weggeschnitten: Lanz zitierte im Juni 2023 in einer Sendung eigentlich einen Kolumnisten.

„Markus Lanz bringt es auf den Punkt“, hieß es auf Instagram zu einem Video, das tausendfach gesehen wurde. In dem Video übt TV-Moderator Markus Lanz scheinbar breite Kritik an Deutschland, er sagt etwa: „Deutschland glaubt, dass wir unbegrenzte Immigration verkraften können“. Und: Man bekomme „die Alphabetisierung unserer Kinder nicht hin“.

In den Kommentaren unterstützen viele die angeblichen Aussagen von Lanz, einige hetzen gegen Migration oder rufen zu Gewalttaten auf. Es fehlt wichtiger Kontext: Das Zitat ist nicht von Lanz, sondern aus einem Meinungsbeitrag von Harald Martenstein.

Screenshot eines Instagram-Beitrags.
Dieses Video wurde im Mai tausendfach auf Instagram angesehen – doch es ist manipulativ geschnitten (Quelle: Instagram; Screenshot und Schwärzungen: CORRECTIV.Faktencheck)

Lanz zitiert Kommentar von Harald Martenstein

In dem Instagram-Beitrag ist auch der Youtube-Link einer TV-Sendung von Markus Lanz vom 6. Juni 2023. Es geht in der Sendung um das Heizungsgesetz, auch Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir ist zu Gast.

Bei Minute 9 beginnt in der Sendung der Part aus dem Instagram-Video. Davor aber kommt eine entscheidende Passage, die auf Instagram fehlt. Lanz sagt: „Ich hab dieser Tage einen Kommentar gelesen von, ich glaube Harald Martenstein“ – und zitiert dann dessen Worte. Dieser Kommentar ist über eine Google-Suche auffindbar und erschien wenige Tage vor der Sendung, am 3. Juni 2023, in der Welt. Darin ist die gesamte Passage, von der Lanz erzählt, beinahe wortgleich nachzulesen.

Die Aussagen im Instagram-Video sind also ein Zitat aus einem Meinungsbeitrag und stammen nicht, wie in dem Beitrag suggeriert wird, von Lanz selbst. Der Account, der das Video im Juli 2023 auch schon einmal auf Tiktok veröffentlicht hatte, schreibt auf eine Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck: Deutschland sei am Ende „mit ihrer Maßlosen Selbstüberschätzung“, egal von wem die Aussage stamme.  Anschließend fügte der Account den Hinweis, dass Lanz Martenstein zitiert, zu dem Beitrag hinzu.

Aussagen zu Alphabetisierung und Migration enthalten Unschärfen

Kolumnen, wie jene von Martenstein in der Welt, grenzen sich von anderen journalistischen Berichten ab, sie enthalten vor allem die Meinung der Autorin oder des Autors. In den Aussagen Martensteins, die Lanz in seiner Sendung wiedergibt, sind aber einige inhaltliche Unschärfen. Etwa, dass die Alphabetisierung von Kindern nicht gelinge.

Laut der Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung 2021 hat etwa ein Viertel der Kinder eine Leseschwäche. Deutschland lag damit knapp unter dem OECD- und dem EU-Durchschnitt, aber über dem internationalen Durchschnitt. Bei der PISA-Studie 2022 lagen Deutschlands Schülerinnen und Schüler in der Lesekompetenz über dem OECD-Durchschnitt. In der Studie heißt es, in vielen OECD-Staaten sei ein Rückgang der durch­schnittlichen Kompe­tenzen zu beobachten – so auch in Deutschland. 

Die Aussage zum Thema Migration (dass Deutschland davon ausgehe, dass es unbegrenzte Migration verkraften könne) stimmt so ebenfalls nicht. Tatsächlich versuchte die deutsche Bundesregierung schon 2023, mit Rückführungs- oder Migrationsabkommen zu erreichen, dass weniger Menschen ohne Bleiberecht nach Deutschland kommen, wie etwa die Tagesschau berichtete. So ein Abkommen wurde Ende 2023 etwa mit Georgien unterzeichnet.

Redigatur: Steffen Kutzner, Sophie Timmermann