Europawahl 2024: Nein, ein Kreuz über den Rand hinaus macht die Stimme nicht ungültig
Seit Jahren verbreitet sich im Netz das Gerücht, ein Kreuz, das größer sei als der Kreis, mache einen Stimmzettel ungültig. Das ist falsch, die Stimme bleibt gültig.
Wenige Wochen vor der Wahl zum Europäischen Parlament am 9. Juni 2024 verbreiten sich Gerüchte und Falschbehauptungen darüber, worauf Wählerinnen und Wähler bei der Stimmabgabe vermeintlich achten sollen. So stimmt es nicht, dass ein Loch in der Ecke den Stimmzettel ungültig macht – eine Unterschrift darauf hingegen schon.
Auf Tiktok (hier, hier und hier) werden aktuell Fotos von Zetteln mit einer angeblichen Anweisung geteilt, wie Kreuze bei der Wahl richtig zu setzen seien. Zu dem Kreuz innerhalb des Kreises heißt es „richtig“, zu dem Kreuz, das über die Ränder des Kreise hinausgeht „falsch“.
Dabei steht, Wahlleiter seien angewiesen, bei der Auszählung der Stimmen, die für die AfD sind, darauf zu achten, dass das Kreuz in der Mitte des Kreises sitzt und die Ränder nicht überschrieben sind. Denn: „Wenn die Ränder überschrieben sind, wird die Stimme als ungültig erklärt.“. In den Kommentaren auf Tiktok wird über Wahlmanipulation spekuliert. Ein Video allein erreichte auf Tiktok mehr als 100.000 Aufrufe.
Doch die Behauptungen sind haltlos.
Bei der Stimmabgabe muss der Wählerwillen eindeutig erkennbar sein
Egal ob das Kreuz innerhalb des Kreise gesetzt wird oder es über die Ränder hinausgeht: Beides ist gültig. Im Europawahlgesetz heißt es, für wen ein Wähler oder eine Wählerin stimmt, müsse durch ein „Kreuz oder auf andere Weise eindeutig kenntlich“ gemacht werden.
Die Bundeswahlleiterin ist in Deutschland zuständig für die Vorbereitung, Durchführung und Überwachung der Europa- und der Bundestagswahl. Sie nennt auf ihrer Webseite Beispiele für die Stimmabgabe. Demnach können auch ein Punkt, Haken oder ein Doppelkreuz als zulässig gewertet werden. „Auch die Kennzeichnung außerhalb des dafür vorgesehenen Kreises macht eine Stimmabgabe nicht zwangsläufig ungültig, sofern deutlich erkennbar ist, welcher Wahlvorschlag gekennzeichnet wurde“, heißt es von der Bundeswahlleiterin. Nicht zulässig sind verfassungswidrige Kennzeichen, ebenso ein Smiley.
Keine Belege, dass Wahlleiter angewiesen werden, AfD-Stimmen für ungültig zu erklären
Für die Behauptung, Wahlleiter würden angewiesen, AfD-Stimmen für ungültig zu erklären, wenn die Kreuze den Kreis überschrieben, fanden wir keine Belege. Auf Nachfrage dementiert die Pressestelle der Bundeswahlleiterin die Behauptung: „Eine solche ‘Anweisung’ wurde und wird nicht an die Wahlvorstände erteilt.“ Wir fragten auch bei den Tiktok-Accounts, die die Behauptung teilten, nach einer Quelle – erhielten jedoch keine Rückmeldung.
Die Behauptung samt gleichem Foto verbreitet sich seit Jahren immer wieder, wir haben bereits 2019, vor der damaligen Europawahl, und im Rahmen der Bundestagswahl 2017 darüber berichtet.
Redigatur: Gabriele Scherndl, Sophie Timmermann
Alle Faktenchecks zur Europawahl 2024 finden Sie hier.
Die wichtigsten, öffentlichen Quelle für diesen Faktencheck:
- Wahllexikon der Bundeswahlleiterin zu „ungültiger Stimmzettel“: Link
- Gesetz über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland, Paragraf 16: Link (archiviert)