Foto zeigt Aktion von Aktivisten in Syrien, keine Verbrennung von Mädchen durch den IS
Ein Foto soll zeigen, wie IS-Anhänger 19 jesidische Mädchen verbrennen. Die Terrormiliz ist für ihre Gräueltaten bekannt – hinter diesem Foto steckt jedoch etwas anderes.
Hinweis: In diesem Artikel werden die Folgen von Gewalt beschrieben und Inhalte verlinkt, die die Folgen von Gewalt zeigen.
Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ist für ihre Gräueltaten bekannt, darunter das Köpfen und Verbrennen von Menschen bei lebendigem Leib. Anhänger der Terrorgruppe versklavten und vergewaltigten tausende Jesidinnen und Jesiden. Der Bundestag erkannte diese Verbrechen im Januar 2023 als Völkermord an.
Ein aktuell verbreitetes Bild soll eine solche Gewalttat an Jesidinnen zeigen. In einem auf X, Telegram und Instagram verbreiteten Foto kauern dutzende Kinder in orangen Anzügen in einem Käfig, ihre Gesichter sind unkenntlich gemacht. Im Bildvordergrund lodert eine angezündete Fackel.
Zu dem Bild heißt es auf Deutsch, Englisch oder Italienisch, es zeige 19 jesidische Mädchen, die „von IS-Terroristen bei lebendigem Leib verbrannt“ worden seien. Ein X-Beitrag wurde rund 20.000 Mal geteilt. Das Foto hat jedoch einen anderen Hintergrund.
Foto zeigt Protestaktion in Syrien in 2015
Eine Bilder-Rückwärtssuche liefert zahlreiche Einträge aus dem Jahr 2015 – das Foto ist also nicht aktuell. Über die Suche findet sich auch ein Bericht vom österreichischen Newsportal OE24 von Februar 2015 mit einer sehr ähnlichen Szene. Demnach zeigt das Foto eine Protestaktion gegen das Assad-Regime in Duma, unweit der syrischen Hauptstadt Damaskus.
Eine Stichwortsuche mit diesen Informationen führt zu weiteren Medienberichten. Die New York Times (NYT) berichtete am 20. Februar 2015, der Protest sei eine Reaktion auf die Tötung eines jordanischen Piloten. IS-Anhänger kleideten den Mann in einen orangen Häftlingsanzug und verbrannten ihn lebendig – der Vorfall und das veröffentlichte Video sorgten weltweit für Entsetzen.
Aktivisten in Syrien hätten auf die Gewalttaten der syrischen Regierung und das Leid der zivilen Bevölkerung aufmerksam machen wollen. In einem Video vom Protest, das die NYT verlinkt, aber aktuell nicht öffentlich abrufbar ist, soll der Aktivist in die Kamera gefragt haben, warum die Welt auf die Tötung des Piloten reagiere, nicht aber auf die vielen getöteten Kinder in Duma.
Aktivisten wollten auf Angriffe auf Zivilbevölkerung aufmerksam machen
Das Titelbild des NYT-Artikels zeigt eine ähnliche Szene wie in den aktuell kursierenden Beiträgen in Sozialen Netzwerken. Es stammt von dem syrischen Fotografen Bassam Khabieh. Er bestätigt uns auf Anfrage, dass es sich um einen von Einwohnern in Duma organisierten Protest gegen das Assad-Regime gehandelt habe. Der Mann, der im Bild links zu sehen ist, sei ein Zivilist gewesen.
Von dem Protest gibt es weitere Aufnahmen, etwa in der Foto-Datenbank der AFP. Einzelne Merkmale, wie der runde Kanister im Bild und einzelne Gebäudemerkmale stimmen mit dem aktuell verbreiteten Foto überein.
Auf anderen Fotos sind die Kinder im Käfig aus der Nähe zu erkennen. Sie halten ein Plakat mit den Worten „Stop the killing of children“ („Hört auf mit dem Töten von Kindern“) hoch. Und es gibt ein Video der Aktion, in dem zu sehen ist, wie Kinder in den Käfig gehen und Schilder hochhalten. Hinweise, dass die Kinder dabei verletzt wurden, gibt es in dem Video und Medienberichten keine. Fotograf Bassam Khabieh bestätigt, dass niemand verletzt worden und dass es ein friedlicher Protest gewesen sei.
An der Aktion gab es damals jedoch auch Kritik. Die Organisation Save the Children sagte gegenüber der Süddeutschen Zeitung, Kinder würden damit instrumentalisiert, um mediale Aufmerksamkeit zu bekommen. Der Aktivist räumt das im NYT-Artikel ein. Es tue ihm leid, dafür Kinder nutzen zu müssen, „aber unsere Kinder werden jeden Tag getötet“.
Krieg in Syrien fordert unzählige Todesopfer
Seit Jahren herrscht in Syrien Bürgerkrieg. Leidtragend sind die Zivilistinnen und Zivilisten, darunter auch viele Kinder, wie etwa die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch 2015 berichtete. Laut dem Syrian Network for Human Rights sind mehr als 30.000 Kinder seit 2011 in Syrien gestorben (Stand: Juni 2024) – das syrische Regime sei für „die schlimmsten Aggressionen“ zuständig. Millionen Menschen seien binnenvertrieben und benötigten humanitäre Hilfe, schreibt das UN-Flüchtlingshilfswerk.
Über den Protest in Duma von 2015 wird hingegen nicht zum ersten Mal falsch berichtet, so etwa schon 2016 auf Webseiten auf Spanisch oder auf Persisch.
Redigatur: Viktor Marinov, Kimberly Nicolaus
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:
- „Children, Caged for Effect, to Mimic Imagery of ISIS“, Artikel der New York Times vom 20. Februar 2015: Link
- Bild der AFP vom Protest vom 15. Februar, 2015: Link
- Kriege und Konflikte: Syrien, Bundeszentrale für politische Bildung: Link