Faktencheck

Europawahl 2024: Tiktok-Nutzer spricht ohne Grundlage von Wahlbetrug in drei Bundesländern

Videos sollen zeigen, wie in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Brandenburg Stimmzettel der Europawahl geschreddert wurden, behauptet ein Mann auf Tiktok. Nur: Die Videos legt er nicht vor und die Landeswahlleitungen dementieren.

von Gabriele Scherndl

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Nach der Europawahl kursieren in Sozialen Netzwerken zahlreiche Falschbehauptungen. Auf Tiktok etwa spricht ein Nutzer von Wahlbetrug in drei Bundesländern – doch Belege dafür kann er nicht liefern. (Quelle: Matthias Balk / DPA / Picture Alliance)
Behauptung
Es gebe vier dokumentierte Fälle von Wahlbetrug bei der Europawahl: Zwei in Nordrhein-Westfalen und je einen in Baden-Württemberg und Brandenburg. Wahlhelfende hätten Stimmzettel für die AfD geschreddert. Das würden Videos belegen.
Bewertung
Unbelegt. Den Landeswahlleitungen in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Brandenburg, und der Bundeswahlleiterin sind diese Fälle nicht bekannt. Von welchen Videos der Mann spricht, ist unklar – er zeigt sie nicht.

Gleich vier Fälle von Wahlbetrug will ein Tiktok-Nutzer belegen können. Und zwar anhand von Videos. Die sollen zeigen, wie Wahlhelfende Stimmzettel für die AfD schreddern. Angeblich gebe es zwei Fälle in Nordrhein-Westfalen und je einen in Brandenburg und Baden-Württemberg. 

Das Tiktok-Video wurde über 200.000 Mal angesehen und mehrfach auch auf X geteilt. Es steht in einer Reihe mit zahlreichen anderen irreführenden oder schlicht haltlosen Vorwürfen von angeblichem Betrug bei der Europawahl.

Nur: Der Mann auf Tiktok zeigt die angeblichen Beleg-Videos nicht. In den Kommentaren behauptet er, sein Versuch, sie auf Tiktok hochzuladen, sei „blockiert“ worden. Auch auf seinen anderen Kanälen, etwa Instagram oder Youtube, finden sich keine Hinweise auf die angeblichen Belege. Auf Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck, ob er die Videos zur Verfügung stellen könne, antwortete er nicht.

Screenshot aus einem Tiktok-Video, dort steht: "Wahlbetrug mit Videos".
Auf Tiktok wurde dieses Video hunderttausendfach gesehen. Doch die Belege für den angeblichen Wahlbetrug, von dem er spricht, kann der Tiktok-Nutzer nicht liefern. (Quelle: Tiktok; Screenshot, Schwärzung und Unkenntlichmachung: CORRECTIV-Faktencheck)

Bundeswahlleiterin ruft dazu auf, konkrete Beweise für Wahlbetrug den Behörden zu melden 

In den jeweiligen Bundesländern sind die angeblichen Fälle von Wahlbetrug, von denen der Mann auf Tiktok spricht, nicht bekannt. Die Videos liegen weder in Brandenburg, Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen vor, schreiben die dortigen Landeswahlleitungen auf Anfrage.

Auch aus dem Büro von Bundeswahlleiterin Ruth Brand heißt es auf Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck: Die Videos, von denen der Tiktok-Nutzer spricht, würden ihr nicht vorliegen. Sie betont auch: Wahlhelfende würden sich gegenseitig kontrollieren und seien der Überparteilichkeit verpflichtet – das ist gesetzlich festgelegt. 

Sollte jemand Belege für eine Wahlmanipulation haben, kann die Person beim Bundestag Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl einlegen. Konkrete Belege sollte man den Strafverfolgungsbehörden melden, schrieb die Bundeswahlleiterin nach der Europawahl auf X.

In einem Beitrag vom 11. Juni 2024 zeigt der Tiktok-Nutzer zwar zwei Videos mit Wahl-Bezug – um das Schreddern von Stimmen geht es darin aber nicht. Eines zeigt offenbar ein Gespräch zwischen einem Wähler und einem Wahlhelfer und kursierte auch schon vor der Europawahl. Ein anderes zeigt, wie eine Urne mit einem Messer geöffnet werden kann. Auch das ist kein Beleg für Wahlbetrug, wie wir schon 2021 beschrieben haben.

Die AfD erzielte bei der Europawahl nach vorläufigen Ergebnissen 15,9 Prozent und damit mehr als in einigen jüngsten Prognosen. Laut Wahltrend der Wahlumfragen-Analyseseite dawum.de lagen die Umfragewerte der AfD in verschiedenen Umfragen, die zwischen dem 30. Mai und dem 8. Juni erstellt wurden, im gewichteten Durchschnitt bei 14,7 Prozent. 

Alle Faktenchecks zur Europawahl 2024 finden Sie hier.

Redigatur: Viktor Marinov, Sophie Timmermann 

Korrektur, 19. Juni 2024: Wir haben aus dem Text entfernt, dass der Tiktok-Nutzer angezeigt wurde. Die Landeswahlleitung Brandenburg gab das zunächst fälschlicherweise an, bezog sich offenbar aber auf diesen Fall. Weitere Anzeigen seien nicht bekannt, stellte sie auf Nachfrage klar.

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