Faktencheck

Video vom Aufhebeln einer Wahlurne ist kein Beleg, dass Wahlbetrug „einfach“ ist

Kurz vor der Bundestagswahl wird auf Telegram ein Video von einer Wahlurne geteilt, die angeblich leicht auf der Rückseite zu öffnen sei. Die Behauptung, dies mache Wahlbetrug einfach, ist aber irreführend: Dass Wahlurnen nicht aufgebrochen werden, wird dadurch sichergestellt, dass sie nie unbeobachtet sind.

von Sarah Thust

Spekulationen über Wahlbetrug
Ein Video auf Telegram zeigt, wie ein Mann eine Wahlurne aufbricht. Die Urnen für die Bundestagswahl dürfen aber nie unbeobachtet und auch nicht für etwaige Manipulationsversuche zugänglich sein (Quelle: Telegram / Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)
Behauptung
Ein Video zeige, dass man eine Wahlurne ganz einfach aufhebeln könne, daher sei Wahlbetrug in Deutschland ganz einfach.
Bewertung
Falsch. Das Video ist kein Beleg für Wahlbetrug. Wahlurnen in Deutschland können unterschiedlich aussehen. Wichtig ist: Die Urne darf laut Bundeswahlordnung nie unbeobachtet und nicht für etwaige Manipulationsversuche zugänglich sein.

Kurz vor der Bundestagswahl kursiert auf Telegram ein Video, in dem zu sehen ist, wie ein Mann eine vorn verschlossene Wahlurne mit zwei Messern auf der Rückseite aufhebelt. Der Mann behauptet, so sähen alle Urnen aus, die „aktuell in jedem Rathaus, in jeder Behörde herumstehen“. Zu dem Video heißt es beispielsweise: „So geht Wahlbetrug in Deutschland! Hätte nie gedacht, dass das mit den Urnen so einfach ist.“ Das Video wurde am 22. September in mehreren Telegram-Kanälen verbreitet. Auf Facebook kursierte es bereits im Februar 2021. 

Der Mann im Video sagt, die Urnen seien veraltet und hätten hinten nur zwei Verriegelungen statt drei. Er spricht von einer Wahl in Thüringen, wo angeblich eine Urne so geöffnet worden sei. 

Er bezieht sich offenbar auf ein Foto, das 2019 nach der Landtagswahl in Thüringen im Netz kursierte und eine hinten geöffnete Wahlurne zeigte. Wie wir in einem Faktencheck recherchierten, wurde dort tatsächlich damals eine Urne aufgebrochen. Eine Sprecherin des Büros des Landeswahlleiters teilte uns damals mit, dass eine Person die Urne gewaltsam hinten geöffnet und ein Foto gemacht habe. Mit „genügend krimineller Energie“ sei so etwas möglich. Es sei aber damals nicht zu Wahlfälschung gekommen.

Wir haben auch bei der Pressestelle des Bundeswahlleiters nachgefragt: „Wir kennen dieses Video, es kursiert seit Monaten und suggeriert, dass Wahlurnen unsicher seien“, schrieb uns eine Sprecherin. Grundsätzlich gebe es keine „Einheitswahlurne“, daher könne man nicht sagen, welche Wahlurnen generell wo verwendet würden.

Bundeswahlleiter: Wahlurnen sind stets vor Fremdzugriff geschützt

Die Sprecherin stellt klar: „Die entscheidende Sicherung besteht darin, dass die Wahlurne stets vor Fremdzugriff beziehungsweise vor einer widerrechtlichen Öffnung geschützt ist. (…) Dies wird durch die durchgängige Besetzung des Wahlraumes mit Wahlhelfenden sowie durch die Öffentlichkeit gewährleistet.“ 

Das geht laut der Internetseite des Bundeswahlleiters so: „Am Wahltag überzeugt sich der Wahlvorstand vor Beginn der Stimmabgabe davon, dass die Wahlurne leer ist. Sodann verschließt die Wahlvorsteherin oder der Wahlvorsteher die Wahlurne. Sie darf bis zum Schluss der Wahlhandlung nicht mehr geöffnet werden.“ Die Urne sei also nie unbeobachtet und nicht für etwaige Manipulationsversuche zugänglich.

Für Wahlurnen sind laut Bundeswahlleiter die Gemeindebehörden zuständig. Sie müssen dabei folgende Vorgaben beachten, die in der Bundeswahlordnung festgelegt sind: Die Wahlurne muss einen Deckel haben und verschließbar sein sowie einen höchstens zwei Zentimeter breiten Spalt im Deckel für das Einwerfen der Stimmzettel haben. Es gibt keine Vorgabe, dass zusätzlich Siegel an Wahlurnen anzubringen sind. 

Redigatur: Alice Echtermann, Uschi Jonas