Nach Messerangriff in Mannheim: Tiktok-Video verkürzt Aussagen des BMI zu Handlungsbedarf
Nach dem tödlichen Messerangriff in Mannheim kursiert ein Zusammenschnitt einer Bundespressekonferenz auf Tiktok. Antworten des Bundesinnenministeriums (BMI) zum Handlungsbedarf nach der Attacke werden darin irreführend verkürzt.
Nach dem tödlichen Messerangriff auf einen Polizisten in Mannheim am 31. Mai 2024 soll das Bundesinnenministerium „vorerst keinen Handlungsbedarf“ sehen – das suggeriert zumindest ein 16-sekündiger Zusammenschnitt der Bundespressekonferenz vom 3. Juni, der auf Tiktok kursiert.
Gefragt danach, ob es „irgendeinen Handlungsbedarf“ gebe, was gesetzliche Anpassungen betrifft, antwortet Mehmet Ata, Sprecher des Bundesinnenministeriums (BMI), es sei „zu früh“, um darüber zu spekulieren. Das Video hat über 180.000 Aufrufe und wurde mehr als 2.000 Mal geteilt. Doch es ist irreführend zusammengeschnitten.
Sprecher Ata bezog sich konkret auf Gesetzesänderungen zum Mitführen spezifischer Messer
Das Video ist in der Originalfassung auf Youtube zu finden. Der fragliche Abschnitt beginnt bei Minute 5:58. Eine Journalistin fragt: „Ich habe eine Frage wegen des Messerattentats in Mannheim an das BMI und vielleicht auch an das BMJ (Bundesministerium der Justiz, Anm. d. Red.). Sehen Sie jetzt im Nachgang – ich weiß es ist natürlich sehr verfrüht – aber sehen Sie da irgendeinen Handlungsbedarf, was gesetzliche Anpassungen angeht, die Regelungen das Mitführen von Messern oder anderen ähnlichen Waffen [betreffend]; gibt es da irgendetwas, das Sie jetzt sehen, was gemacht werden müsste?“
Mehmet Ata verweist auf die aktuelle Gesetzeslage zum Führen von Messern. Der Besitz und Umgang mit Spring-, Fall-, Faust- und Butterfly-Messern sei bereits verboten, wie auch das Führen von Messern mit einer feststehenden Klinge von einer Länge über zwölf Zentimetern. Ausnahmen gebe es etwa, wenn das Messer in einem verschlossenen Behältnis transportiert werde oder es ein berechtigtes Interesse gibt, es mitzuführen, vor allem im beruflichen Kontext.
Die Journalistin hakt nach: „Das heißt also: Kein weiterer Änderungsbedarf notwendig?“ Ata antwortet: „Ich denke, dafür ist es jetzt zu früh, um darüber zu spekulieren.“
Anders als in dem kursierenden Video suggeriert wird, geht es hier also nicht um die Frage, ob das BMI allgemein Konsequenzen aus dem Attentat zieht, sondern ganz konkret, ob das BMI eine Gesetzesänderung zum Führen von Messern erwägt. Ata antwortet im Video auch nicht auf die erste Frage der Journalistin, wie im Tiktok-Video suggeriert, sondern auf die spätere Nachfrage.
Als Folge des Angriffs von Mannheim: Innenministerin Faeser kündigte Gesetzesänderung an
Der BMI-Sprecher ergänzt anschließend, Bundesinnenministerin Nancy Faeser habe ein generelles Waffenverbot in öffentlichen Verkehrsmitteln vorgeschlagen. Darüber berichtete zum Beispiel der MDR im Juni 2023.
Wir haben beim BMI nachgefragt, ob es Erwägungen zur Verschärfung des Waffenrechts bei Messern inzwischen gibt, erhielten jedoch keine klare Antwort. Eine Sprecherin des BMI verwies darauf, dass die Länder eigenständig Waffenverbotszonen einrichten könnten. Solche Waffenverbotszonen gibt es in mehreren deutschen Städten – seit Dezember 2023 auch in Mannheim.
Der Bundesrat veröffentlichte am 14. Juni 2024 eine Erschließung, wonach Messerkriminalität gesenkt werden soll. Im Rahmen der Novelle des Waffenrechts soll demnach geprüft werden, ob Springmesser generell verboten, der Umgang mit Dolchen und Kampfmessern verboten, und die maximal erlaubte Länge von feststehenden Klingen von 12 auf 6 Zentimeter gesenkt werden.
Scholz will Abschiebegründe erweitern
Nach dem tödlichen Angriff in Mannheim kündigte die Bundesregierung an, die Abschiebegründe erweitern zu wollen. Bundeskanzler Olaf Scholz sprach sich in einer Regierungserklärung vom 6. Juni dafür aus, Schwerstkriminelle und Gefährder auch in Länder wie Afghanistan und Syrien abzuschieben, in die Asylsuchende bisher nicht abgeschoben werden dürfen, weil das der Menschenrechtskonvention entgegenläuft, heißt es in diesem Artikel von Verfassungsblog.de. Selbst wer in Deutschland terroristische Anschläge plant, darf demnach nicht abgeschoben werden, wenn der Person im entsprechenden Land, etwa Afghanistan oder Syrien, zum Beispiel Folter droht. Zur genauen Umsetzung äußerte sich Scholz nicht.
„Aus der Billigung terroristischer Taten muss künftig ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse folgen“, sagte Innenministerin Faeser Medienberichten vom 6. Juni zufolge. „Einen Gesetzentwurf hierzu werde ich in Kürze vorlegen.“
Ein Antrag der Unionsfraktion, „den Bundesländern jede mögliche Unterstützung zukommen zu lassen, damit abgelehnte Asylbewerber konsequent in ihre Herkunftsländer zurückgeführt werden, gegebenenfalls über deren Nachbarstaaten“, wurde am 13. Juni im Bundestag abgelehnt.
Redigatur: Matthias Bau, Sophie Timmermann