Faktencheck

Alter Tagesspiegel-Artikel zu angeblichem Wahlbetrug kursiert nach Kommunalwahlen in Brandenburg 2024

Nutzer verbreiten nach den Kommunalwahlen im Juni einen Tagesspiegel-Artikel über angeblichen Wahlbetrug in Brandenburg. Doch der Bericht ist von 2019 und der Fall unbelegt. Beschwerden zu Wahlbetrug gab es bei den diesjährigen Kommunalwahlen in Brandenburg laut der Landeswahlleitung nicht.

von Kimberly Nicolaus

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Am 9. Juni 2024 wählten Bürgerinnen und Bürger in Brandenburg Vertreter für das Europäische Parlament und für die Kommunen (Quelle: Zoonar / Designlt / Picture Alliance)
Behauptung
Ein Artikel des Tagesspiegels belege Wahlbetrug bei den Kommunalwahlen in Brandenburg.
Bewertung
Falsch. Der Artikel des Tagesspiegel stammt von 2019. Darin geht es um einen angeblichen Wahlbetrug bei den damaligen Kommunalwahlen. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) konnte jedoch keinen hinreichenden Tatverdacht feststellen und stellte das Verfahren ein. Laut der Landeswahlleitung in Brandenburg gab es bei den Kommunalwahlen 2024 keine Beschwerden zu Wahlbetrug.

Bürgerinnen und Bürger in Brandenburg wählten am 9. Juni 2024 neben den Abgeordneten des Europäischen Parlaments auch die Mitglieder für die Vertretungen in den Kommunen. Knapp eine Woche nach den Wahlen heißt es auf X: „Wahlbetrug in Brandenburg zu den Kommunalwahlen bestätigt!“ Belegen soll das ein Tagesspiegel-Artikel mit dem Titel: „AfD-Stimmen für die Grünen gezählt: Wahlbetrug in Brandenburg ist Fall für den Staatsanwalt.“ Der X-Beitrag wurde über 1.000 Mal geteilt, die Behauptung verbreitet sich auch in mehreren Tiktok-Videos.

Die Beiträge sind jedoch irreführend. Denn anders als suggeriert, geht es nicht um die aktuellen Kommunalwahlen.

Diesem Tiktok-Video fehlt wichtiger Kontext zu den Kommunalwahlen in Brandenburg 2024.
Dieses aktuelle Tiktok-Video zeigt einen Tagesspiegel-Artikel aus 2019, der darin berichtete Verdacht auf Wahlbetrug betrifft also nicht die Kommunalwahlen in Brandenburg 2024 (Quelle: Tiktok; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Tagesspiegel-Artikel ist von 2019 – für den darin erwähnten Fall von Wahlbetrug gibt es jedoch keine Belege 

Der Tagesspiegel veröffentlichte den Artikel am 27. August 2019. Entsprechend geht es um einen Vorfall bei den Kommunalwahlen vor fünf Jahren. Demnach habe ein Wahlhelfer eines Wahllokals in Oder-Spree gegenüber der Zeitung zugegeben, dass er „aus einem spontanen Impuls heraus“ das Abstimmungsergebnis der Stadtverordnetenversammlung manipuliert habe. Er sagte aus, eine zweistellige Zahl an Stimmen für die AfD als Kreuze für die Grünen gewertet zu haben. 

Für eine solche Manipulation gibt es jedoch keine Belege. Wie CORRECTIV.Faktencheck im September 2019 berichtete, wurden laut Sascha Gehm, dem damaligen Wahlleiter im genannten Landkreis Oder-Spree, per Ausschlussverfahren der mutmaßliche Wahlbezirk identifiziert und die Stimmen nachgezählt. „Das Ergebnis der Grünen vom Wahlabend wurde bestätigt“, teilte Gehm damals mit. Eine Nachzählung der Stimmen habe gezeigt, dass das Ergebnis der AfD eine Abweichung von fünf Stimmen aufwies, was durch Unaufmerksamkeit oder Erschöpfung der Wahlhelfenden erklärbar sei. 

Zu diesem Zeitpunkt prüfte die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) noch den Anfangsverdacht wegen Fälschung von Wahlergebnissen. Auf aktuelle Nachfrage teilte die Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder nun mit: Es seien Ermittlungen durchgeführt worden, doch das Verfahren sei mangels hinreichenden Tatverdachts im Februar 2020 eingestellt worden. Eine Wahlfälschung durch einen anderen Täter hätte nicht festgestellt werden können.

Landeswahlleitung in Brandenburg: Keine Beschwerden zu Wahlbetrug bei Kommunalwahlen in 2024

Bei der diesjährigen Kommunalwahl in Brandenburg kam die AfD laut vorläufigen Ergebnissen insgesamt als stärkste Kraft auf 25,7 Prozent, gefolgt von der CDU mit 19,3 Prozent und der SPD mit 16,6 Prozent. 

Laut der Landeswahlleitung in Brandenburg habe es keine Beschwerden zu Wahlbetrug gegeben. In mindestens einem Fall soll es jedoch aufgrund der Wahl-Software zu einem Rechenfehler gekommen sein, wie CORRECTIV berichtete. Laut der Landeswahlleitung handle es sich um einen Ausnahmefall des Wahlverfahrens, der von der eingesetzten Wahlsoftware nicht abgedeckt werde. Wir haben den mutmaßlichen Erstverbreiter der irreführenden Behauptung auf X kontaktiert. Bis zur Veröffentlichung erhielten wir keine Antwort.

Nach der Europawahl und den Kommunalwahlen in einigen Bundesländern am 9. Juni 2024 kursieren zahlreiche irreführende Meldungen. Eine Übersicht finden Sie hier

Redigatur: Sophie Timmermann, Uschi Jonas

Korrektur, 21. Juni 2024: Wir haben die Bewertung von „fehlender Kontext“ zu „falsch“ geändert, da die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) keinen hinreichenden Tatverdacht zu dem angeblichen Wahlbetrug, wie im Tagesspiegel-Artikel 2019 berichtet, feststellte.