Faktencheck

EM 2024: Keine Belege, dass „vermummte Albaner“ in Gelsenkirchen Fußball-Fans angriffen

Vor einem Fußballspiel zwischen England und Serbien während der Europameisterschaft 2024 in Gelsenkirchen kam es zu Ausschreitungen. Im Netz wird behauptet, dass „vermummte Albaner“ serbische Fans angegriffen hätten. Doch dafür gibt es keine Belege.

von Max Bernhard

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In Gelsenkirchen gab es am 16. Juni 2024 einen Polizei-Einsatz: Vor einem Fußballspiel zwischen England und Serbien war es zu Auseinandersetzungen zwischen Fans der beiden Teams gekommen. Dafür, dass daran auch Albaner beteiligt waren, finden sich keine Belege. (Quelle: Tim Rehbein / RHR-Foto / Picture Alliance)
Behauptung
Vermummte Albaner hätten am 16. Juni im Zuge der Fußball-Europameisterschaft 2024 in Gelsenkirchen Fans der englischen und serbischen Fußball-Teams angegriffen.
Bewertung
Unbelegt. Laut der Polizei Gelsenkirchen handelte es sich um Ausschreitungen zwischen Fans des englischen und serbischen Teams. Eine Sprecherin erklärte, dass die Ermittlungen andauerten, es bisher aber keine Hinweise darauf gebe, dass auch albanische Fans involviert waren. Dafür, dass Personen aus Albanien serbische Fans angegriffen haben sollen, finden sich auch in Medienberichten keine Belege.

Am Sonntag, 16. Juni, trafen die Fußball-Mannschaften Englands und Serbiens in einem EM-Spiel in Gelsenkirchen aufeinander. Das Spiel war als sogenannte Hochrisiko-Partie eingestuft, da es in beiden Ländern eine ausgeprägte gewaltbereite Hooligan-Szene gibt. Tatsächlich kam es vor dem Spiel zu mehreren Schlägereien in der Innenstadt.

Mehrere Videos von der Auseinandersetzung verbreiteten sich schnell in Sozialen Netzwerken. In einigen der Beiträge auf X und Facebook wurde spekuliert oder behauptet, dass Albaner serbische Fans angegriffen hätten. Unter anderem der Chef des Onlinemediums Nius, Julian Reichelt, verbreitete die Behauptung auf X – relativierte jedoch wenige Minuten später in einem Kommentar, dass „möglicherweise“ doch keine Albaner involviert seien. Auch andere Accounts korrigierten sich.

Für die Behauptung, dass Albaner vor dem Spiel England gegen Serbien in Gelsenkirchen am 16. Juni Fans angegriffen hätten, finden sich keine Belege (Quelle: X; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Polizei Gelsenkirchen spricht von Auseinandersetzung zwischen serbischen und englischen Fußballfans 

Ein Vergleich mit Bildern von Google Streetview zeigt, dass die Videos in den Beiträgen ein Restaurant in der Arminstraße in Gelsenkirchen zeigen. Dort fanden laut der Polizei Gelsenkirchen die Auseinandersetzungen statt.

Für Behauptungen, dass Albaner die serbischen Fans angegriffen hätten, finden sich in der Pressemitteilung der Polizei Gelsenkirchen vom Tag des Vorfalls keine Belege: Sie schreibt von einer „Auseinandersetzung zwischen serbischen und englischen Fußballfans“ gegen 15.45 Uhr im Bereich der Arminstraße. „Eingesetzte Kräfte der Bereitschaftspolizei […] nahmen sieben serbische Anhänger in Gewahrsam und fertigten eine Strafanzeige wegen gefährlicher Körperverletzung.“ Laut einem Bericht des WDR gab die Polizei später in einer Pressekonferenz am 19. Juni an, dass bisher insgesamt elf Personen Straftaten zugeordnet werden konnten.

Eine Sprecherin der Polizei Gelsenkirchen, Ramona Hörst, erklärte auf Nachfrage von CORRECTIV.Faktencheck am 25. Juni, dass es bisher keine Hinweise darauf gebe, dass auch albanische Fans involviert waren. Die Ermittlungen dauerten noch an.

Zu den Auseinandersetzungen gab es mehrere Medienberichte, unter anderem von der Tagesschau, der Frankfurter Rundschau, der Rheinischen Post und dem Tagesspiegel. Laut dem Bericht des WDR hatten gewaltbereite Engländer den Streit angefangen. Auch ausländische Medien berichteten. In keinem der Texte ist die Rede von Albanern. In einem Bericht des britischen Guardian heißt es jedoch: „Einige Zeugen hatten behauptet, dass albanische Fans die Anstifter waren, aber die Gelsenkirchener Polizei stellte später klar, dass die Beteiligten Engländer und Serben waren.“

Es gab in der Vergangenheit Auseinandersetzungen zwischen serbischen und albanischen Hooligans

Noch Tage nachdem sich die Behauptung als falsch herausgestellt hatte, verbreiteten X-Beiträge unbelegte Gerüchte, dass Albaner eine Rolle bei den Ausschreitungen gespielt hätten. Darunter auch ein X-Profil, das zu einer russischen Desinformations-Kampagne gehört.

Der Fall ist auch politisch relevant: Bei den Auseinandersetzungen in Gelsenkirchen soll laut Medienberichten auch der Sohn des serbischen Autokraten Danilo Vučić dabeigewesen sein. Serbiens Hooligans sind für ihre Gewalttätigkeit berüchtigt – einige Mitglieder der Szene sollen enge Verbindungen zu rechtsextremen Gruppierungen und der serbischen Regierung haben, die als politischer Alliierter Russlands gilt.

Zwischen serbischen und albanischen Hooligans kam es in der Vergangenheit zu Ausschreitungen. Der Kosovo, in dem eine albanische Bevölkerungsmehrheit lebt, hat sich 2008 für unabhängig von Serbien erklärt. Serbien erkennt das bis heute nicht an. Immer wieder kommt es zu Streit zwischen den beiden Ländern und teils gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen der albanischen und serbischen Bevölkerung im Kosovo.

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Redigatur: Matthias Bau, Sarah Thust