Faktencheck

Foto von Bädern auf Malta widerlegt nicht den Anstieg des Meeresspiegels

Ein Foto von angeblich jahrtausendealten römischen Gezeitenbädern soll belegen, dass der Meeresspiegel vor Malta nicht gestiegen sei. Doch weder zeigt das Foto Jahrtausende alte Bäder, noch ist es ein Argument gegen den Klimawandel.

von Paulina Thom

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Mit diesem Foto von Bädern an der Küste Maltas streuen Nutzerinnen und Nutzer Zweifel daran, dass der Meeresspiegel steige. Doch das Foto ist dafür ungeeignet. Daten belegen den globalen Meeresspiegelanstieg. (Quelle: Facebook; Screenshot, Schwärzung und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)
Behauptung
Die römischen Gezeitenbäder auf Malta seien nach Jahrtausenden immer noch auf Meereshöhe. Das widerlege den Meeresspiegelanstieg durch den Klimawandel.
Bewertung
Falsch. Die Bäder sind nicht jahrtausendealt, sondern vermutlich im 19. oder frühen 20. Jahrhundert entstanden. Daten belegen, dass vor Malta der Meeresspiegel gestiegen ist, wenn auch langsamer als im weltweiten Durchschnitt. Hauptgrund für den Anstieg ist laut Klimaforschenden die vom Menschen beeinflusste Klimaerwärmung.

„Römische Gezeitenbäder auf Malta – nach Tausenden von Jahren immer noch auf Meereshöhe. Aber – der Klimawandel wird uns alle umbringen. Oder?“, heißt es Ende Juni über ein Foto in einem englischsprachigen X-Beitrag, der mehr als 11.000 Mal geteilt wurde. Auch deutsche Beiträge mit dem Foto und der Behauptung verbreiteten sich tausendfach, etwa auf Facebook, Instagram, Telegram und X. „Soviel zur Klimalüge“, kommentiert eine X-Nutzerin

Screenshot eines X-Beitrages mit der Behauptung
Das Foto das angeblich jahrtausende alte römische Bäder an Maltas Küste zeigen soll, verbreitete sich auf Deutsch unter anderem auf X (Quelle: X; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Bäder auf dem Foto sind nicht „Jahrtausende“ alt, sondern entstanden laut maltesischem Ministerium für Information  etwa im 19. Jahrhundert

Eine Bilder-Rückwärtssuche liefert mehrere ähnliche Fotos. Ein Vergleich mit Aufnahmen von Google Maps zeigt, dass es sich um Bäder an der nordöstlichen Küste Maltas in der Stadt Sliema handelt. Dasselbe Foto tauchte bereits in einem Instagram-Beitrag 2019 auf, wie die US-Faktencheckorganisation Politifact berichtete. 

Anders als behauptet, sind die Bäder laut mehreren Webseiten jedoch nicht Jahrtausende alt. Die Bäder in Sliema seien zwar als „römische Bäder“ bekannt, schreibt das maltesische Ministerium für Information auf Facebook, „sie gehen aber wahrscheinlich auf das viktorianische Zeitalter zurück“, also dem 19. oder frühen 20. Jahrhundert. Damals war Malta eine britische Kolonie. Unabhängig vom genauen Baujahr der Bäder widerlegt ein Foto von ihnen den aktuellen Meeresspiegelanstieg nicht, und zwar aus mehreren Gründen.

Unklar, wie hoch die Gezeiten zum Zeitpunkt der Fotoaufnahme war

Zum einen handelt es sich um eine Momentaufnahme, von der wir nicht wissen, ob sie während der Ebbe oder Flut entstanden ist. ​​Von oben und aus weiter Distanz, wie bei dem Foto, lässt sich ein Meeresspiegelanstieg von mehreren Zentimetern auch gar nicht erkennen. 

Diese Woche etwa schwankte der Meeresspiegel vor Sliema um 20 Zentimeter, wie mehrere Webseiten, die täglich Gezeitenhöhen veröffentlichen, zeigen. Daher wird der Anstieg des Meeresspiegels auch nicht anhand von Fotos an einem einzelnen Ort über einen kurzen Zeitraum untersucht, sondern weltweit an Stationen mit Pegelmessern oder über Satellitendaten gemessen und über einen längeren Zeitraum betrachtet. 

Daten belegen Meeresspiegelanstieg vor Malta

Zum anderen belegen Satellitendaten einen Meeresspiegelanstieg vor Malta: Laut Daten der Nasa ist der Meeresspiegel vor Marsaxlokk, an der südöstlichen Küste von Malta, zwischen 1993 und 2019 um 0,8 Millimeter pro Jahr gestiegen. Damit liegt der Meeresspiegelanstieg vor Malta unter dem Durchschnitt des Mittelmeers, der laut Satellitendaten der US-Klima- und Ozeanografiebehörde NOAA etwa 2,4 Millimeter pro Jahr seit 1993 beträgt (satellitengestützte Messungen begannen erst ab diesem Jahr).

Einem Bericht des Weltklimarats (IPCC) von 2022 zufolge hat sich der Anstieg im Mittelmeer zwischen 1993 und 2018 verdoppelt, verglichen mit dem gesamten 20. Jahrhundert.

Karte der Nasa zum Meeresspiegelanstieg
Laut Daten der Nasa ist der Meeresspiegel bei dem maltesischen Ort Marsaxlokk zwischen 1993 und 2019 um 0,8 Millimeter pro Jahr gestiegen (Quelle: Nasa; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Globaler Meeresspiegel seit 1901 durchschnittlich um 20 Zentimeter gestiegen

Der durchschnittliche Anstieg des globalen Meeresspiegels ist sogar noch stärker: Laut dem Sachstandsbericht des IPCC von 2021 hat sich der Anstieg des Meeresspiegels von 1,3 Millimeter pro Jahr zwischen 1901 und 1971 auf 3,7 Millimeter pro Jahr zwischen 2006 und 2018 erhöht. Insgesamt ist der globale Meeresspiegel laut den IPCC-Daten seit 1901 um etwa 20 Zentimeter gestiegen.

Das mag nach wenig klingen, doch die Geschwindigkeit, mit der der Meeresspiegel steigt, ist seit dem 20. Jahrhundert schneller als in jedem vorigen Jahrhundert der letzten mindestens 3.000 Jahre. Hauptgründe dafür sind laut IPCC die Erwärmung der Ozeane, wodurch sich das Wasser ausdehnt, und das Abschmelzen der Gletscher und der Polarkappen. 

Dass der Meeresspiegel regional unterschiedlich steigt, liegt einem Bericht des Deutschen Klima Konsortiums zufolge unter anderem an Ozeanströmungen. Sie verteilen das Wasser mit unterschiedlicher Temperatur und unterschiedlichem Salzgehalt. Neben dem Verlust von Eismasse beeinflussen auch regionale Landhebungen und -senkungen den Anstieg des Meeresspiegels.

Hauptursache für den globalen Meeresspiegelanstieg ist der menschliche Einfluss auf das Klima 

„Dass der Meeresspiegel in den kommenden Jahrhunderten noch schneller ansteigen wird, ist heute absoluter Konsens – und auch, dass dies an der menschengemachten Erwärmung liegt“, sagte Anders Levermann, Forscher am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, schon 2017 gegenüber CORRECTIV. Der menschliche Einfluss auf das Klima ist sehr wahrscheinlich die Hauptursache für den Meeresspiegelanstieg seit mindestens 1971, schreibt auch das IPCC.

Immer wieder sollen Fotos oder Videos verschiedener Orte Zweifel am Anstieg des Meeresspiegels streuen. Wir haben in der Vergangenheit bereits mehrere ähnliche Behauptungen geprüft, etwa über New York, Dubai oder Rio de Janeiro

Redigatur: Sophie Timmermann, Kimberly Nicolaus

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Karte der Nasa zum Anstieg des Meeresspiegels: Link (Englisch)
  • Regionale Daten zum Meeresspiegelanstieg im Mittelmeer, NOAA: Link (Englisch, PDF)
  • Cross-Chapter Paper „Mediterranean Region“, IPCC, 2022: Link (Englisch, PDF)
  • Sonderbericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen, Der Ozean und die Kryosphäre in einem sich wandelnden Klima, IPCC, 2019: Link (archiviert)
  • Sechster Sachstandsbericht, IPCC, 2021: Link (PDF, Englisch)
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