Faktencheck

Nein, US Secret Service verweigerte Mitarbeiter „Jonathan Willis“ nicht, auf Trump-Attentäter zu schießen

Angeblich soll „Jonathan Willis“, Beamter des Secret Service, in einem Forum geschrieben haben, ein Vorgesetzter habe ihn davon abgehalten, schon früher auf den Trump-Attentäter Thomas Matthew Crooks zu schießen. Das ist falsch – einen Mitarbeiter mit diesem Namen gibt es laut der US-Behörde gar nicht.

von Max Bernhard

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Ein Beamter des Secret Service auf diesem Foto soll angeblich online geschrieben haben, dass er schon früher auf den Trump-Attentäter hätte schießen können – für diese Behauptung finden sich jedoch keine Belege (Quelle: Gene J. Puskar / Associated Press / Picture Alliance)
Behauptung
Ein Beamter des US Secret Service namens Jonathan Willis, der bei dem Attentat auf Donald Trump am 13. Juli 2024 im Dienst gewesen sei, habe sich in einem Online-Beitrag gemeldet. Dort habe er geschrieben, dass er von einem Vorgesetzten davon abgehalten worden sei, schon früher auf den Attentäter zu schießen.
Bewertung
Falsch. Der Secret Service bezeichnete die Behauptung als falsch und erklärte, dass niemand mit diesem Namen für die Behörde arbeite. Es finden sich keine Belege dafür, dass ein Beamter des Secret Service namens Jonathan Willis während des Attentats auf Trump anwesend war und davon abgehalten wurde, schon früher einzugreifen. Das Statement stammt aus einem Online-Forum, das für die Verbreitung von Falschinformationen bekannt ist.

Nach dem Attentat auf Donald Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung am 13. Juli steht der Secret Service in der Kritik. Die US-amerikanische Behörde ist für die Sicherheit amtierender und ehemaliger Präsidenten verantwortlich. Politiker und Experten werfen dem Secret Service schweres Versagen vor, nachdem Trump, der designierte Präsidentschaftskandidat der Republikaner, fast getötet wurde. Dem Attentäter war es möglich, mehrere Schüsse abzusetzen, bevor ein Scharfschütze des Secret Service ihn tötete.

Unter die Kritik an der Behörde mischen sich auch falsche Behauptungen. In teils viralen Beiträgen auf X, Tiktok und Facebook verbreitet sich auf Deutsch und Englisch ein angebliches Statement eines Secret-Service-Beamten. Ein Beitrag auf X hat rund sieben Millionen Ansichten. Auch Nachrichtenseiten wie Hindustan Times und Washington Examiner verbreiteten das Statement offenbar ungeprüft weiter.

Demnach habe der Beamte behauptet, er hätte den Attentäter schon viel früher ausschalten können – habe dafür aber minutenlang nicht die Freigabe bekommen. Teils wird in den Beiträgen ein Screenshot geteilt, der den entsprechenden Beitrag des Beamten in einem Forum oder dessen Übersetzung zeigen soll. Im Forenbeitrag ist außerdem ein Foto zu sehen, das diesen Beamten zeigen soll.

Auf X und anderen Plattformen verbreitet sich das vermeintliche Statement eines Secret-Service- Mitarbeiters (Quelle: X; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Secret Service: Behauptung „kategorisch falsch“ – kein Mitarbeiter namens Jonathan Willis 

Auf Nachfrage schreibt uns Nate Herring, ein Pressesprecher des Secret Service, dass niemand mit dem Namen Jonathan Willis für die Behörde arbeite. Die Behauptung, ein Secret-Service-Mitglied mit diesem Namen habe den Schützen drei Minuten lang beobachtet und der Leiter des Secret Service habe sich geweigert, ihn schießen zu lassen, sei „kategorisch falsch“.

Auf eine Anfrage der Associated Press (AP) erklärte ein Sprecher der Behörde weiter, dass Scharfschützen des Secret Service angewiesen sind, bei gefährlichen Situationen ohne expliziten Befehl zu schießen. Die lokale Polizeibehörde in Butler, Pennsylvania, dementierte AP gegenüber ebenfalls, einen Mitarbeiter mit dem Namen Jonathan Willis zu haben.

Auch sonst finden sich für die Behauptung keine Belege, wie zum Beispiel Medienberichte oder etwa Videostatements von dem angeblichen Mitarbeiter. Eine Google-Suche nachdem Namen führt zu Faktenchecks von anderen Redaktionen, die die Behauptung ebenfalls als falsch einstufen.

Beitrag des angeblichen Secret-Service-Mitarbeiters zuerst auf 4chan veröffentlicht  

Einige der Beiträge mit der Behauptung nennen das Forum 4chan als Quelle. Dort findet sich tatsächlich der Beitrag vom 14. Juli, in dem ein Nutzer behauptet, Jonathan Willis zu heißen und für den Secret Service zu arbeiten. Darin heißt es auf Englisch: „Mein Name ist Jonathan Willis, ich bin der Beamte auf dem berühmten Foto der beiden Scharfschützen auf dem Dach bei Trumps Kundgebung.“

Und weiter: „Ich bin hierher gekommen, um die Öffentlichkeit darüber zu informieren, dass ich den Attentäter mindestens drei Minuten lang im Visier hatte, aber der Leiter des Geheimdienstes sich weigerte, den Befehl zu geben, den Täter auszuschalten. Zu 100 Prozent hat mich die oberste Führung daran gehindert, den Attentäter zu töten, bevor er auf Präsident Trump geschossen hat.“

Dass es sich um den Foren-Eintrag aus den Screenshots handelt, lässt sich an verschiedenen Details, wie zum Beispiel der Beitrags-Nummer „474066576“ und der ID  „z9qiQ4hq“ erkennen.

In einem Kommentar zu seinem Beitrag behauptete der Autor außerdem, dass er derjenige sei, der den Attentäter getötet habe.

Ein Screenshot des Statements, der teilweise in Sozialen Netzwerken verbreitet wird, stammt aus dem Forum 4chan. In einem Kommentar behauptet der Autor außerdem, dass er den Attentäter getötet habe. (Quelle: 4chan.org; Screenshots und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)

4chan: Extremistisches Internetforum und Geburtsort von Falschbehauptungen

4chan ist ein unter Rechtsextremen und antifeministischen Männerrechtlern beliebtes Forum, in dem Nutzerinnen und Nutzer anonym Beiträge veröffentlichen können. Vor allem im Unterforum „Politically Incorrect“ verbreiten sich nach Attentaten oder Anschlägen immer wieder Falschbehauptungen. So wurde dort beispielsweise nach verschiedenen Amokläufen in den USA ein Foto des Comedians Sam Hyde verbreitet und behauptet, er sei der Attentäter – das war falsch. Hyde wird im Übrigen auch mit dem Attentat auf Trump fälschlicherweise in Verbindung gebracht.

Der QAnon-Verschwörungsmythos hatte seinen Ursprung auf der Plattform, das Forum wurde aber auch verwendet, um mutmaßlich authentische vertrauliche US-Regierungsdokumente zu veröffentlichen.

Das Handeln des Secret Service bei dem Attentat auf Trump wird in einem Kongressausschuss untersucht. Laut einer Analyse der Washington Post könnte eine eingeschränkte Sicht die Reaktion der Scharfschützen verzögert haben. Ein anonymer Beamter sagte der Zeitung außerdem, dass der Sniper, der den mutmaßlichen Attentäter Thomas Mathew Crooks tötete, zunächst einige Augenblicke lang eingeschätzt habe, ob dieser eine Waffe hatte. Der Scharfschütze habe Sekunden nachdem Crooks feuerte, selbst geschossen.

Alle Faktenchecks rund um das Attentat auf Donald Trump finden Sie hier.

Redigatur: Viktor Marinov, Gabriele Scherndl