Faktencheck

Altes Video von Kate Middleton in muslimischem Gemeindezentrum wird irreführend verbreitet

Online kursiert ein Video, in dem Kate Middleton ein muslimisches Gemeindezentrum besucht. Dazu heißt es, einige muslimische Männer hätten Middleton nicht gegrüßt. Das stimmt so nicht.

von Paulina Thom

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Prinzessin Kate beim Wimbledon-Finale in London am 14. Juli 2024 (Quelle: Hugo Philpott / Newscom / Picture Alliance)
Behauptung
Ein Video zeige, wie mehrere muslimische Männer die Prinzessin von Wales nicht grüßten, weil sie eine Frau sei. Der Bürgermeister von London verlange von Kate, sich in „mehrheitlich muslimischen Gebieten“ zu verschleiern.
Bewertung
Falscher Kontext
Über diese Bewertung
Falscher Kontext. Das Video stammt von einem Besuch in einem muslimischen Gemeindezentrum im März 2023. Ein Mann in dem Video reichte Kate Middleton zwar nicht die Hand, grüßte sie aber mit einer im Islam verbreiteten höflichen Geste. Dafür, dass der Bürgermeister von London von Kate Middleton verlange, sich zu verschleiern, gibt es keine Belege.

Auf X verbreitet sich ein Video, das Kate Middleton mit einem Schleier zeigt. In dem kurzen Video steigen Middleton und Prinz William aus einem Auto aus und begrüßen anschließend drei Männer in einem Gebäude. Einer gibt Kate die Hand, einer anderer reagiert auf Kates ausgestreckte Hand jedoch mit einer Hand auf seiner Brust.

Behauptet wird in dem Zusammenhang, die „muslimischen Männer” hätten Middleton nicht gegrüßt oder ihr den Handschlag verweigert. Englischsprachige X-Beiträge mit der Behauptung erreichten teils Millionen Aufrufe. Einige deutsche Beiträge behaupten dazu, der Bürgermeister von London verlange von der Prinzessin von Wales, sich zu verschleiern, wenn sie „bestimmte mehrheitlich muslimische Gebiete“ besuche. 

Screenshot der Behauptung auf X
Dieser Beitrag wurde auf X mehr als tausend Mal geteilt. Anders als der Nutzer behauptet, gibt es keine Belege dafür, dass der Bürgermeister von London eine Verschleierung von Middleton verlange. Dass die muslimischen Männer die Prinzessin nicht grüßten, stimmt so nicht. (Quelle: X; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Video ist aus März 2023 und zeigt Besuch Middletons in einem muslimischen Gemeindezentrum

Das Video verbreitet sich vor dem Hintergrund von Protesten und teilweise gewalttätigen Ausschreitungen in England, die sich vor allem gegen Musliminnen und Muslime aber auch gegen Migration allgemein richteten. Auslöser war ein Messerangriff in der Stadt Southport am 29. Juli 2024, bei dem drei Mädchen getötet und weitere Menschen verletzt wurden. Falschnachrichten, wonach der Täter muslimischer Asylbewerber oder illegaler Einwanderer sei, hatten die Ausschreitungen in England angeheizt. 

Die Aufnahme von Middleton hat aber keinen Bezug zu der aktuellen Situation in England, sie ist mehr als ein Jahr alt. 

Eine Bilder-Rückwärtssuche führt zu einem Youtube-Video der britischen Zeitung Daily Mail vom 9. März 2023. Laut der Beschreibung des Videos und einem dazugehörigen Artikel besuchte Middleton gemeinsam mit Prince William das Hayes Muslim Centre in London, weil dort Spenden für die damaligen Erdbebenopfer in der Türkei und Syrien gesammelt wurden. Das Hayes Muslim Centre ist eine Gemeindezentrum mit Gebetshaus. Als Zeichen des Respekts habe das königliche Paar seine Schuhe ausgezogen und Kate ihren Kopf mit einem Schal bedeckt, heißt es in dem Artikel und weiteren Medienberichten. Von Vorgaben des Bürgermeisters von London an die Prinzessin steht in dem Artikel nichts, auch sonst gibt es dafür keinerlei Belege. Auf unsere Anfrage an den Bürgermeister erhielten wir bis zur Veröffentlichung keine Antwort. 

Das Gemeindezentrum liegt im Londoner Stadtteil Hillingdon. Laut Daten des Zensus aus 2021 des Amts für Nationale Statistiken bezeichneten sich 14,4 Prozent der Bevölkerung in Hillingdon als muslimisch, 39 Prozent als christlich – „mehrheitlich muslimisch geprägt“ ist der Stadtteil also nicht, wie einige Beiträge suggerieren.

Kein Handschlag, aber ein Gruß des Gemeindevorstehers gegenüber Middleton 

Das Video der Daily Mail ist ähnlich wie die Behauptungen, die aktuell dazu kursieren, betitelt mit: „Kate Middleton wird von muslimischem Gemeindevorsteher der Handschlag verweigert.“ Der Artikel liefert jedoch mehr Kontext. Der Gemeindevorsteher Iman Sufyan habe seine Hand auf sein Herz gelegt und den Kopf gesenkt. Das gelte in einigen muslimischen Traditionen als höflich. Die Geste des Gemeindevorstehers ist auch im Video zu sehen. 

Screenshot aus dem Video der Daily Mail
Der Gemeindevorsteher legt seine Hand aufs Herz und senkt den Kopf, wie in dem Video der Daily Mail zu erkennen ist (Quelle: Youtube / Daily Mail; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

In der muslimischen Community sei es üblich, dass Männer und Frauen zur Begrüßung die Hand aufs Herz legen, statt sie sich zu reichen, erklärte Hakki Arslan, mittlerweile wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Münster, gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung 2016. Damals wurde in Politik und Medien in mehreren europäischen Ländern die sogenannte Handschlag-Debatte geführt – auch in Deutschland. Auslöser war ein Vorfall an einer Berliner Privatschule, bei dem ein Imam der Lehrerin seiner Söhne nicht die Hand geben wollte, sondern diese stattdessen aufs Herz legte, wie Medien berichteten

Warum manche muslimische Menschen nicht den Handschlag erwidern 

Wie die Antidiskriminierungsstelle Steiermark auf ihrer Webseite erklärt, gibt es im Koran keine Regelung, die ausdrücklich das Händeschütteln zwischen Mann und Frau thematisiert, dennoch würden manche darin einen ersten Schritt zur „Unzucht“ sehen. ​​Die unterschiedlichen Meinungen spiegeln sich auch in einer Umfrage von 2016 unter türkischstämmigen Muslimen in Deutschland wieder: Die Frage, ob ein Mann aus religiösen Gründen einer Frau den Handschlag verweigern dürfe, bejahten 61 Prozent der Frauen und 48 Prozent der Männer.

Als Ersatz für das grüßende Händeschütteln bietet sich laut Antidiskriminierungsstelle Steiermark eine andere respektvolle Geste an, nämlich die rechte Hand auf das Herz zu legen und die Frau mit leicht nickendem Kopf zu begrüßen – also eben jene Geste aus dem Video mit Kate Middleton. Der Islam ist nicht die einzige Religion, in der die Berührung der Hände des anderen Geschlechts mitunter vermieden wird, auch im orthodoxen Judentum ist dies üblich. 

Redigatur: Steffen Kutzner, Sophie Timmermann