Faktencheck

Altes Phantombild hat nichts mit dem Anschlag in Solingen zu tun

Auf Tiktok soll ein Phantombild den Mann hinter dem Messerangriff in Solingen zeigen. Doch das Bild ist von 2018 und hat mit dem aktuellen Anschlag nichts zu tun.

von Sarah Thust

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Die Polizei durchsucht die Umgebung der Flüchtlingsunterkunft, in der der Tatverdächtige des Anschlags in Solingen gewohnt haben soll (Foto: Christoph Reichwein / DPA / Picture Alliance)
Behauptung
Das Phantombild eines Mannes ohne Bart mit kurzen, dunklen Haaren zeige den Angreifer von Solingen.
Bewertung
Falscher Kontext
Über diese Bewertung
Falscher Kontext. Das Phantombild ist von 2018 und zeigt einen Verdächtigen in mehreren Sexualdelikten in Hamburg. Mit dem Anschlag in Solingen steht es nicht in Verbindung – der Verdächtige reiste erst im Jahr 2022 nach Deutschland ein.

Während nach dem Anschlag in Solingen in Nordrhein-Westfalen nach dem Tatverdächtigen gefahndet wurde, kursierten in Sozialen Netzwerken bereits angebliche Täterfotos – so auch in einem Tiktok-Beitrag mit mehr als 683.000 Ansichten.

Der Beitrag, der am 24. August 2024 auf Tiktok veröffentlicht wurde, zeigt ein Phantombild – darauf ist ein Mann ohne Bart mit kurzen, dunklen Haaren zu sehen. Darunter steht ein Auszug eines Medienberichts von „10.38 Uhr“, wonach es eine erste Festnahme gegeben habe. 

Das Solinger Tagblatt berichtete am 24. August um 11.30 Uhr über ein Statement des Sprechers der Düsseldorfer Polizei, dass Medienberichte über eine Festnahme Gerüchte seien. Ebenso unklar sei, aus welchen Quellen angebliche Täterbeschreibungen stammen. Erst Stunden später bestätigte die Polizei Düsseldorf eine erste Festnahme – dabei handelte es sich jedoch nicht um den mutmaßlichen Täter. Tatsächlich wurde der echte Tatverdächtige erst am Abend gefasst. Er sieht dem Mann auf dem Phantombild auf Tiktok jedoch nicht ähnlich und war laut Medienberichten 2022 nach Deutschland eingereist

Der Tiktok-Beitrag zeigt ein falsches Phantombild – es zeigt nicht den Tatverdächtigen von Solingen (Quelle: Tiktok; Screenshot und Unkenntlichmachung: CORRECTIV.Faktencheck)

Mehrere Bilder-Rückwärtssuchen mit dem Phantombild aus dem Tiktok-Beitrag zeigen: Die Schleswig-Holsteinische Tageszeitung SHZ veröffentlichte es bereits 2018 in einem Artikel. Es zeigt einen anderen Mann, nach dem die Polizei in Hamburg im Zusammenhang mit Sexualdelikten fahndete. Eine Sprecherin der Generalstaatsanwaltschaft Hamburg bestätigte uns dies am 28. August und schrieb, der Tatverdächtige auf dem Bild sei inzwischen identifiziert.

Das Phantombild ist der für Solingen zuständigen Polizei nicht bekannt

Dem für Solingen zuständigen Polizeipräsidium Düsseldorf ist das Phantombild nicht bekannt, wie ein Sprecher uns am 28. August mitteilte. Mit der Tat in Solingen hat es also nichts zu tun. 

Einen Tag nach dem Anschlag in Solingen wurde ein 26-jähriger Syrer von der Polizei festgenommen. Die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) reklamierte die Tat für sich. Der Tiktok-Nutzer teilte später das richtige Fahndungsfoto des Verdächtigen, löschte den Beitrag mit dem falschen Foto aber erst, nachdem CORRECTIV.Faktencheck bei ihm nachfragte.

Ein späterer Tiktok-Beitrag desselben Nutzers zeigte den Tatverdächtigen von Solingen – doch den alten Beitrag mit dem falschen Foto korrigierte er nicht (Quelle: Tiktok; Screenshot und Unkenntlichmachung: CORRECTIV.Faktencheck)

Darüber hinaus kursierten weitere Falschbehauptungen über den Anschlag, etwa, dass Bundesinnenministerin Nancy Faeser Verständnis für den Angreifer aufgebracht hätte – ihre angebliche Aussage dazu war erfunden. Video-Ansprachen über die Motivlage des Täters und Ratschläge zu Verhaltensweisen nach der Tat wurden irreführend verkürzt und es wurde Stimmung gegen eine schiitische Gedenkveranstaltung gemacht. 

Redigatur: Matthias Bau, Paulina Thom