Bild von Massengrab für Hunde in der Türkei wurde mithilfe von KI erstellt
Ein Gesetz in der Türkei erleichtert die Tötung von Straßenhunden – dazu kursieren in Sozialen Netzwerken emotionalisierende Bilder. Manche Aufnahmen zeigen Hundegräber, darunter ist jedoch auch ein KI-generiertes Bild.
Hinweis: In diesem Beitrag werden Bilder von toten Tieren gezeigt.
„Es hat begonnen! Den Türkeiurlaubern einen schönen Aufenthalt!“, schreibt ein Nutzer auf Facebook. Dazu teilt er ein Bild, das dutzende tote Hunde und mehrere Schafe in einer Grube zeigt – ein Massengrab. In englischen und türkischen X-Beiträgen mit dem Foto ist teils von einem „Massaker“ an Straßenhunden in der Türkei die Rede. Auch auf Threads verbreitet sich die Behauptung.
Anlass für die Behauptungen ist eine umstrittene Gesetzesänderung in der Türkei von Ende Juli 2024, die das Töten von Straßenhunden vereinfacht. Tierschutzverbände kritisieren sie, da darin nicht genau definiert ist, wann ein Hund als aggressiv oder krank eingestuft und eingeschläfert werden kann. Nach der Änderung verbreiteten sich Bilder aus den Gemeinden Altındağ und Niğde, in denen tote Hunde im Schutt zu sehen sind.
Das Bild auf Facebook und X zeigt jedoch keinen dieser Orte, es wurde mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) erstellt. Richtlinien auf Plattformen wie Facebook sehen vor, dass KI-generierte Bilder als solche gekennzeichnet werden – das ist hier nicht der Fall.
Auf den ersten Blick wirkt das Bild bereits merkwürdig, denn in dem angeblichen Massengrab für Hunde sind auch vereinzelt Schafe und Tiere mit sonderbaren Proportionen zu sehen. Einigen Hunden fehlen die Gesichter oder sie haben nur ein Auge. Alle sehen zudem unverletzt aus. Im Hintergrund verschwimmen die körperlichen Grenzen und es entsteht eine verpixelte Masse, bei KI-generierten Bildern spricht man hier von Artefakten.
Darum prüfte CORRECTIV.Faktencheck das Bild zunächst mithilfe der KI-Erkennungstools „Hive“, dem „AI-Image-Detector“ und „Neuraforge“ – alle gaben hohe Wahrscheinlichkeiten für einen KI-Fake an. Zudem befragten wir zwei Forscher im Bereich Künstliche Intelligenz, die ebenfalls von einem Fake ausgingen und zahlreiche Hinweise auf den Einsatz von KI fanden.
Die Ergebnisse der Analysen und die Experten-Einschätzungen finden Sie im folgenden zum Aufklappen. Wie man KI-generierte oder digital veränderte Inhalte erkennt, können Sie hier nachlesen.
Das sagen KI-Erkennungstools:
Es gibt unterschiedliche Programme, die helfen sollen, KI-generierte oder digital veränderte Inhalte zu erkennen – allerdings sind sie längst nicht perfekt. Tools zur KI-Erkennung allein reichen nicht, um KI-generierte oder digital veränderte Inhalte zu entlarven. Sie können aber ein Ausgangspunkt für weitere Analysen sein.
Darum haben wir das Bild des Massengrabes mithilfe öffentlich verfügbarer Tools analysiert: Laut „Hive“ soll das Bild zu 100 Prozent KI-generiert sein. Der „AI-Image-Detector“ ermittelte eine 99-prozentige Wahrscheinlichkeit.
Das Tool zur Deepfake-Erkennung von „Neuraforge“ ist nicht frei verfügbar, wir baten das Unternehmen daher um eine bildforensische Analyse.
In dem Bericht schreibt der Analyst Anatol Maier, das Bild sei „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ vollständig KI generiert. Er schreibt: „Beim untersuchten Bild fällt auf, dass einige Hunde Zyklopen zu sein scheinen oder komplette Gesichter fehlen. Auch stimmen manche Proportionen nicht. Vor allem im hinteren Bereich des ‚Massengrabes‘ verschmelzen die Körper regelrecht ineinander, was oft auf KI-Fake hindeutet.“
Kai-Uwe Kühnberger, Professor in Osnabrück:
Clemens Beckstein, Informatik-Professor in Jena:
Clemens Beckstein ist Professor für Praktische Informatik und leitet die Arbeitsgruppe Künstliche Intelligenz an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Er sei kein Bild-Forensiker schreibt er, könne aber „als KI-ler“ seinen „gesunden Verstand“ beisteuern.Er schrieb uns zu dem Bild: „Wenn ich darauf wetten müsste, würde ich davon ausgehen, dass es sich um ein KI-generiertes Bild handelt: Farben (die gekünstelte Patina, wenn Sie wollen), Textur und die Art, wie zum Beispiel die Haare oder ‚Gesichter‘ der angeblichen Tiere aussehen, sprechen sehr dafür […] Das Setting ist meines Erachtens auch nicht wirklich konsistent: eine riesige, akkurat ausgehobene Grube und am Rand der Grube (so gut wie) keine Spuren der Arbeit […], kein Bagger.“
Was sich hinter dem Bild des Massengrabes verbirgt
Einer der türkischen Beiträge mit dem KI-generierten Bild trägt den Hashtag „altindağdakatliamvar“ – das bedeutet übersetzt: „In Altındağ kommt es zu einem Massaker“. Der Hashtag führt auf X zu zahlreichen Videos, die tote Hunde zwischen Geröll in Altındağ zeigen sollen. Darunter sind Aufnahmen des türkischen Journalisten Umut Taştan.
In der Google-Suche führt „altindağdakatliamvar“ zu einem türkischen Bericht von Medyascope vom 9. August 2024. Demnach wurden getötete Hunde in einem Bezirk von Ankara, Altındağ, gefunden. Die Ärztekammer und die Stadtverwaltung von Ankara sprachen von einem „Massaker“ und forderten Konsequenzen.
Die Gemeinde dementierte die Vorwürfe und erklärte, dass es sich bei dem Gebiet um einen Tierfriedhof handele, auf dem auch Schlachtabfälle lägen. Laut Medyascope ermitteln Strafverfolgungsbehörden gegen die Verantwortlichen, mehrere Personen wurden festgenommen.
Redigatur: Matthias Bau, Max Bernhard